Ausflug in Chandlers Territorium
Wir verstehen das – bei verehrten und geschätzten Autoren mag man nicht immer auf die deutsche Übersetzung warten. Und deswegen hat – kaum ist „A Nasty Piece of Work“ von Robert Littell erschienen – Alf Mayer das Buch schon gelesen ‒ voilà:
79 Jahre alt wurde Robert Littell gerade am 8. Januar. Mit seinem im November in USA erschienenen 18. Roman „A Nasty Piece of Work“ hat er sich selbst ein Geschenk gemacht und nach einer Reihe meisterhafter Thriller, der letzte eine ingeniöse Biografie des jungen Philby (zur Rezension bei CrimeMag), einen Ausflug in die Detektivgeschichte unternommen. Raymond Chandler lässt in satten Farben grüßen. Lemuel Gunn heißt Littells altkluger Ich-Erzähler, ein Amalgam von „Lemuel Gulliver” und „Peter Gunn“, im falschen Jahrhundert sieht er sich lebend, hält nichts von Mobiltelefonen und Kreditkarten, hat in Afghanistan als CIA-Abteilungsleiter gedient und lebt nun als Privatdetektiv in einem Trailerpark in New Mexico, sein Alu-Wohnwagen nichts weniger als einst die Behausung von Douglas Fairbanks Jr. bei den Dreharbeiten von „Prisoner of Zenda“, sein Auto ein 1950er Studebaker Starlight Coupe . Gunns Stimme klingt wie sie klingen muss, einer jener weltmüden, allem trotzenden Einzelgänger in solch einem Pastiche.
Robert Littell hat Selbstbewusstsein genug, lustvoll in die Vollen zu steigen, gibt seinem Affen Zucker. „Some things you get right the first time“, lautet sein erster Satz. Er hatte klar jede Menge Spaß beim Schreiben. „You must be Friday“, begrüßt Samuel Gunn jene leicht bekleidete, barfüßige Contessa, die ihm als Klientin gegenübertritt und mit der er dann von New Mexico bis Nevada auf einen farbenprächtigen road trip geht. „Friday“ nennt er sie fürderhin. Ihre Lippen sind wie aus einem Scott F. Fitzgerald Roman: „Oval and moist and slightly parted in a permanent perplexity. Everything, as Mr. Yul Brynner used to tell us six nights a week and Saturday matinees, is a puzzlement.“ So viel hier in gebotener Kürze zum Referenzrahmen Littells, eine eigene Reise von vor Jahren lieferte den Anstoß für das Setting.
Schwelende Wut
Bei aller Leichtfüßigkeit der Erzählung und Metaphern, die mehr als nur ein Buch füllen könnten, gibt es da aber auch eine schwelende Wut. Gunn öffnet seine Bierflaschen mit nichts als zwei Fingern. Gelernt hat er das Afghanistan, wo er im fahlen Grün seines Nachtsichtgerätes, welch ein Bild, Zeuge werden musste, wie amerikanische Soldaten Frauen und Mädchen vergewaltigten, umbrachten und als Kollateralschaden liegen lassen. „Management and I disagreed about something“, erzählt er einem Mafioso, der ihn fragt, warum er die CIA verließ. „What thing?“, fragt der. „Murder“, antwortet Gunn lakonisch.
„Life is short. The challenge ist to make it sweet“, heißt es an anderer Stelle. Die Herausforderung, 60 Jahre nach Chandlers „Langem Abschied“ eben mehr als nur Pastiche zu liefern, meistert Littell, indem er das Buchende bittersüß schwingend offen lässt. „A Nasty Piece of Work“, ganz schöne Schweinebacken, das sind sie beide, der Privatdetektiv und seine barfüßige Gräfin. „Gunn, you prick, what have you done?“, lautet der letzte Satz.
Alf Mayer
Robert Littell: A Nasty Piece of Work. New York: Thomas Dunne Books, St. Martin’s Press 2013. 262 Seiten. 24,99 $. Zum Interview von Feedbooks mit Robert Littell.