nitrocellulär

vom film auf nitrozellulosen
man weiß: er ist so leicht entflammbar,
tendiert zum selber mit sich kosen
im untergang, vergessen: nahbar,

um zu verschwinden vor dem lesen.
wie meine kunst, die sich zerstört
noch vor dem in sich selbst verwesen –
GESANG: ein schwund, bevor gehört.

was ich hier schreib’, vergisst kein netz,
doch niemand kennt es, ist verwandt
und weiß vom schmerz, von dem verletzt,
wird feuer fangen, lunten rand

entzünden, wo mein herze brennt.
so nehmt das feuerzeug zur hand,
verwendet verse, dass bekennt
sich kunst zum selbst in ihr verbrannt.

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an euch frauen

(sonett all euchinnen zum weltfrauentag, 8.3.)

was wären wir denn, männleichen und bloß,
wär’t ihr nicht da, ihr stolzen, freien frauen,
wär’n unverwandt und wie gewohnte los,
das keine frau gewinnt, vielleicht vertrauen,

das flüstert aus den alten männern traut’
euch zu: ich mag’ es euch nicht anempfehlen,
denn meistens lügen männer, euch geschaut,
wenn sie, euch schöne, träumend zu sich wählen.

s’ist besser, wenn ihr schickt uns in die wüste,
statt bietet uns des weibes quellend büste.
ihr wisst es besser, was der mann nicht wusste.

und wenn ich euren schwund und lippen kusste,
es bleibt ein angesinn, das nicht mehr herrt.
und das ist gut so, wenn ihr bess’rem wärt.

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Bach – Kantaten (31)

Bach-Kantaten zum kommenden Kirchensonntag:
(Laetare)

Während der Fasten-/Passionszeit hatte zu Bachs (Leipziger) Zeiten die Figuralmusik in den Kirchen zu schweigen („tempus clausum“). Bach komponierte daher keine Kantaten für den Kirchensonntag Laetare. Jedoch gibt es mehrere Kantaten, die er keinem speziellen Kirchensonntag zuordnete. An Laetare werden folgende gelegentlich gespielt.

Epistel: 2. Kor. 1,3-7 (Gott tröstet uns in aller unser Trübsal, damit auch wir trösten können)
Evangelium: Joh. 12,20-26 („Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt …“)

„In allen meinen Taten“ (BWV 97)

(@ Wikipedia)

„Nun danket alle Gott“ (BWV 192)

(@ Wikipedia)

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winterreise revisited 11

11 die sehnsucht nach dem sommer

dein mild verschattetes gesicht
am breit gekrempeten gehüt
aus trock’nem stroh: an dir verzicht
und in mir weh, dir doch verliebt.

und wie in tiefe see’n wir tauchten,
geschwister unter trübem wasser.
wir waren die uns und verbrauchten,
ein piewarm, und das herz verlasser.

denn was ist in der kinder köpfen,
was gilt der vers im anderland?
was könnten wir aus solchem schöpfen
und wären fortgang an den rand?

der sommer kommt, der winter geht,
die blüten noch sind uns nicht blühend.
wie wintersturm uns beiden weht,
ist sein ein an und für sich glühend.

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Bach – Kantaten (30)

Bach-Kantaten zum kommenden Kirchensonntag:
(Oculi)

Während der Fasten-/Passionszeit hatte zu Bachs (Leipziger) Zeiten die Figuralmusik in den Kirchen zu schweigen („tempus clausum“). Bach komponierte daher in Leipzig keine Kantaten für den Kirchensonntag Oculi, lediglich schon in Weimar die Kantate „Alles, was von Gott geboren“ (BWV 80a). Sie ist bis auf den Text von Salomon Franck verschollen und wurde von Bach in seiner Leipziger Zeit zur Reformationskantate „Ein feste Burg ist unser Gott“ (BWV 80) umgearbeitet, die gelegentlich ersatzweise am Sonntag Oculi aufgeführt wird.

Epistel: Eph. 5,1-9 (Ermahnung zu reinem Lebenswandel)
Evangelium: Luk. 11,14-28 („Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub“)

„Alles, was von Gott geboren“ (BWV 80a)

(@ Wikipedia)

„Ein feste Burg ist unser Gott” (BWV 80)

(@ Wikipedia)

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„ein sich anders in die leere sagen“

… dichtet der am selben tag wie ichichich, 17.1.1964, geborene dichter raoul schrott. dazu heute dies gesagt/gefilmt:

Räume, Ränder und Ohren öffnen

gegengedämmert schon 2010

und so vom leeren lernen …

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somewhere over the stilled fire

www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Kiel/Keine-Verletzten-Dachstuhl-brannte-in-der-Rathausstrasse

@ marusha: „over the rainbow“ (MTV 1994)

„milde des mittags“

(for j & l & l)

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Bach – Kantaten (29)

Bach-Kantaten zum kommenden Kirchensonntag:
(Reminiscere)

Während der Fasten-/Passionszeit hatte zu Bachs Zeiten die Figuralmusik in den Kirchen zu schweigen. Bach komponierte daher keine Kantaten für den Kirchensonntag Reminiscere. Dennoch werden folgende, eigentlich anderen Kirchensonntagen zugeordnete, Kantaten gelegentlich an diesem Sonntag aufgeführt.

Epistel: Thess. 4,1-8
Evangelium: Luk. 9,28-36

„Wo soll ich fliehen hin“ (BWV 5)

(@ Wikipedia)

„Was Gott tut, das ist wohlgetan” (BWV 99)

(@ Wikipedia)

„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn” (BWV 157)

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winterreise revisited 10

10 und du bist mein

ich wahrlich sage dir, dass du
bist mein am krächzend kreuze heute
und mir in ewigkeit, jesu,
der singet dir choral der leute.

ich wahrlich spreche aus der sprache,
der text ist mir mein froher hirte,
wo wär’ nicht fern von solcher brache
der acker noch und dich bewirte

mit hirs’ und hirn und davon trank
dir gerste zu den gästen wäre,
tragödie richtet’ an im schwank
dir noch die leichtigkeit der schwere –

wär’ mir gesang für dich, du schöne,
ein dichten, auf dass du bist mein,
das ich seit jeher schon beschwöre,
als sei’s mein angesicht und sein.

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winterreise revisited (8-9)

8 der turm gegenüber

der turm gereckt steht gegenüber,
in ihm wie mir ein kiel.archiv,
das meines ist, der schwestern, brüder,
im dortigen vielleicht bald ich.

rathausturm_160214

so sind der turm und ich zwei beide,
wir schau’n uns an vor dem balkon
und blühend auf der frühlingsweide:
zwei reisende in dem ballon,

der schlaff sinkt auf auch uns’re stadt,
und landet, wo ihn wir empfangen,
du meine, ich an deiner statt:
dir singend, was wir eh’dem sangen.

der turm im regen, ich, ihm fröstelnd,
hör’, was die seine uhr geschlagen:
mir auch zum tode schon geroestelt
dem liebchen einst, nun auch vergraben.

kirsten_grab

9 das überhaupt

und überhaupt möcht’ ich hier klagen
das leben an und für die toten.
ich würde das mir zutrau’n, wagen,
wie einst den notgeopfert roten.

denn überhaupt gilt’s opponieren
in diesen finst’ren, flüchtend zeiten,
mit solchen sich zu kujonieren
und uns den graben zu bereiten.

dem haupt und hut geht’s über schnur,
die lieb’ wächst über uns’re herzen,
wie war ja eh der selbe schwur,
der reimte sich auf’s schlimme schmerzen.

weil überhaupt nichts anders geht,
als dass ich mich dem übergebe,
was sich von selbst aus sich versteht
und weist mich in mein liebend’ wehe.

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