Sa, 17.4.10 (Sa, 17.4.10, 21:56): Savonnette

Lilly ist in der Oper, Wagner, „Fliegender Holländer“. Für mich hätt’s wider Erwarten auch noch eine Karte gegeben, aber bin Jackett-los in G. und viel zu zerzaust. Traue mich so nicht ins Opernhaus. Also Zeit, di.gi.arium nachzutragen. Vorher noch Versorgungsgefühl, weil ich zum Einkaufen gehe, mit riesiger Ikea-Tüte voller leerer Wasserflaschen, 8,66 Euro Pfand. Und zurück mit Leckereien.

Mittags Kauf der kleinen Taschenuhrsammlung, zwei von zweiundsechzig. Beobachte Lillys Hände, wie sie auf der Bank nebenan sitzend mit zärtlicher Sorgfalt das Gerätchen auspackt und der „Fingerkuppenseligkeit“ beim Aufklappen der Savonnette nachspürt. Die Wunder der Wörter: Savonnette! Ein Wortklang, der auf der Zunge und in der Seele zergeht, den man vor sich hin flüstern kann, wie jetzt die Zeit in der Tasche getragene ist. Die Ernsthaftigkeit, die diesem zwar replizierten und massenhaft produzierten Gegenstand innewohnt. Ein Konnex zum Retro-Rekurs auf die einstmalige Existenz des Originals. Abbild des Abbildes, zeitenverschränkt. Konnotatuniversum. Kurz: Savonnette.

Weiter ins Wohnzimmer des Buchladens, an dem wir nie vorbeikommen. Stöbern, Blättern, Schauen, Zeigen, Seitenzauber. Jane Austen-Sammlung vervollständigt: „Mansfield Park“, was wir später gucken. Und Lilly zieht den Goetz aus dem Regal: „loslabern“. Klasse blaues Bändchen (in der Vieldeutigkeit dieses Begriffs, Frühling lässt sein …, Titanic usw.).

Dann rasch heim, in den Camping-Kokon, um die Schätze zu beäugen. Spätabends noch „Die Geisha“. Gespräch über Kulturen, das anders Sein als Objekt des Interesses, der Erforschung und Empathie. Bettwärts lese ich noch im Goetz. Nach Monaten, wenn nicht Jahren wieder das Gefühl, lesen zu wollen, ohne dass es dafür einen Anlass geben müsste. Wie lange ich schon nicht mehr Bücher lese (außer mit Lilly wieder), ist mir ganz abhanden gekommen. Jetzt wieder da, plötzlich, vertraut wie eine alte, lange nicht mehr geübte Kulturtechnik. Auch greifbar erinnerlich die Stimmung, in der ich war, als ich während der Lernerei fürs Diplom Goetz las (damals „Krieg“). Mache Eselsohren in die Seiten, auf denen was Aufzubewahrendes steht. Z.B. dies: „zu viel Ego, zu wenig Egal“ – die Gegenposition zum di.gi.arium und doch recht nah an dessen Ansatz. Und einfach als Zitat buchenswert.

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