Originär geklaut
In der NZZ befasst sich Felix Philipp Ingold lesenswert mit modernen „Schreibtechniken“, die der Gebrauch des Computers eröffnete:
„Unter dem Titel «Reality Hunger» legte David Shields 2010 in New York ein Buch vor, für das er zwar als Autor firmierte, das aber kein Originalwerk, sondern ein offenkundiges Plagiat war, zusammengeschnitten aus Hunderten von vorgegebenen Texten, die Shields ohne Anführungsstriche bedenkenlos für sich beanspruchte − Texte unterschiedlichster Herkunft, von Thoreau und Kierkegaard bis hin zu Bob Dylan und The Wild Ones.
Das «Originalgenie» wird bei solchen und ähnlichen Textverwertungsprojekten (nach einer Wortprägung von Marjorie Perloff) abgelöst vom «Unoriginalgenie», das sich auf die Position eines Skribenten, eines Kopisten oder eben eines bekennenden Plagiators zurückzieht. Das jedermann geläufige Verfahren von Copy-Cut-Paste setzt sich als autorlose Technik der Textverfertigung mehr und mehr durch, behält jedoch den hergebrachten Anspruch, als «künstlerische» Manifestation zu gelten und so auch akzeptiert zu werden.“
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