AUSGABE 4 Dezember 2000
Johannes Finke: Sex mit Monika Kruse oder stell' Dir vor es ist Pop und
keiner geht hin!
Lyrik und Shorties aus den Neunzigern
Die Titelwahl ist
ausgesprochen pretiös. Hier soll auf Teufelkommraus der Eindruck erweckt werden,
der Leser hätte es mit einer ebenso originellen wie (für das zurückliegende
Jahrzehnt und die zugehörige Schreibergeneration) repräsentativen Textesammlung
zu tun. Es ist aber eben Zeichen des Originellen, dass es derlei ambitiöses
Getöse, das zweifelsohne der - in diesem Fall völlig berechtigten - Furcht
entspringt, weder originell noch repräsentativ zu sein, nicht nötig hat.
Immerhin kann der pompöse Etikettenschwindel bei der Titelgebung für sich in
Anspruch nehmen, die kreativste Sprachleistung dieses Lyrikbandes zu sein.
Was Herr Finke ansonsten bietet, sprachgestalterisch gesehen, lockt
keinen Hund hinterm Ofen hervor. Wenn ich seine Poeme mit Schlüsselworten
charakterisieren sollte, würde ich u. a. die folgenden verwenden: kraftlos;
zünden nicht; geschwätzig, dabei nichtssagend; ungenau (das Übelste in der
Lyrik!); Opfer des Szenejargons statt sein Beherrscher; Nachahmer;
Trittbrettfahrer; Konfusius.
Bei der Lektüre des Büchleins drängt sich
mir, Verzeihung, der Eindruck auf, hier habe sich einer, der es in seinem jungen
Leben zu nichts rechtem gebracht hat, in seiner Profilierungsnot auf die Lyrik
verlegt, inständig hoffend, dass im Gestrüpp seiner sprachlichen Verquast- und
Verwaschenheiten verborgen bliebe, dass er auch auf diesem Gebiet eine Niete
ist.
Beim Gedichtemachen geht es um Sprache und nicht um szenemäßig
korrekte Gesinnung. Es geht, genauer gesagt, darum, mit dem rechten Wort, mit
der treffenden Wendung Weltaspekte sichtbar zu machen, die vorher unsichtbar
waren. Es kommt darauf an, der Muttersprache das äußerste Quäntchen an
Mitteilsamkeit zu entlocken. Der Leser möchte seinen Horizont erweitern. Er
möchte im heiligen Schauder vor der Sehkraft des Dichters erzittern. Er möchte
Dinge in Erfahrung bringen, die ihm kein TV-Magazin und keine Zeitung verraten
kann.
All das möchte der Leser bei Herrn Finke vergeblich. Was er
bekommt, geht über Geplapper der seichtesten Art, vorgetragen in gekünstelt
falscher Grammatik und angereichert mit effekthascherisch eingestreuten
Popvokabeln, nicht hinaus. Das reicht heutzutage schon, um zwischen zwei
Buchdeckel zu kommen. Den Verleger möchte ich nicht kennen lernen.
Herr
Finke macht nicht nur nichts Verborgenes sichtbar. Er kleistert obendrein das
Erkennbare gnadenlos zu mit seinem Sprachbrei, der ja in Wirklichkeit ein
Denkbrei ist: kümmerliche Äußerung eines vom ewigen Lallen der öffentlichen
Medienmaschinerie versehrten Hirns, das längst nur noch so in die Welt
hinausstammeln kann, wie es ihm zeitlebens eingesagt worden ist.
Finke-Gedichte machen ihre Leser dümmer.
Sabine Sense-Sähbelmann
AUSGABE 4 Dezember 2000
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