Geschrieben am 15. April 2016 von für Bücher, Crimemag, Interview, News, Porträts / Interviews

Roman: Candice Fox: Hades

cover_Hades_46673Sydney, rabenschwarz

– Zwei nationale Krimi-Preise unmittelbar hintereinander: Als bisher einzige australische Autorin kann Candice Fox einen Ned Kelly Award für das beste Debüt und sogleich darauf folgend für den besten Kriminalroman des Jahres vorweisen – für „Hades“ und „Eden“. Die Lorbeeren sind verdient, findet Alf Mayer, der die Autorin in Sydney traf und innerhalb unserer Reihe „crime fiction from down under“ vorstellt.

„Hades“ wäre auch eine Wucht, wenn es sich nicht um ein Debüt handeln würde, so aber ist es ein noch erstaunlicheres Buch. Es passiert nicht oft, dass man als abgebrühter Leser von Kriminalliteratur auf eine Stimme trifft, die sogleich elektrisiert, dass man auf ein Buch stößt, bei dem von Kapitel zu Kapitel unabweisbarer wird, dass – wie die Amis sagen – „a new major voice“ das Kapitol betreten hat. Nun, in diesem Fall bin ich keineswegs der erste und einzige, der das bemerkt hat. „Hades“, das Anfang Mai bei Suhrkamp in einer neuen, von Thomas Wörtche verantworteten Reihe erscheint, formt mit erzählerischer Raffinesse und schier unglaublicher Selbstsicherheit gleich vier Subgenres der Kriminalliteratur zu etwas Neuem: den Polizeiroman, den Vigilante- und den Serienkiller-Topos sowie die Hardboiled-Erzählung. Im Mittelpunkt des fein polierten Thrillers steht die Polizistin Eden, die zusammen mit ihrem Bruder, ebenfalls einem Cop, in einem nächtlichen schmutzigen Sydney jene Killer jagt und tötet, denen die legale Strafverfolgung nicht beizukommen vermag.

Hades, der Herr der Unterwelt – als Vater

Eden und Eric, zwei wahre Wolfskinder, wuchsen auf jener Mülldeponie auf, wo sie im Babyalter als Kollateralschäden eines Mordes eigentlich entsorgt werden sollten. Der titelgebende Hades, Herr des finsteren Ortes, der auf seinem Grund schon viele Spuren von Verbrechen verschwinden ließ, wurde ihr Ziehvater. Er sorgte für eine sehr spezielle Ausbildung, schickte sie schließlich zur Polizei: „Es geht dabei nicht um eure Erziehung, es geht um die Bewaffnung für das, was ihr werdet.“ Er hat sie oft beobachtet, ist ihnen nah, hat ihnen im dichten Wald neben der Müllhalde ein Haus eingerichtet. Er sieht sie als „zwei Tiere, zum Jagen gemacht und zum Töten, zwei Schimären“, feuerschnaubende Mischwesen in Verkleidung, „auf immer unfähig, zu fühlen wie normale Menschen oder zu lieben“. Der Horror, den sie bei der Auslöschung ihrer Familie erlebt hatten, „hat ein Loch in sie gerissen, das sie ihr Leben lang zu schließen versuchen werden. Hunde mit einem Geschmack für Blut, ihrem Bedürfnis versklavt“, heißt es einmal.

cover hades aus10Aber Hades liebt die Beiden. Liebt sie wie ein Vater. Heinrich „Hades“ Archer, der Herr der Unterwelt. Der Mann, der seit Jahrzehnten die Geheimnisse der Verbrecherwelt von Sydney und Umgebung kennt und hütet, ihre Opfer auf seiner Deponie im (fiktiven) Utulla versteckt, verscharrt, entsorgt hat. In „Eden“, dem zweiten Buch, werden wir mehr von seiner Geschichte erfahren (siehe ganz unten), in „Hades“ hat er eine beeindruckende Präsenz. Wie seine Zöglinge hat er schon im Kindesalter zum ersten Mal getötet, damals in den Slums von Darlinghurst, nie wurde er für eine seiner Taten von einem Gericht verurteilt, kein Vorwurf, in viele Fälle von Polizeikorruption verwickelt zu sein, ließ sich je erhärten. Seine Müllberge waren dutzende Male durchsucht worden, nie wurde etwas Belastendes gefunden. Kein Fingerglied. Kein Auge. Jedes der Gerüchte nährte seinen sagenhaften Ruf, in der Öffentlichkeit trat und tritt er ruhig und besonnen auf, ein großer, wuchtiger Stein, ein Riese von Mann. Edens und Erics Vater.

„Du rennst jetzt mit den Wölfen“

Das Beste, was dieser Hades mit seinen schrecklichen Kindern tun kann, „ist, ihre Killerinstinkte gegen jene andere Monster da draußen in der Nacht zu richten, die es verdienen, und damit in einer verbogenen, schon kranken Art die Welt etwas sicherer machen vor jener Dunkelheit, die sie selbst in sich tragen“. Eden und Hades und ihr Mikrokosmos, das ist Stoff für bisher drei sensationelle Romane und ist längst nicht auserzählt. Von Candice Fox ist noch viel zu erwarten.

„Hades“ wird aus zwei Perspektiven erzählt. Von der Kindheit der Findlinge erfahren wir aus auktorialer dritter Person, Eden in der Gegenwart begegnen wir durch die Augen von Frank, einem vernarbten Polizisten, hartgesotten, von Schuldgefühlen vergiftet, ein Macho mit weichen Stellen. Er hat bei der Mordkommission North Sydney gearbeitet, hatte mit asiatischen Gangs zu tun, hat wie Eden seinen Partner im Dienst verloren. Als er seine Augen das erste Mal auf die attraktive Polizistin legt, denkt er – Jackpot. Cool, dunkel, schön, der Körper sorgfältig modelliert, ihre Finger, mit denen sie gerade hinter ihrem Rücken ein Klappmesser immer wieder öffnet und schließt, sind diesen Monat schon bei mindestens drei 40-Dollar-Maniküren gewesen. „Du hast große Schuhe zu füllen“, sagt sie zu ihm, und bald einmal, als Frank schnurrt, „Du bist aber eine Schlimme“, zischt sie: „Du hast nicht den blassesten Schimmer.“ Nach Dienstschluss – wir kennen das von Joseph Wambaugh – hängen die Cops in der Polizeibar „The Hound“ ab. Dort kommt es mit Edens Bruder Eric auf der Toilette zu einer kleinen Rangelei. „Du bist jetzt mit Wölfen unterwegs, da musst du schneller sein“, lacht Eric, als er Frank die Füße weg kickt.

Den Boden unter den Füßen, den wird Frank – und den werden auch wir Leser – in „Hades“ noch mehrmals verlieren. Einen hardboiled-Erzähler, dem die Spucke wegbleibt, wenn eine Frau in Aktion tritt, das hat man noch nicht so oft erlebt. Frank, der gute Frank, spielt mit einem sehr gefährlichen Feuer. Das gilt auch für die Romane „Eden“ und „Fall“. Auf dem australischen Cover von  „Eden“ steht: „Ich lüge mir selbst vor, dass Eden ein Herz hat und zumindest Probleme hätte, mich zu töten“. Bei „Fall“ heißt es: „Ich bin mir sicher, dass sie jeden Tag in den Spiegel schaut und sich überlegt, ob sie mich töten soll.“

K1024_Candice FoxEin Interview mit Candice Fox

Wo sie den knallharten Sound in ihren Thrillern her hat, frage ich sie, als wir uns Anfang des Jahres in Sydney treffen.

Candice Fox: (lacht) Männlicher Dialog, da ist für mich Peter Temple der Meister. Das führe ich mir manchmal zu Gemüte, um auf Touren zu kommen. Und na ja, ich mag Kerle. Richtige Kerle. (Sie grinst Tim an, ihren hünenhaften Lebensgefährten, den sie zum Abendessen mitgebracht hat, so wie ich meine Frau dabei habe; es wird ein stilecht sizilianisches, vorzügliches Essen in einem winzigen Lokal im Stadtteil Leichhardt.)

Frage: Du bist nicht gerade behütet aufgewachsen?
Candice Fox: So würde ich das nicht sagen. Aber meine Eltern hatten sicher nicht den ganz gewöhnlichen Geschmack und ich nicht die übliche Kindheit. Das war schon exzentrisch.

Frage: Können wir das genauer wissen?
Candice Fox: Ich war das mittlere einer Handvoll von Kindern, dazu gab es Halbgeschwister, adoptierte und angenommene. Meine Mom war begeisterte Pflegemutter, mein Vater Bewährungshelfer. Viele Weihnachten sind wir mit unserem Minibus zum Gefängnis gefahren, es war die Long Bay Correctional Facility in Malabar. Da gab es Obstkuchen von den Gefangenen und die wildesten Geschichten. Ich habe auf dem Gefängnishof gespielt, aber auch auf Friedhöfen (lacht). In den Ferien liebte ich das weite, offene Land, wir waren da manchmal auf einer Farm. Beim Militär war ich später oben in Queensland …

Frage: Moment, Militär?
Candice Fox: Ja, du hast richtig gehört. Aber es war nur ein kurzer Stint, sozusagen ein Mißverständnis. Die Disziplin bei der Royal Australian Navy, wo ich mit 18 einen Offiziersgrad hatte, das war nichts für mich. Danach ging ich an die Uni.

Frage: Welche Uni?
Candice Fox: Notre Dame in Sydney. Ich habe da später über Schreiben unterrichtet, und da gibt es noch diese noch nicht abgeschlossene Doktorarbeit in Zensur und Terrorismus.

Wirklich das erste Buch?

Frage: Ist „Hades“ wirklich dein erstes Buch?
Candice Fox: Ja. Und nein. Es ist das erste von mir, das tatsächlich gedruckt worden ist.

Frage: Du wirkst, als könntest du über Fruststrecken reden.
Candice Fox: (lacht) Fruststrecken, die gab es, das kannst du singen. Ich habe im Alter von zwölf mit dem Schreiben angefangen. Damals waren das alles Nachahmungen von Scorsese-Filmen, voller Gangster und Prostituierter, aber ich wusste echt wenig von New York oder vom Drogenhandel, bin dann mit 16 zu Vampiren und zu Anne Rice geschwenkt. Drei Romane wurden das, dann versuchte ich es mit dem, was wir ‚Romance‘ nennen, aber das war noch schlechter. Das erste Manuskript, das ich bei einem Verlag einreichte, war etwas Übersinnliches mit Teenies und Wölfen. Dafür bekam ich den ersten Ablehnungsbrief. Ein echter Brief, zwar Standard, was mir damals nicht klar war, aber immerhin. Sie hätten die Ablehnung „sorgfältig erwogen“, stand darin, und dass sie mir für die Zukunft Glück wünschen. Mir gab das einen Riesenschub und ich setzte mich wieder an die Schreibmaschine, schickte das nächste Buch an 20 Verlage. Es brauchte neun Monate, bis alle Verlage es abgelehnt hatten. Da dachte ich: Tough business.

Frage: Und dann kam „Hades“?
Candice Fox: Noch lange nicht. Mit 20, als ich an die Uni ging, begann ich ernsthaft mit dem Schreiben. Eineinhalb Jahre schrieb ich an diesem Gangster-Epos, 270.000 Worte: „Touch“ und die Fortsetzung „Breathe“, danach „The Retriever“, wozu mich Liam Neeson in „Taken“ inspiriert hatte. „The Retriever“ schickte ich an 60 Verlage, wies auch auf Übersee-Optionen hin. Eine Agentur in London war einen Moment interessiert, aber zwei Sekunden, nachdem ich allen davon erzählt hatte, war das vorbei. ‚Du hast ein tolles Buch in dir‘, sagte mir diese Agentin, ‚aber das ist es noch nicht. Schreib weiter.‘ Das war dann die Zeit, wo man Verleger und Agenten beim Namen kennt und diese Oh-nicht-schon-wieder-Die-Reaktionen bekommt.

cover eden aus71200 Ablehnungen, das entlarvt jede Verschwörungstheorie

Frage: Das klingt hart.
Candice Fox: Das war es. Ich habe mich vermutlich bei jedem der rund 200 Ablehnungsbriefe, die ich für die vier seriösen Bücher vor „Hades“ erhielt, betrunken. Ich hasste die Verlage, ich hasste das Spiel, ich hasste Stephanie Meyer und J. K. Rowlings, die beide vermutlich eh nur die Protegés von irgendjemand waren. Wie konnte man mich nicht wollen, aber jeden Unsinn von Beirut bis Boston? Aber ich schrieb weiter. Jeden Tag. Es war mir egal, was die anderen taten. Ich schrieb, was ich wollte, ob ich nun veröffentlicht würde oder nicht. In dieser Phase trotziger innerer Freiheit entstand „Hades“ – und es zu schreiben war ein großer, glorioser Spaß.

Frage: Gibt es einen Rat aus dieser Zeit?
Candice Fox: Auf meinem Blog breite ich immer mal wieder etwas davon aus. Die Wahrheit ist, es gibt kein Geheimnis. Es gibt keine Verschwörung gegen dich. Ich mag es, mit anderen Schriftstellern zu reden und zu diskutieren oder meine Kurse zu geben, ich halte viel von Austausch. Ich habe ja sogar bei James Patterson und seiner Schreibwerkstatt mitgemacht, das war eine tolle Erfahrung.

Frage: James Patterson? Der?
Candice Fox: Ja, der. Der Bestsellerautor. Wir waren zu acht. Da ging es wirklich ab. Mein Buch mit ihm, ein Thriller im Outback, kommt im Herbst 2016 in Australien heraus.

Frage: Zurück zu deinen Erfahrungen….
Candice Fox: Ja, pardon. Mit dem Schreiben habe ich in der Kindheit angefangen. Über Jahre habe ich versucht, eine Stimme zu finden, die mir lag und die ich mochte. Das waren Jahre voller Müll und Naivität, in denen ich auf großen Schultern stehen wollte und immer wieder herunterfiel. Seit „Hades“ einen Verlag gefunden hat, ist daraus viel Nachdenken über mich selbst geworden. Was ich mag, was ich kann, was ich will. Schreiben, das war immer ein Samenkorn in mir – jetzt ist es aufgegangen, und ich bin froh, dass meine Selbstzweifel mich nie entscheidend gelähmt haben. Im Verlagsgeschäft sind die Lunten sehr kurz, man nervt sehr schnell. Die großen Verlage in Sydney bekommen über 3.000 Manuskripte im Jahr und können in Sachen Crime vielleicht zehn Debüts verkraften. Also hast du nur die erste Seite, um zu überzeugen, also hast du höchstens drei Minuten.

Frage: Jetzt wird es praktisch?
Candice Fox: Immer, immer, immer gilt: Fang mit einem Problem an. Mit einer Frage. Mit einem Cliffhanger. Mit einem Drama. Mit einem Kampf. Einer Flucht. Einem schief gelaufenen Deal. Wenn deine Figuren eine Bank ausrauben, lass sie sofort die Tür eintreten. Wenn deine Figur aus dem Gefängnis ausbricht, wirf sie unter einen daher brausenden Lkw. Über die Vergangenheit deiner Figuren kannst du auch noch später reden oder welche Art Kaffee sie trinken. All das erst, wenn du deine Leser an der Angel hast. Sonst. Ist. Es. Ihnen. Egal. Dein Leser wird sich nie so sehr in dein Buch hängen wie du, so viel investieren, sich so viel vorstellen, so viel hassen, lieben, fürchten, hoffen wie du. Also finde die Aktion. Beginn mit ihr.

cover nf red centre_„Mein Sydney male ich mir gerne dunkel“

Frage: Du liest viele Kriminalromane?
Candice Fox: Geht so. Ich lese viel True Crime und Sachbücher. Nur eines von zehn Büchern, die ich lese, ist Fiction.

Frage: Mit True Crime kennst du dich zweifelsfrei aus. So nebenher wird in „Hades“ an den Serienmörder Ivan Milat erinnert oder an Jeffrey Dahmer.
Candice Fox: Ja, Martina entkommt diesem organraubenden Serienmörder lebend, der eigentlich ihr Herz wollte; so wie auch das letzte Opfer von Dahmer fliehen konnte, wodurch man ihn überhaupt zu fassen bekam.

Frage: Kannst du ein Buch empfehlen?
Candice Fox: Nein, nicht wirklich. Das sind zu viele, und sie alle sind sehr spezifisch. Ich bin da anfällig für alle Details (lacht). Wer einen kleinen Überblick, dies alleine für das ländliche Australien will, der sollte sich „Red Centre, Dark Heart“ von Evan McHugh ansehen. Er beschreibt darin zehn größere Fälle, auch den des Backpacker-Mörders Ivan Milat aus den 1990ern.

Frage: Zufällig kenne ich das Buch, ich habe es gerade auf der Zugfahrt von Canberra nach Sydney gelesen, und erinnere mich an das Vorwort, in dem es sinngemäß heißt, dass die australische Landschaft eh etwas Herausforderndes, einen an seine Grenzen Bringendes hat, und wenn man das mit einer verbrecherischen Dimension auflädt …
Candice Fox: … dann bekommt das eine Dimension von Bedrohung, die man sonst auf der Welt lange suchen kann, oder so. Ich stimme dem zu und finde, das gilt auch für unsere Städte. Ich meine, sie wurden ehemals von Sträflingen gebaut, nicht? Jedenfalls, mein Sydney, das male ich mir gerne dunkel. Ich mag es gerne dunkel.

Frage: Verbrechen zieht dich an?
Candice Fox: Schon meine ganze Kindheit war von Verbrechen gesättigt. Meine ganze Welt ist Crime. Die Sachen im Fernsehen, die Podcasts, die ich höre, die Facebook-Seiten, die ich besuche, die Youtube-Seiten mit real-live Mordgeständnissen. Und wenn mit etwas interessant scheint, recherchiere ich. So etwas mache ich „for kicks“ – und Tim kommt damit klar (lacht, und hebt das Glas). Er hält das alles aus, wie morbide die Sachen auch sind, die ich finde. Ach, Tim, wie wunderbar, dass es dich gibt. (Eine Widmung dieser Art gibt es auch in „Hades“.)

cover fall aus426Vom Schreiben im Café – und dann von Frank

Frage: „Hades“ wird in Deutschland, Israel, Japan, den USA und in spanischsprachigen Ländern verlegt. Du bist jetzt berühmt?
Candice Fox: Soo berühmt bin ich nicht. Niemand erkennt mich als „That Amazing Author, Candice Fox“. Mich kennen die Leute in den Cafés als die mit Schwarzer-Kaffee-und-Milch-extra oder in meiner Bücherei als Die-schnelle-Tipperin oder im Nagelstudio als Die Abgebrochene. Wenn man berühmt werden will, muss man Schauspieler werden.

Frage: Du schreibst viel im Café? Sagst du uns, welche?
Candice Fox: Ja, unheimlich gern, beim Klimpern der Kaffeetassen oder in öffentlichen Bibliotheken. Ich brauche keine Eremitenklause. Meine Schreibcafés sind Billy’s an der Maroubra Junction, das Cafe on Parade in Marouba, Marcelle auf MacLeay in Potts Point, das Upside Cafe in Chippendale.

Frage: Ein Wort noch zu Frank … Frank, der so hoffnungslos die Frauen verstehen will. Frank, der keine Ahnung hat, welch eine Gefahr seine Partnerin für ihn ist und wie todgefährlich es ist, in ihrer Vergangenheit zu schnüffeln …
Candice Fox: Ich denke, Frank hat ziemlich viel von mir. Auf jeden Fall ist er ein Freund, einer von den wenigen Männern auf der Welt, von denen ich mir sicher bin, dass ich sie verstehe. Ich kann ihm trauen, kann ihn abschätzen. Er ist nicht perfekt. Nicht, dass ich gern ein Mann wäre, um Himmels willen, aber in Franks Haut zu schlüpfen, das hat mir immer Spaß gemacht. Wenn mein Leben anders gelaufen wäre, dann wäre ich vielleicht selbst ein Cop geworden. Zweimal hatte ich schon die Auswahl bis zum Trainingstermin geschafft, bin jedes Mal zurückgeschreckt. Ich denke, dass Frank etwas von mir in sich hat, das macht ihn zu einer besseren Figur, zu einem sozusagen besseren Menschen, hoffe ich jedenfalls.

Frage: Dafür wird er aber hart rangenommen.
Candice Fox: Aber er überlebt es, nicht?

Frage: Ja, sogar bis ans Ende des dritten Buchs, obwohl als Motto auf „Eden“ steht: „Ich lüge mir selbst vor, dass Eden ein Herz hat und zumindest Probleme hätte, mich zu töten“. Und bei „Fall“, dem dritten Roman, dann: „Ich bin mir sicher, dass sie jeden Tag in den Spiegel schaut und sich überlegt, ob sie mich töten soll.“
Candice Fox: Genau. Das klingt doch gut und vielversprechend, nicht? (Lacht fröhlich.) Mal sehen, wie es weitergeht mit Frank. Wenn ich ein Buch anfange, weiß ich höchstens 25 Prozent von dem, was passieren wird. Also bin ich selbst gespannt, was geschehen wird, ich nehme mir da nicht den Spaß. Generell gilt, das ist wirklich meine Haltung: Du kannst nicht alle deine Personen behalten. Aber ihr Verlust wird durch das Geschenk gelindert, das du mit ihnen deinem Publikum gemacht hast. Ich hoffe, meine Leser in Deutschland lieben Frank. Er kann manchmal ein Idiot sein, aber er ist ok.

PS. Candice Fox wuchs in Bankstown auf – wo P.M. Newton ihre bisher zwei Cop-Romane angesiedelt hat (siehe das Interview von Sonja Hartl in dieser CM-Ausgabe). Das Sydney, dem man in „Hades“ und den Folgeromanen begegnet, ist ein anderes als das touristische. „Hades“ hangelt sich zu weiten Teilen entlang der Parramatta Road, Sydneys ältester Straße und heute eine wichtige, dauerverstopfte Verkehrsader. An ihr liegen die Stadtteile Ultimo, Glebe, Forest Lodge, Annandale, Leichhardt (wo das Gespräch mit Candice Fox stattfand), Haberfield, Five Dock, Concord, Chippendale, Camperdown, Stanmore, Lewisham, Ashfield, Croydon und Burwood. In „Eden“, wo aus der Kindheit von Hades erzählt wird, spielen die berüchtigten Slums von Darlinghurst eine Rolle. Dieses Viertel erlangte jüngst neue Berühmtheit in der TV-Serie „Underbelly“, und zwar in der historisch zurückgreifenden Staffel „Underbelly: Razor“.

Hades schickt Eden für ihre Ausbildung „nach Goulburn“, zur Polizei. Mehr erklärt die äußerst ökonomisch schreibende Candice Fox dazu nicht. Gemeint ist das rund 200 km südöstlich von Sydney im Tafelland gelegene Städtchen Goulburn, das die New South Wales Police Academy beherbergt und ansonsten durch „The Big Merino“ bekannt ist, das weltgrößte, aus Beton errichte Schafs-Monument.

Candice Fox: Hades. Kriminalroman. Aus dem australischen Englisch von Anke Caroline Burger. Herausgegeben von Thomas Wörtche. Suhrkamp Taschenbuch, Berlin 2016. Klappenbroschur. 343 Seiten, 14,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
Website von Candice Fox und ihr australischer Verlag.

Das Interview führte Alf Mayer anfang Januar 2016 in Sydney.

Offenlegung: „Hades“ von Candice Fox erscheint am 9. Mai in der von CrimeMag-Herausgeber Thomas Wörtche verantworteten Reihe im Suhrkamp Verlag.

Bisherige Artikel bisher in der Reihe „crime fiction from down under“:
Reading ahead (8) über Garry Dishers „Bitter Wash Road“;
Ein Besuch bei Garry Disher auf der Mornington Peninsula;
Chloe Hooper und ihr Tatsachenroman „Der große Mann“;
Sowie Sonja Hartls Interview mit P.M. Newton in dieser Ausgabe.
In der nächste CrimeMag-Ausgabe unterhält Alf Mayer sich mit Michael Robotham.

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