Wart der Körpergegend
Anja Golob auf dem Lyrikmarkt in Berlin 2016 (Quelle: Kritzolina / wikipedia)
Kurz vorm Erscheinen steht ein neuer Lyrik-Band von Anja Golob in der Edition Korrespondenzen: „Ein donnernder und tänzelnder, hüpfender, schleifender, pochender, glühender Rhythmus durchbebt dieses Buch. Ein Rhythmus, der uns in jedem kraftvollen Bild an die unbedingte Gegenwart des Körpers erinnert, auf Reisen,im Zirkus, im Aufbruch, im Lieben, im Verlassensein.
Mal kantig, mal zart, mal provozierend direkt spüren Golobs Gedichte die Komplexität unserer Routinen, Frustrationen und Ängste auf und zielen unbeirrt auf das, was fehlt: menschliche Nähe, Wärme, Authentizität, Sensibilität und Beherztheit. Auf all das, was Teil des Lebens ist und von jedem im Hier und Jetzt immer wieder aufs Neue riskiert werden muss. Wie Atem. Wie Gemeinschaft.
Gedichte von hinreißender, mitreißender Vitalität, angetrieben von der dem Leib eingeschriebenen Erinnerung, dass das, was wir wirklich brauchen, nicht viel ist. Und dass es alles ist.“
DAS HERZ, DAS LIEBT, LIEBT
Weißt du, was ich gerade tue?
In der prallrunden, reifen Nacht nehme ich dich, rolle herum,
niste in der Luft, dein stummes Hiersein, du bist nicht da,
ich meine, nicht physisch da, aber dein stummes Hiersein
macht mich zum wilden Raubtier, mit Blutgier, kettenlos,
seit Wochen keine Nahrung mehr. Ich fresse, saufe Blut,
das überall herumspritzt, wenn ich dich liebe, wenn ich dich
leise, lauernd liebe, liebe, wenn ich dir nahe komme,
kompromisslos, dich umkreise, dir Raum raube, zärtlich von
Angesicht zu Angesicht, dich berühre mit den Spitzen
dieser, ja, Krallen eben, dich immer habgieriger nehme, dich
genusssüchtig zerfetze, wenn ich dein Herz jäte, das jault,
verebbend, in kaputten, kastrierten Rhythmen, das versiegt, erlöscht.
Mein Wille geschehe, weißt du, was ich tue, was ich tue ...
Dass dein Schatten nicht ist, dass alles grau ist, träge,
zweidimensional, dass ich dich suche, tastend, wenn ich
erschrecke, wo du bist, wenn ich merke, wo ich bin, wie ich bin,
wie bist du, schrei ich, Echos an Wänden, hörst du’s, hörst du‘s,
wie bist du, wie bist du, wie ich dich liebe, liebe, liebe, weißt du,
was ich tu, wir können nicht anders. Komm, raunen wir, ich spreche dir nach,
komm, komm, komm, komm.
Gib mir die Hand, raunen wir,
gib mir die Hand, gib mir, gib mir,
komm, gib, wühl im zähen Blut,
der Körper ruft siedend nach dir, komm hol es dir,
komm, komm.
Komm, Traurigkeit.
Komm.
Anja Golob, geb. 1976 in Slovenj Gradec, ist die derzeit wohl prägnanteste poetische Stimme Sloweniens. Sie ist Mitbegründerin und Herausgeberin des Verlags VigeVageKnjige und lebt als Autorin, Übersetzerin und Publizistin in Ljubljana. Auf Slowenisch liegen von ihr bisher vier Gedichtbände vor, in deutscher Übersetzung der Auswahlband ab und zu neigungen (hochroth Wien, 2015) sowie das von Golob auf Deutsch geschriebene Hin-und-her-Gedicht mit Nikolai Vogel: Taubentext, Vogeltext (hochroth München, 2018).“
Anja Golob: Anweisungen zum Atmen. Gedichte.Aus dem Slowenischen von Urška P. Černe und Uljana Wolf.Edition Korrespondenzen, Oktober 2018.
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