Geschrieben am 1. November 2020 von für Crimemag, CrimeMag November 2020

Zensur bei Books on Demand

Es lebe die Freiheit der Kunst! Kampf der Zensur!

Von Hans-Jürgen Döpp

Zum Kontext: Der Autor verfügt über eine beachtliche Sammlung erotischer Kunst, die die Grundlage seiner verlegerischen Aktivitäten ist. Über die Publikation ausgewählter erotischer Werke versucht er in aufklärerischer Absicht, diese vom Flair des Geheimen und Verbotenen zu befreien, das sie in der bürgerlichen Gesellschaft lange umkleidete. In der Zeit zwischen 1970 und 1990 entwickelte sich, auch angestoßen von der 68er-Bewegung,  eine sexualliberale Einstellung, die eine Vielzahl von „freien“, schönen Büchern auf diesem Gebiet zur Folge hatte. Diese Zeiten sind vorüber, und das Gesicht von Eros verdüstert sich zunehmend.

Die Technologie von „Book-on-Demand“ eröffnete dem Autoren die Möglichkeit eines verlagsunabhängigen Self-Publishing, die, wie angepriesen, „die verlegerische Freiheit des Autoren erweitert“. Anfangs bevorzugte er der komfortablen Handhabung wegen die Firma  BoD in Norderstedt. Doch zunehmend wurden Manuskripte mit nachfolgender Begründung abgelehnt: „Leider müssen wir ihnen mitteilen, dass Ihr eingereichtes Manuskript aufgrund seines Inhaltes den Grundsätzen unseres Unternehmens bzw. unserer Vertriebspartner widerspricht und wir es deshalb nicht in den Handel bringen möchten“. Näheres erfuhr man nicht. 

Muss ich betonen, dass es sich bei all diesen Büchern nicht um Pornographie, sondern um Werke der Kunst handelt?!

Da es inzwischen einige konkurrente Firmen  gibt, wechselte ich zu epubli, Berlin. Mit der Qualität der dort gedruckten Bücher war ich sehr zufrieden. Auf der Website www.venusberg.de bewarb ich diese Bücher, die alle mit einem Bestell-Link direkt zum Verlag verbunden sind. Nur wunderte ich mich, dass in den letzten drei Monaten kaum mehr Umsätze vermeldet wurden. So kontrollierte ich die Links – und stellte fest, dass von Seiten des Verlages die meisten Titelbilder samt Vorschau und informativem Kurztext gelöscht wurden! Man musste also „blind“ bestellen, – und das tat wohl keiner mehr. Dies veranlasste mich zu nachfolgendem Schreiben. – Inzwischen publizierte ich mit großer Zufriedenheit meine im Verlag aspasia/ edition de l’œil erscheinenden Bücher über tredition, Hamburg

An die Geschäftsleitung von epubli, Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Technologie  von Book-on-Demand ermöglich heute, dass quasi jedermann zu einem Autor werden kann. Verständlich, dass die dadurch ausgelöste Bücherschwemme einer Kontrolle bedarf, um Publikationen jenseits der Legalität und der Sittlichkeit zu verhindern. Das setzt seitens des Verlages große Sensibilität und kulturelle Kundigkeit voraus.

In den letzten Jahren habe ich über Sie einige Bücher publiziert, die insbesondere künstlerische Werke aus meiner umfassenden Sammlung Erotischer Kunst wiedergeben. (Ich dürfte auf diesem Gebiete die größte Sammlung in Deutschland besitzen; diese Sammlung ist nicht nur national, sondern auch international bekannt…) 

Lange Jahre hatte ich im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität einen Lehrauftrag für „psychosexuelle Sozialisation“ inne, und ich versuche, die Abbildungen sämtlicher Bücher durch seriöse, kulturgeschichtliche Texte zu begleiten.

Seit langem nun wundere ich mich, dass über Ihre Firma epubli keine Verkäufe mehr angezeigt werden. Gestern nun kontrollierte ich die links, die zu Ihrem Shop führen, und ich stellte entsetzt fest, dass die meisten Abbildungen zu den Titeln und die begleitenden Kurztext gelöscht wurden  – aus Gründen des Jugendschutzes!!! Dies ist eindeutig ein Missbrauch des Jugendschutzgesetzes, mit dem schon in den 50er-Jahren die Freiheit der Kunst unterdrückt wurde. Sie sollten wissen, dass heute nach juristischem Urteil der Kunstvorbehalt dieses Gesetz dominiert.

Umso schändlicher ist ihr Vorgehen, da bekannte, anerkannte Künstler wie Martina Kügler, Michel Fingesten, Karl Kunz u.a. von Ihnen zensiert werden!

Paradox ist Ihr Vorgehen insofern, als Sie diese Bücher zwar druckten, ihre Verbreitung aber behindern. (Bei Amazon sind sie unzensiert zu erhalten; doch nur ungerne unterstütze ich diese Firma…)

Ohnehin ist es um die Erotische Kunst derzeit nicht gut bestellt: US-amerikanische evangelikale Tendenzen  im Verein mit katholisch-prüden Zensurmaßnahmen nehmen dieser Kunst die Luft der Freiheit, die sie in den 70er- bis 90er-Jahren errungen hatte. Dazu kommen bestimmte feministische Positionen, die nicht den Kunstaspekt und kulturhistorischen Aspekt dieser Abbildungen zu schätzen wissen, da man in diesen nur noch Dokumente einer Macho-Kultur sehen will. (Selbst als solche wären sie aber von Wert!) Ich will nicht betonen, dass, wie es das Beispiel einer Bellmer-Ausstellung in London zeigte, auch der Islamismus in Westeuropa an der Unterdrückung einer liberalen Kultur interessiert ist….…( 2006 entfernte die Whitechapel Art Gallery in London die nackten Puppen des Surrealisten Hans Bellmer aus der Ausstellung, – um nicht die muslimische Bevölkerung in der Umgebung zu schockieren…)

Angesichts des für die jungen Menschen heute freien Zugangs zur Pornographie kann man Zensurmaßnahmen wie die Ihren – pardon! – nur als Hohn bezeichnen. Böte die Kunst der Jugend  doch gerade die Möglichkeit , ihren Geschmack zu kultivieren! (Als Lehrer und Hochschullehrer setzte ich in meinen Veranstaltungen mit Erfolg stets dieses Bildmaterial ein…)

Ich bitte Sie also, Ihre Entscheidung zu überdenken und Ihre Zensureingriffe rückgängig zu machen.

Es lebe die Freiheit der Kunst!

Mit freundlichem Gruß –

Hans-J.Döpp

Kommentar in facebook von Da Olivier:

Once again, it is Art that suffers from all this ambient demagogy. I would remind you that Art, in the general sense, is a representation of reality, not reality itself…

To go a little further in the debate, more and more often, I realise that in 2020, the self-censorship of many (so-called „artists“) is leading to a lowering, an impoverishment of culture. The artist who self-censors himself mutilates the whole of Art by submitting to the dictates of fashion, of good sense, of political and sociological correctness. To ask oneself what one’s public, one’s audience, will think or say is to resolve oneself to a negative, irrelevant work. The sine qua non of a progressive civilization has a cultural basis as its sine qua non.

… und hier noch die Reaktion des Verlages:

Hallo Hans-Jürgen Döpp,

gemäß Jugendmedienschutzgesetz (JMStV) sind wir dazu verpflichtet, jugendgefährdende Inhalte in unserem Shop auszublenden. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass Kinder und Jugendliche in Büchern schmökern, die für sie inhaltlich unangemessen sein könnten.

Unsere IT-Abteilung hat daher in den vergangenen Monaten ein Tool zur Umsetzung der Jugendschutzrichtlinien in unserem Shop entwickelt, welches Publikationen anhand von bestimmten Schlagwörtern automatisch auf potenziell jugendgefährende Inhalte überprüft. Da es sich hierbei um einen vollautomatisierten Prozess handelt, können wir leider nicht ausschließen, dass es auch mal zu einer fehlerhaften Einstufung kommt. Wir werden wir das Tool aber immer weiter optimieren, um die Fehlerquote möglichst gering zu halten.

Zugleich können wir jederzeit die Einstufung manuell ändern und genau das werden wir in Ihrem Fall auch tun, wenn Sie uns die betroffene ISBN nennen.

Für die entstandenen Unannehmlichkeiten möchten wir uns herzlich bei Ihnen entschuldigen.

Viele Grüße
Ihre epubli Autorenberatung

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Das hört sich doch erst einmal beruhigend an. Ich schickte die ISBNs der inkriminierten Bücher. Und die Antwort – die nun nicht mehr ermöglicht, die IT-Technik verantwortlich zu machen: Gerade ein Titel wurde wieder freigeschaltet!!!

Hallo Hans-Jürgen Döpp‍,

wir haben Cover, Inhaltsbeschreibung und Vorschau bei folgenden Titeln wieder freigeschaltet:
– ISBN: 9783741844157 Martina Kügler, Collagen 2009

Bei folgenden Titeln konnten wir Cover und Inhaltsbeschreibung freischalten: (d.h. nicht die Vorschau)
– ISBN: 9783737587839 Michel Fingesten, 21 Improvisationen
– ISBN: 9783737580557 Laszlo Boris, Erotische Phantasien

Bei folgenden Titeln konnten wir leider nur die Inhaltsbeschreibung wieder freischalten:
– ISBN: 9783748574446 Joies d`Hiver – Dix Compositions Originales
– ISBN: 9783745087574 Fleischeslust an den Pranger!
– ISBN: 9783745026405 Auf dem Montmartre
– ISBN: 9783745062069 Lisa Zirner, Philosophie im Boudoir
– ISBN: 9783737590440 Michel Fingesten, Eros im Zeichen des Saturn
– ISBN: 9783737588188 Karl Kunz, Kammerspiele
– ISBN: 9783737580359 Fritz Erler, Der heilige Priapus
– ISBN: 9783844247534 Martin van Maele, De Sceleribus et Criminibus
– ISBN: 9783844247862 Fusiones – Die surreale Erotik des Mister O

Viele Grüße
Ihre epubli Autorenberatung

Anm. der Redaktion: Wir bringen hier im Anschluss eine Covergalerie publizierter und zum Teil zensierter Bücher.
Hans-Jürgen Döpp bei uns:
Auf Erden ein Elysium: Hans-Jürgen Döpp zum Tod eines Freundes – und ungewöhnlichen Bordellbesitzers.
Und im TABU-Mag:
Sexualität zwischen Tabu und Liberalisierung
Aus seinem Verlag bei uns besprochen:
Ein Torero, Hemingway, Bataille und der Zufall: Tod am Nachmittag. Alf Mayer über „Granero. Leben – Lieben und Tod eines Toreros“

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