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Jean-Paul-Preis 2019 für Ursula Krechel

Redaktion: 

Die Berliner Schriftstellerin Ursula Krechel erhält den mit 15.000 Euro dotierten Jean-Paul-Preis des Freistaats Bayern für ihr Lebenswerk. Die Preisverleihung findet am 16. Dezember in München statt. Der Jean-Paul-Preis wird in diesem Jahr zum 19. Mal vergeben, Ursula Krechel ist die 5. Frau, die mit diesem Preis ausgezeichnet wird. Wir gratulieren Ursula Krechel sehr herzlich.

Ursula Krechel, Foto: Zörner Ursula Krechels Lebenswerk begleite und kommentiere die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit den frühen siebziger Jahren, heißt es in der Begründung der Jury, der Dr. Katrin Lange, Niels Beintker, Thomas Geiger, Dr. Holger Pils und Prof. Dr. Stephanie Waldow angehören. Ganz gleich, ob Krechel Gedichte oder Theaterstücke schreibe, ob Essays oder Romane, ihr Werk sei immer der sprachlichen Genauigkeit verpflichtet, ebenso einer im besten Sinne aufgeklärten kritischen Zeitgenossenschaft. Ihr umfangreiches lyrisches Werk sei Ausdruck einer ganzen Generation und finde seine Resonanzen weit über diese Generation hinaus. Mit ihren jüngsten drei großen Romanen wiederum habe sie eine großartige Trilogie vorgelegt, die die Jahre während und auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur nachzeichne und die nachwirkende Ideologie des „Dritten Reiches“ in der jungen bundesdeutschen Gesellschaft erkunde. „Ursula Krechel schildert die Anfangsjahre der Bundesrepublik mit großer Empathie für die Verleumdeten, die Geflohenen und die Entrechteten. Ihre Literatur leistet unverzichtbare Erinnerungsarbeit. Sie gibt denen – in der Kunst – eine Stimme, die anderweitig kein Gehör fanden und finden. In einer Zeit, in der die besondere Erinnerungskultur in diesem Land wiederholt öffentlich in Frage gestellt wird, sind Ursula Krechels Romane von großer Relevanz.“

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Archiv Fixpoetry

»Es gibt keine Nazis in der Stadt«
Fixpoetry im November 2018
 Mir sinn net solche Zigeuner wie die. Und als sie als Erwachsene mit ihrem Bruder Ignaz ein anfangs sehr erfolgreiches Restaurant eröffnet, schreiben Neonazis SS-Runen und Haut endlich ab an die Wand, legen Kot vor die Tür und zerstören es schließlich ganz. Es gibt keine Nazis in der Stadt, verkündet die Polizei als Ergebnis ihrer Untersuchungen. Geisterbahn ist ein wichtiges Buch. Schonungslos legt es den Finger in die Wunde, die gerade heute wieder sichtbar wird. (Barbara Zeizinger)

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Fliegende Teller um den blinkenden Leuchtturm
Fixpoetry im April 2015
Ursula Krechel untersucht den Kosmos besonderer Frauen
Ein schönes Buch in einem interessanten nicht häufig zu findenden Format. Nicht sehr hoch, dafür breiter als sonst üblich, so dass das aufgeschlagene Buch dann doch Raum einnimmt. So, wie Ursula Krechel diesen Frauen mit ihren interessanten Leben Raum gibt.(Simone Trieder)

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Anhaltende (RE)Konstruktion
Fixpoetry im November 2013
Unter dem Titel Die da ist im Verlag Jung und Jung in diesem Sommer ein Band mit ausgewählten Gedichten von Ursula Krechel erschienen. Eine Rekonstruktion der Autorin, könnte man meinen, wenn so etwas denn möglich ist, oder zumindest die Rekonstruktion einer Autorin aus einem umfangreichen Werk. Aber dieser Band bietet weit mehr als das. (Jan Kuhlbrodt)

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Nicht Vergangenheit
Fixpoetry im August 2012
Krechels Roman ist aber weit entfernt von einem Thesenroman. Er ist große Literatur. Fesselnd anschaulich und klug. Es gibt kaum ein Buch seit der Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss, das soziale historische und literarische Konzeption in sich auf derart überzeugendem sprachlichem Niveau vereint, wie die Romane Ursula Krechels.(Jan Kuhlbrodt)

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Die Nähe der Ferne
Ursula Krechels akribisch recherchierter Roman über jüdische Exilanten in Shanghai

Fixpoetry im Juni 2009
Um es also noch einmal deutlich zu sagen: „Shanghai fern von wo” ist eine beeindruckende schriftstellerische Leistung, ein Buch, das dokumentarische Sorgfalt und großes erzählerisches Vermögen zusammenführt. Vielleicht wird die Literaturgeschichtsschreibung diesen Roman einmal Ursula Krechels „Hauptwerk” nennen. Sie hätte gute Gründe für ein problematisches Etikett.(Daniel Graf)

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Gedicht des Tages
Fixpoetry 08.11.2018

DIE DUNKLE SPRICHT VOM LICHT
für Gertrud Kolmar

Gebannt in einem Haus
das Haus heißt „Judenhaus“
niemand geht lebend heraus
gelber Stern über dem Trauerhaus.
Es blüht kein schöner Land
in diesem Zimmerschluchtenland
kein Hügel aus Stuck in Schöneberg
die Zimmer voller Angst und Tand.
Hier wartet eine, was geschieht
was dann geschieht, geschieht ihr wie –
sie weiß schon: Worte mangeln nicht
es fehlt die grenzenlose Phantasie.
Sie schaut dem Kommen zu
sie geht nicht fort, was auch geschieht
kommt, wie es kommen muß
nach Sand kommt Asche, kommt der Ruß.
Wer sich nicht fürchtet, spricht
im dunklen Schöneberg: ich fürcht mich
nicht so sehr, daß mir das Wort zerbricht
daß Schatten mein Gesicht.

Erschienen in: Die da. Ursula Krechel, Jung und Jung, Salzburg 2013. Wir danken Ursula Krechel und Anna Jung!

 

 

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