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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik


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Die menschliche Komödie als work
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Ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

 
 

Volk ohne Traum


Ein Statement
von Uve Schmidt

À la lanterne!

Seit Wochen warte ich darauf, dass die BILD-Zeitung endlich jene parate Headline aus der Katastrophenkladde auf die erste Seite heben kann, welche nicht dem Aberglauben huldigt (13.), sondern aus dem Geschichtsgedächtnis zitiert: SCHWARZER FREITAG! Kam aber noch nicht und wahrscheinlich erscheint der Begriff niemals mit voller typografischer Wucht auf einer marktführenden Gazette, solange die geheime Absprache gilt, den deutschen Kleinsparer nicht unnötig in Panik zu versetzen. Im Rahmen des Zumutbaren hörte ich hingegen (Frühstücksfunk HR 3),  dass die Gemeinde Vellmar (bei Kassel) den alle 2 Jahre an wechselnden Gastspielorten stattfindenden Hessentag wegen „Geldmangels“ leider nicht ausrichten könne, es aber – so die Landesregierung in Wiesbaden- bereits mehrere Bewerber gäbe, denen es anscheinend gut geht und die eine wie gewohnt zu erwartende defizitäre Volksfestbilanz nicht schreckt. Wieso fällt es dem Schirmherrn Bouffier nicht ein, seinen Bürgermeistern die Peinlichkeiten der Offenbarung zu ersparen, indem er angesichts der Welthaushaltslage den Hessentag einstweilen einmottet, bis auf bessere Zeiten?! Ich denke, man will sich nicht unbeliebt machen, möchte wiedergewählt werden und allzu gern die große zivile Heerschau der Hessen abnehmen. Wann und wo können deutsche Landesväter derlei noch genießen?

Während beider Weltkriege wurden Tanzveranstaltungen in der Öffentlichkeit verboten, spätestens nach Verdun und Stalingrad. In dem für Volksbelustigung (u.a.) zuständigen Propagandaministerium wurden solche Einschränkungen kontrovers diskutiert, denn es betraf auch die musikalische Unterhaltung im Radio, die Theater- und Kinospielpläne, Wein- und Bierfeste sowie in toto das Nachtleben: Sollten die Lebenden „abgelenkt“ werden vom Sterben ringsum oder sich konzentrieren auf den todernsten Endsieg? Letztlich entschied nicht Goebbels (egal, was er dachte), sondern die zurückweichende Front und der Mangel an astreiner Attitüde. Vor allem aber musste gespart werden, mitnichten an Alkoholika und Unterhaltungskünstlern – dafür gab’s genügend Ausländer! - aber an deutschen Gästen, welche gesund und munter für das letzte Gefecht benötigt wurden. Hier und heute haben Normalverbraucher allerhand zu verlieren, aber nur im Lotto etwas zu gewinnen. Folglich hätte der Fiskus keine Veranlassung, ausgerechnet auf den Feldern der Massenvergnügung spendabel zu sein recte Schulden zu machen, denn dafür hat sogar das Prekariat die Piepen. Obschon es genug Angebote privater Veranstalter und Vermarkter gibt, fühlen sich Bund, Länder und Gemeinden weiterhin in der Pflicht, mit der goldenen Gießkanne über die bürgerliche Kulturlandschaft und die Tummelplätze breiterer Schichten hinweg zu schreiten und dieses gesamtgesellschaftliche Gelände stetig auszudehnen, zu ergänzen und zu toppen. Obwohl weder die festen Häuser, noch die Rummelplätze ausgelastet sind, geschweige schwarze Zahlen schreiben, obwohl nachweislich noch kein Finanzhai philharmonisch geläutert wurde und die Sixtinische Madonna noch keinerlei Spontanheilungen bewirkte, nicht zu reden von den hoch subventionierten Achtungserfolgen zeitgenössischer Künstler aller Sparten und der Tatsache, dass trotz immenser Produktionskostenbeteiligungen die deutschen Filmemacher und ihre Stars in Übersee und an der Côte weiterhin gemobbt werden, wird weiterhin ein Heidengeld aufgewendet für eine unrentable internationale Imagepflege, für das Ködern von Kontakten mittels Koproduktionen, Kongressen und Körperschaften, welche an den Interessen der steuerzahlenden Bildungsbürgerschaft haarscharf vorbeifinanziert werden. Was die öffentliche Hand für Kulturpreise, für Stipendien und Ankäufe ausgibt, ist weit mehr als Privatpersonen, Stiftungen und Firmen o.ä. raustun, zumal der politische Proporz jede überraschende Initiative nur zulässt, wenn die eigene Klientel ähnlich bedacht  wird, was wiederum Rattenschwänze der Projektmittelvergeudung nach sich zieht. Obwohl Deutschland voller leerer Büroflächen, Citycenters, Sportpaläste, Kirchen, Industriemuseen und Mehrzweckhallen steht, wird weitergebaut und eingeweiht, werden gigantische Naturschutz- und Naherholungsgebiete ausgewiesen und beplant für eine Bevölkerung, die sowohl schrumpft, als auch versumpft, ggf. in der Sky-Kneipe, und allenthalben wird restauriert und rekonstruiert, was das alte Zeug hält, für einen neoromantischen Heimwehtourismus, dessen letzte Liebhaber schon jetzt Probleme haben mit  Märchenbüchern in Fraktur. Doch auch ich spende dafür, ich bin sogar Nutznießer und es freut mich, dass wir so ein kultivierter, klassisch gesinnter und kreativer Volksstamm sind. Umso mehr verabscheue ich Verschwendung und Übertreibung, Neophilie und Pseudolismus, Volkstümelei und Vetternwirtschaft. Gutachter, die ihre lukrative Vollbeschäftigung nicht gefährden wollen, werden zu obigen Einschätzungen recte Bewertungen nur dann gelangen, wenn die Sache lohnt. Weshalb wir über real rausgeworfenes  oder vermeintlich verschleudertes Volksvermögen mächtig meckern, aber letztlich noch nicht einmal an den Wahlurnen – der empfindlichsten legalen Politkerbestrafung – uns rächen, sondern als sogenannter Souverän den geschicktesten Schuldenmajor, den überzeugendsten Schwätzer, den strahlendsten Selbstdarsteller erkiesen, muss man nicht die Terrorexperten fragen. Nichts ängstigt die Leute mehr als das Schreckgespenst eines linken Notkabinetts am Merkelufer, dem sich bundesweit Kommunen und Landkreise verweigern, den totalen Steuerstreik ausrufen und die Bürgerbewaffnung forcieren könnten.

Seit den 60er Jahren befassen sich deutsche Schriftsteller mit dieser Thematik (Aufsässigkeit,  Selbstverwaltung, Revolte und Destruktion), zumeist in satirischen Provinzpossen, durchweg Schildbürgerstreiche, bei denen Blut nur zufolge Ungeschicks vergossen wird, was niemanden tödlich schwächt und keine Parlamentärsflagge befleckt. Alle diese Aufstandsparodien fanden in zeitgenössischer Kulisse statt und die Autoren vertraten mehrheitlich die Eulenspiegelpartei; mehr war in solchen epischen Farcen nicht drin. Einen Zukunftsroman wagte keiner (wahrscheinlich doch, aber kein Verleger!), denn wer einem Umsturz den Erfolg wünschte, hätte – im Roman! - überzeugende linke oder rechte Positionen vertreten und pragmatische Politik „erzählen“ müssen. Zumindest in unserer linksliberalen Prosa (Krimis o.ä. ausgenommen) galt: Keine Gewalt! Und das ist unser gesellschaftliches Dilemma. Wir töten als Auto- und Kradfahrer, als Missächter des Arbeitsschutzes und der Umwelthygiene, als ignorante oder fahrlässige Verursacher von Haushaltsunfällen, Bränden und Bausünden, bei Sport und Spiel, mittels Drogen und Junkfood, bei Randalen und Ehrenhändeln, wir töten Tiere und verkrüppeln Kinder, doch schuldig sind die anderen. Wer Menschen beleidigt oder bedroht, bestiehlt, beraubt oder schwer beschädigt, lernt seine Opfer nur selten als wehrhaft und kein Gericht als rächende Instanz kennen. Und der Krieg als nachhaltige Erfahrung? Woher die Feigheit und die Furcht?! Die meisten Deutschen kennen massenhaften Waffengebrauch, Luftangriffe und mörderische Repressalien nur als oral history und als den Feuerzauber diverser Medien. Und was ist mit Generalstreik, Aufruhr, Revolution??? Ich möchte unseren lieben Leipzigern nicht die Siegespalme entwinden oder entwerten, aber ohne Barrikaden und Laternenpfähle geht’s halt nicht; alkoholfreier Wein ist tatsächlich nur Rebensaft. Es gibt eine Art Totenbuch der 68er, in dem die Opfer der RAF stehen und deren Mörder, sofern sie selbst zu Tode kamen, Demonstranten und Unbeteiligte und natürlich viele Beamte, die im Einsatz gegen die RAF oder als Personenschützer starben. Dieses Memorial erweckt bei Nachgeborenen den Eindruck, Deutschland  habe sich im Bürgerkriegszustand befunden – reine Pseudologie! Es war ein schwerkriminelles Bubenstück in jedermanns Betrachtungswinkel, mit vielen falsch besetzten Figuranten und verblendeten Claqueurs, aber es gab keine Truppen und kein Volk, das jubelte und/oder litt. Die Sympathisanten der RAF haben jeden getroffenen Bullen, jeden toten GI und jedes Feme-Opfer beprostet; die Bevölkerung hat BILD gelesen.

Heute, so wette ich, wünscht die überwiegende Mehrheit der Enterbten, Enttäuschten und Entsetzten nichts sehnlicher als eine globale Bartholomäusnacht unter Spekulanten und anderen Finanzgangstern; ob man selbst heißen Herzens dabei mittun möchte, möge der rote Mond über Soho und den Bermudas zur Kenntnis nehmen…
Die große Pleite kommt bestimmt! (Carlo Cato)
 

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