Lit-Ex Literaturmagazin




aktuelle Ausgabe (... work in progress)
archivierte Ausgaben
InhaltsüŸbersicht aller Artikel







 

Magazin für Verrisse aller Art    Aktuell

Herausgegeben von Hans Dieter Eberhard

   



AUSGABE 12


IMENEO

Opernproduktion der Hochschule für Musik und Theater München


Imeneo begehrt Rosmene, doch Rosmene liebt Tirinto, und Tirinto liebt Rosmene. Diese Liebe ist nicht von dieser Welt. Sie ist ausschließlich und unauflöslich. Sie ist absolut. Für den Rest der Welt ist sie so unbegreifbar, wie jede Liebe, die nichts Anderes sein kann und will als das, was sie ist, für die Anderen aber, die umgebende Welt, immer unbegreifbar ist, denn es gibt nur diese Liebe und nichts sonst.

Dieses Anderssein gewinnt eine besondere, abgründige, ja heillose, gefährliche Tiefe, wenn Tirinto (Mezzosopran) als Frau leibhaftig auftritt und nicht als Hosenrolle, wie zu Händels Zeiten in der italienischen Oper alltäglich. Das Gleichgeschlechtliche ist nicht um seiner selbst willen, es ist das Absolute, das Andersartige, das Weltferne von Liebe überhaupt. Weil diese Liebe unbegreiflich ist für den Rest der Welt, ist sie idealtypisch die unmögliche Liebe schlechthin. Die Gleichgeschlechtlichkeit sagt es symbolisch.

Rosmene hat gegen Imeneo, der sie vor kurzem aus der Hand von Seeräubern gerettet hat, eine Dankesschuld und eine moralische Verpflichtung. Imeneos Begehren stürzt sie heillos in den beliebten Konflikt von Liebe und Pflicht, und Pflicht bedeutet hier auch Vernunft, Liebe dagegen Unvernunft.
Rosmene muß sich entscheiden (auch der Gesellschaft gegenüber) und kann es nicht rational, davon handelt die Oper. Am Ende simuliert Rosmene Wahnsinn, denn nur Wahnsinn kann ihre Entscheidung rechtfertigen, ich rede verrückt und handle weise, nämlich ihrer wahren und einzigen Liebe (Tirinto) zugunsten Imeneos zu entsagen.
Tatsächlich gibt es, abgesehen vom Suicid, der in solchen Opern sehr oft und gern erwogen fast niemals aber ausgeführt wird, aus diesem Dilemma keine Erlösung außer dem Wahnsinn einer Vernunftehe, die den Konventionen der Welt gehorcht.
Vernunft ist der eigentliche Wahnsinn der Welt. Diese Welt verkörpert Argenio, dessen zuckersüße Schwester Clomiri, erfolglos schmeichelnd, Imeneo als Ersatz sich darbietet.

Zurück bleibt dauerhaft unglücklich Tirinto. Ihn als Frau auftreten zu lassen, ist nun seit vielen Jahren der erste, nicht nur glückliche oder gute, sondern geniale Regieeinfall gewesen, den ich miterleben durfte (Inszenierung Mira Ebert), genial, weil so einfach, so naheliegend, und das Einfache ist immer das Schwerste.

Für Händel, der sich damals gerade auf Oratorien umstellte, war das wohl kein sonderlich brisantes Thema, es war nur die ganz normale Paarkonstellation mit einem denkbar konventionellen Ende, italienische Opernroutine, die dem Londoner Publikum nach 30 Jahren Durchgang zum Hals heraushing.
Möglicherweise hat aber Händel doch mehr darin gesehen, denn die Musik ist hier noch um vieles sinnlicher als sonst; aber vielleicht lag das auch nur an dem engagierten Ensemble. Diese Studentenaufführungen können einen ganz besonderen Zauber haben, und dann sind sie das beste, was München zu bieten hat

Beatus Ille






AUSGABE 12     INHALT