Musikalischer Hybrid
– Wie sagt man: Liebe auf den ersten Ton? Oder Liebe auf den ersten Akkord? Naja, so ähnlich. Von Thomas Wörtche.
Mambo trifft auf Synkopen, 40er-Jahre-Streicher treffen auf Elektro-Beats, E- Gitarren und Orgel auf Baritonsaxophon mit Hall und Geisterstimme. Zickiger Nachtclub-Mambo hört sich an wie ein Jazz-goes-Samba-Arrangement von Quincy Jones, und die nadelscharfen Bläsersätze – da kapiert man, was der Ausdruck „peitschende Trompeten“ meinen könnte – hätten auch Perez Prado eingeleuchtet, der sowieso als „King of Mambo“ und allgegenwärtige Präsenz über dem ganzen Unternehmen schwebt. Und wenn man mal wieder ein paar alte Perez-Prado-Scheiben hört, erinnert man sich auch daran, wie abgefahren, schon fast psychedelisch seine Produktionen manchmal sein konnten – eine Eigenschaft, die SMYLO mit großer Freude weiterkultivieren.
Sergio Mendoza und seine Leute kommen – wie könnte es anders sein – aus dem Turbo-Kreativ-Generator Tucson, aus dem Calexico und Howey Gelb-(Giant Sands-)Umfeld. Mendoza selbst hat mit Calexico und Devotchka gespielt. Die Band kommt also daher, wo wirklich musikalische Hybride entstehen, wo die politische Grenze zwischen Mexiko und USA eben keine kulturelle Grenze ist. Deswegen sind die durchweg fetzenden elf Tracks (alles Eigenkompositionen von Leader Mendoza, geboren im mexikanischen Teil von Nogales) nicht nur Neuinterpretationen des kubanisch-mexikanischen Zwitters „Mambo“, sondern vergreifen sich in besten Sinne auch an Jazz, Country & Western, Polka und – natürlich – der guten, alten Cumbia, auf dass sich der Dancefloor biegt.
Auch wenn alles Zitat und Anspielung und Weiterverarbeitung ist – die manchmal leicht nach Ennio Morricone klingt, dann wieder einen Hauch Lalo Schifrin antippt, um ein paar Nino-Rota-Echoes erweitert – so ist doch die ganze Produktion dies alles gleichzeitig auch dezidiert nicht: Die Fähigkeit von Mendoza, alles organisch zu einem sehr eigenen und deutlich zu erkennenden Sound zu fügen, ist bewundernswert. Man hört eben keine postmodern-ironische Zitatmusik (obwohl: ziemlich komisch kann sie schon sein), sondern eine sehr kraftvolle, sehr dynamische, an die guten Eigenschaften der Traditionen (Tanzbarkeit, rhythmische Wucht, Popularität auf Niveau) anknüpfende Musik. Die Truppe macht einfach Spaß.
Noch schöner – man kann sie auch bald live hören. Mendoza & Co. sind Teil der „Tucson Songs on Tour“ – darunter auch meine Lieblingssängerin Marianne Dissard.
Thomas Wörtche
Sergio Mendoza y La Orkesta: Mambo Mexicano. Le Pop Musik (Groove Attack). Zur MySpace-Seite und zu Facebook.