Ernstfall Eden
Buchcover Eden, Eden, Eden
Neuerscheinung bei diaphanes:
Pierre Guyotat vertritt eine literarische Extremposition, für die es kein Beispiel gibt. Sein zweites großes Erzählwerk »Eden, Eden, Eden« entstand 1970 und wurde sofort nach seiner Veröffentlichung als pornographisch verboten. Obwohl sich namhafte Intellektuelle für das Buch einsetzten, wurde der Bann erst 1981 unter Mitterrand wieder aufgehoben. In buchstäblich einem einzigen Satz entfaltet sich eine wüstenhafte, apokalyptische Kriegslandschaft irgendeines unbeendbaren Bürgerkriegs ohne jegliche Moral (und also auch ohne das Böse). Jede Handlung geht unter im Ineinanderfließen von Mikroerzählungen, in denen Frauen, Kinder, Tiere, Männer, Junge, Alte, Soldaten, Huren multiplen Obszönitäten, Vergewaltigungen, Morden unterworfen sind. All das findet in einer triumphierenden Sprache seine literarische Form, die nicht zwischen Gewalt und Lust, Schönheit und Grausamkeit, Mensch und Tier trennt und in der die Frage nach Opfern und Tätern ebenso demonstrativ wie schockierend unwichtig ist.
»In jedem Falle ist, zu welchen Maßnahmen die Behörden auch greifen werden, die Veröffentlichung dieses Textes wichtig. Die ganze kritische, theoretische Arbeit wird darin vorangetrieben, ohne dass der Text je seine Verführungskraft einbüßt: Er lässt sich nicht einordnen und ist zugleich über alle Zweifel erhaben, ein neuer Orientierungs- und Ausgangspunkt des Schreibens.« Roland Barthes in seinem Nachwort zu Eden, Eden, Eden
"/Breitbeinig, mit gespannten Muskeln, treten die behelmten Soldaten auf die Neugeborenen, die in scharlachrote, veilchenblaue Schals gewickelt sind: die Babys fallen aus den Armen der Frauen, die auf den zerschossenen Blechen der GMC-Geländewagen kauern; der Fahrer stößt mit der freien Faust eine Ziege zurück, die in seine Kabine geschleudert wird; / am Ferkous-Pass überquert eine Abteilung des Marine-Infanterie-Regiments die Piste; die Soldaten springen von den Lastwagen, die Marineinfanteristen legen sich auf den Schotter; den Kopf an die mit Feuersteinen und Dornen gespickten Reifen gelehnt, entblößen sie im Schatten der Schutzbleche ihre Oberkörper (….)"
Und so geht es immer weiter, ohne dass jemals ein Punkt den Sprachfluss unterbräche. Ina Hartwig im Deutschlandfunk
Pierre Guyotat: Eden Eden Eden. Aus dem Französischen von Holger Fock. Diaphanes 2015.
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