Mi, 27.10.10 (Do, 28.10.10, 3:55): Besenrein

Herbsttext von heute, Pumpe, Dendemann, nachdem im Chat mit Lilly mal wieder viele denkwürdige Versvorstufen aus dem beiderseitig umarmten Text fielen:

— snip! —

Besenrein gerockrappt

Rapper-Songwriter Dendemann überzeugte in der Pumpe mit „Vom Vintage verweht“.

Kiel. Damit das mal klar ist, das ist hier kein normales Rap-Konzert, wenn Dendemann in die Pumpe kommt. „Das ist die letzte Probe vor’m Abiball ’86“, feixt der Recke unter den deutschen Reimern – in Jeans-Jacke und die Rapper-Cap wohl ganz bewusst so auf den Vokuhila-Locken platziert, dass sie wie eine Narrenkappe wirkt.

Normal schon deshalb nicht, weil neben dem DJ, der zur Einstimmung munter Oldschool-Hiphop-Zitate von Fugees bis DeLaSoul auf dem Teller dreht, eine vierköpfige (Punk-) Rockband auf der Bühne steht: die „Freien Radikale GbR der Herzen“. Normal ist auch nicht, dass Dendemann sich gegen hartnäckige „Souffleure“ in der ersten Reihe durchsetzen muss. Das tut er freilich mit der ihm eigenen Ironie: „Du bist auch kein Typ des Konjunktivs, sondern ein Macher, oder?“, wirft er dem „Stichwortgeberspaßvogel“ entgegen und hat auch gleich die dazu passenden Songs parat: „Abersowasvonlive“, gefolgt von „Tierisch“ vom jüngsten Album „Vom Vintage verweht“. „Das haste doch noch nie gehört und sicher nie gesehen / da gackern ja die Hühner und da kichern die Hyänen“, heißt es darin, und wie einst Sisyphos gegen Versteinertes kämpfen dort die „Pferdestärken“ des Rock mit den „Drahteseln“ des Rap.

Herbst des Hiphop

Dendemann karikiert den Rap, seine modischen Accessoires wie seine verblasenen Rituale, mit lupenreinem Punkrock. Zwar ist von den freiradikalen Gitarren selten mehr zu hören als der Beat der Saiten, melodisch halten sich Dendemanns Mannen bis auf Andeutungen eines Solos etwa im „Remix“ von „Es geht bergab“ zurück. Nicht anders die Drums, die den Beat auch vom analogen Equipment aus elektronisch behandeln. Dennoch, so „besenrein gerockt“ war „da Rap“ selten „in da House“ des „Nesthockers“, der seinem nur geborgten Rapper-Heim zu neuen alten Horizonten entflieht. Man möchte aus Songs wie „Endlich Nichtschwimmer“, dessen Refrain das Publikum geradezu inbrünstig mitskandiert, fast eine Absage an den Rap heraushören und Dendemann als Bademeister in Adiletten der 80er am Hiphop-Haifischteich der 10er wahrnehmen. Allein, man täte dem Rettungsschwimmer des deutschsprachigen Hiphop Unrecht. Oder leistete einer urdeutschen Instanz wie dem weißwestigen Bademeister voreiligen Gehorsam. Wie bei jeder guten Karikatur ist auch bei Dendemanns Rock meets Rap die unverbrüchliche Liebe zum beiderseits Karikierten spürbar.

So kehren die alten Besen des Rock sehr gut im Hinter(un)höflichen des Rap, setzen an zu einem Kehraus, der von den wohlfeilen Gangsta-Attitüden zurückkommt zum eigentlichen Kern dieser berufsjugendlichen Kultur: dem Wort und dem dies befeuernden, revoluzzenden Geist des Rock’n’Roll. „Sachma, geht’s noch?“, fragt Dendemann seine Kombattanten und auch das Publikum. Das ist in seinem fleißigen Beifall sicher, dass Rap erst in der Allianz mit Rock wieder geht, dass das Wehen des „Vintage“ frischen Wind bringt in ein Genre, das seine Sprengkraft nach wie vor, aber erst jetzt wieder aus der Macht des intelligent rock-gereimten Worts bezieht.

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