Die Ikonen, früh verdrogt, noch früher gestorben, mein Alter(Ego) nie erreicht. Seltsam, wie standhaft ich weiter gehe – auf dem dünnen Eise, durch den Alltag der Texte.
Ich verblasse, indem ich dafür brenne …
— snip! —
Lieber verbrennen als verblassen
Feurig bejubelt: Liederabend „Come As You Are“ in der „Reihe 17“ im Schauspielhaus.
Kiel. Nach 16 Songs ist der Blues eingezogen in die Teenage-Riot-Hymne „Smells Like Teenspirit“, jenen Hit, mit dem Anfang der 90er Jahre Kurt Cobain und seine Band Nirvana eine ganze Generation prägten. Wenn Marko Gebbert und Band unter der musikalischen Leitung von Ture Rückwardt für ihren Nirvana-Liederabend „Come As You Are“ in der ausverkauften „Reihe 17“ des Schauspielhauses feurig begeisterten Applaus erhalten und erst nach drei Zugaben entlassen werden, liegt hinter ihnen wie dem Publikum eine Reise durch das kurze Leben und die langlebige Musik eines Rockstars, der keiner sein wollte.
Ein Kreis hat sich geschlossen: Vom aggressiv-lakonischen Aufbruch der Stromgitarren, um den Rock’n’Roll in Punk und Grunge zu retten, zur Bilanz in einem der (Groß-) Väter des Rock’n’Roll, dem Blues – vom „Teenspirit“ zu einer Art Schwanengesang. Und auch ein Bogen ist gespannt von einer tragischen Lichtgestalt des Rock’n’Roll zur anderen: von Jim Morrison zu Kurt Cobain. Dass zwischen beiden manche Ähnlichkeit besteht, zeigen Marko Gebbert (voc., git.), Maria Goldmann (voc.), Ture Rückwardt (git.), Joachim Roth (b.) und Sönke Liethmann (perc.) nicht zuletzt musikalisch, indem sie den 90er-Grunge Nirvanas und gleichgesinnter Bands wie Meat Puppets, Foo Fighters, Hole, Blind Melons und Pearl Jam mit einigem Sixties-Flair versehen. Da lassen nicht nur Jim Morrison und The Doors grüßen, auch die späten Beatles werfen ihre Schatten hinterher. Gemeinsames Lebensgefühl über die Jahrzehnte hinweg ist ein typisch rock’n’rolliges: Gar nicht mal Sex & Drugs & Riots, schon eher der melancholische Unterton gleich mehrerer Generationen X, den Kurt Cobain kurz vor seinem Freitod so zur Losung verdichtete: „Es ist besser auszubrennen, als langsam zu verblassen.“
Auch wenn dies ein Liederabend und kein Rock-Konzert ist, auch wenn Gebbert, Goldmann und die Band Nirvana und ihre Protagonisten Kurt Cobain und Courtney Love weder kopieren noch darstellen wollen, schlüpft Gebbert schauspielerisch ein wenig in Kurts Rolle. Wirr schwitzt sein Haar über der hitzigen Stirn, kommen die poetischen Lyrics mit untergründiger Wut über die zersprungenen Lippen, bläst er in die scheppernde Posaune, als sei diese nicht fern vom jüngsten Gericht, tanzt er mit einer beinahe ungelenken Unbefangenheit auf dem selbst errichteten Vulkan. Und auch Goldmann gibt eine Courtney, die wohl mehr als Kurts Muse war, vielmehr Mitreisende in den vorbestimmten Untergang, Punk-Lady mehr denn -Girlie, „not selling cheap“.
„Wir alle haben es nötig, Dampf abzulassen“, schrieb Kurt im Tagebuch, aus dem zwischen den Songs zitiert wird. In der „Reihe 17“ wird entsprechend Dampf gemacht, jedoch auf erhellende Weise gleichsam durch das vermittelnde Ventil der geschickten Verschiebung der rockenden Klangfarben. Manches glüht da elektronisch, psychedelisch oder shuffled old-schoolig und derart ohrwurmend, dass man am Ende gewiss ist, zu Hause die alten Nirvana-Scheiben mal wieder aufzulegen, um dieses anregende Brennen wider das Verblassen fortzusetzen.
— snap! —
Download Nirvana, getreulich in die diesseitigen /Verzeichnisse/ aufzeichnend.