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Volk ohne Traum |
Patria o Muerte ! (2) »Nur der erkennt die Nation, der sich für sie zu opfern weiß.« Friedrich Sieburg, 1929 Opfer hat sich im arabo – türkischen Jugendjargon zum Synonym für den minderjährigen deutschen Prügelknaben „eingebürgert“, andere Anwendungen des Wortes kommen unter jungen Muslimen hörbar nicht vor. Die nationale Selbstfeier älterer Deutscher kennt das Wort umso besser und benutzt es keineswegs nur zur Ehrung der Opfer des Faschismus und zur Ehrenrettung der Opfer des Stalinismus, sondern auch zur Würdigung diverser Anstrengungen für das gewaltigste aller Gemeinwesen, den Nationalstaat. „Unter großen persönlichen Opfern“ wurden nicht nur Weltkriege gesponsert mit Jungfrauenzöpfen, Eheringen, Tafelsilber und hernach verlorenen Anleihen, es wurde auch verzichtet auf Lebensqualitäten aller Art und gesetzlichen Ansprüchen entsagt, um zunächst die Verwüstung von Nachbarländern und dann des eigenen Landes zu begünstigen. Als ich mal (um 1957) einem steinalten blinden Medizinalrat aus der Tageszeitung vorlas, beendete er eines Tages unvermittelt meinen Job mit dem Diktum: „Schluss damit – ich kann das alles nicht mehr hören! Und wir haben damals unsre Lebensmittelkarten verbrannt, damit die Heimatfront mehr zu Fressen hatte!“ Tatsächlich gab es wohlsituierte Bürger, die aus optischen Gründen zwar ihre staatlichen Bezugsscheine entgegennahmen, aber keinen Gebrauch davon machten, um die allgemeine Grundversorgung zu schonen, eine Geste vor dem Rasierspiegel, was sie sich stillschweigend als hochachtbares Opfer auf dem Altar des Vaterlandes anrechneten, dann zumal, wenn man keine wehrtauglichen Söhne hatte. Niemand bemäkele, dass der fleischlose Sonntagseintopf (ein Tipp des Vegetariers A.H.) vernünftig und das Eintauschen von Rauchermarken gegen eine zusätzliche Zuckerration gesünder gewesen sei: Opfer lassen sich weder auf dem Ladentisch, noch auf dem Schlachtfeld verrechnen, Kalorien und Kanonenfutter sehr wohl. Es ist eine Frage des Zeremonials, des mythischen Überbaus, und in Ermangelung solchen Brimboriums eine Frage der gewachsenen Einstellung, welche die jungen Staatsbürger erstmals bekunden, wenn sie der Schulpflicht folgen, nachdem sie in aller Herrgottsfrühe ihren Haferschleim brav verzehrt hatten, was zu meiner Zeit sogenannten schlechten Essern beigebracht werden musste mit Extralöffeln „für Vati, Mutti und den lieben Onkel Hitler!“ Nun, kein Kind kann als Erstklässler ermessen, was circa 10 Jahre Schulunterricht ihm abverlangen, was Schulweisheit alles beinhaltet und welche Macht dieses Wissen verleiht, doch die dümmste und die klügste ABC-Schützin ahnen, dass sie von Stund an nicht nur ihre Puppen daheimlassen müssen. Sie begreifen nicht, warum sie die sorglose erste Hälfte ihrer Kindheit unwiederbringlich beim Hausmeister Staat abzugeben haben: Viel freie Zeit und vertraute Spielgefährten, Spielzeuge und Spielplätze, Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten, die Sonntagsfreuden und die Feierabende mit Vätern, welche sich als ungeduldige, lieblose Hauslehrer erwiesen oder sich entzogen. Wir verloren unsere Reinheit, eine gewisse Autonomie und die Märchenhaftigkeit unserer bisherigen Existenz und so überantworteten die Eltern uns in einem ersten Opfergang dem Vaterland. Ich bin sicher, dass dies den allerwenigsten Haushaltsvorständen bewusst ist, ebenso gewiss ist, das dieses Kindsopfer nicht explizit erbracht wird für eine von Blut und Feuer rauchende Walstatt, aber sehr gern für eine Beamtenlaufbahn, für die Vergrößerung namhafter deutscher Werksfamilien und Handelshäuser, für akademische Karrieren in Wissenschaft & Künsten, zur Verkündigung (aktiver Medienruhm) und Verheiratung (passiver Medienruhm). Obwohl ich meine feenhafte Tochter schon im Ponyhofalter auf die verschiedenen europäischen Thronerben hinwies (d.h. instruierte), brachte sie es fertig, kinderlos ledig zu bleiben, dito mein solitärer Sohn, indes sind beide begeisterte Steuerzahler und damit jenseits des Lorbeerhains bundesdeutschen Bürgerstolzes. Man renommiert gewöhnlich nicht mit Söhnen, die ihrer Wehrpflicht als Zivis in der Altenpflege genügen, aber den Fiskus zu foppen gilt als Ehrensache, zumal keinerlei Gefahr besteht, in einem echten Schuldturm zu vermodern oder auf Galeeren zu büßen. Andererseits ist die absolvierte Ausbildung bei der Bundeswehr (am besten ein Reserveoffiziersrang) ein goldenes Blatt jeder Personalakte für Führungsaufgaben und sowieso. Dass die deutschen Soldatenfrauen und - mütter beim Friseur nicht mit ihren Jungs im Auslandseinsatz angeben, liegt am falschen Feinde: Asymmetrische Kriege zieren nicht, egal, was den Kombattanten an die Brust geheftet wird. Das dürftige Design der jüngst gestifteten Afghanistan- Medaille offenbart gleichsam keine besondere Bedeutung, den förmlichen Undank also. Bleibt die öffentliche Anerkennung des Soldatentodes, genau genommen des „Heldentods“ im Kampfe, denn ein Herzschlag in der Etappe oder eine Alkoholvergiftung in der Gefechtspause gelten vermutlich nicht... Unberührt von allen historischen und staatsrechtlichen Aspekten des Waffenhandwerks lassen sich pazifistische Patrioten (75% aller Frauen) auf klassische Kriegsdienstperspektiven ohnehin nicht ein – wie aber steht es um unsere zivilen staatsbürgerlichen Tugenden? Kennen wir Trauerfeiern nur noch als Haustürbelagerungen und Rinnsteinrituale für zumeist minderjährige Unfall – und Verbrechensopfer, als animistische Totenkulte auf Herzkerzenniveau und Plüschtierbasis? Feuerwehrleute, diverse Rettungskräfte, Polizeibeamte und Personenschützer, Notrufbedienstete im Außeneinsatz, Katastrophentechniker und Sprengstoffexperten tragen nicht nur todesschwangere Berufsrisiken, sondern immense Verantwortung für die Mitbürgerschaft, für kollektives Eigentum und die gesamte Umwelt; sie alle sind für Ehrungen sogar gesetzlich vorgesehen, tot oder lebendig, aber wie viel Wertschätzung erfuhren LehrerInnen, Pedelle und Schulpsychologen, welche die menschlichen Angriffsziele mörderischer Schulversager wurden? Deren Sterben dürfte weder als ehrenvoll, noch als angemessen glorifiziert werden, gleichwohl geschieht es im Dienste an der Solidargemeinschaft, ergo fürs Vaterland, das immer teurer werdende, immer öfter direkt angegriffene, wenn z.B. ausrastende Antragssteller, Asoziale oder Asylbewerber einen subalternen Sachbearbeiter attackieren, sozusagen ersatzweise für die Bürokratie, den Apparat, die Bundesrepublik Deutschland. Und wie wollen wir jene Landsleute ehren, die ihren Freitod dem Wahnsinn, einem Berufsverbot oder einem Attentat vorzogen, wie Kirsten Heisig, bevor ihr Arbeitsbericht (Das Ende der Geduld) ein Bestseller wurde? Im Zenit der Verzweiflung kann es noch andere suizidale Faktoren gegeben haben, dennoch dürfen wir fragen, ob sich das Selbstopfer lohnt für einen Staat, dem Sinn und Form würdevoller Selbstdarstellung emblematisch abhanden kamen, als er eine Poularde zum Parlamentsadler erhob. Seit die Toten des WK II gezählt werden (d.h. fortwährend), ist der BRD als Bauherrin noch kein Mausoleum, kein Ehrenmal gelungen, dass mich ehrlich erschüttert hätte; seit sogenannte Bausünden als „Schönheitsfehler der Freiheit“ (Prof. Eiermann) exkulpiert werden, sollten weitere Versuche als versuchte Störung der öffentlichen Andacht untersagt sein. Und natürlich dürfen die im Öffentlichen Dienst gefallenen, ermordeten und selbstentleibten Frauen und Männer nicht privaten Märtyrervergoldern überlassen werden; wer dem Dank des Vaterlandes dennoch gefühlvolle Gestalt geben will, möge es mit einem Friedhof für Diensthunde tun, unter denen sich gewiss auch Platz fände für jene getreuen Wächter, welche Opfer aggressiver Finanzberater wurden. Die große Pleite kommt bestimmt! (Carlo Cato).
P.S.
Ohne Bernd Eichinger gäbe es kein VOLK OHNE TRAUM. Vor allen meinen monatlichen
Statements stand eine filmkritische Gelegenheitsarbeit über Eichingers
Meisterwerk Der Untergang, mein Einstand by GLANZ @ ELEND. Hab’ Dank,
Verewigter! Sollte in diesem Jahrhundert noch eine Bayerische Behörde
beschließen, dass das deutsche Filmschaffen mit einem Repräsentanten in der
Walhalla (ja, die bei Regensburg) gewürdigt gehört, dann kann es nur derjenige
sein, der den deutschen Spielfilmbetrieb aus der Hörigkeit und den Niederungen
des Nachkriegskinos herausgeführt hat auf wirkliche Ruhmeshöhe: Bernd Eichinger.
Ich melde ihn hiermit an! |
Alle Statements auf einen Blick: |
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