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Volk ohne Traum |
Von alter Leidkultur »Die neue Protestwelle in Deutschland kündet von einem dramatischen Wandel – die Alten begehren auf!« Hans-Ulrich Jörges im Stern Nr. 42/2010 Der Aufmacher dieses sogenannten Zwischenruf aus Berlin lässt vermuten, die Hamburger Illustrierte habe eine Seniorenverschwörung aufgedeckt, derzufolge eine stehende Streitmacht tausender Rollstuhlfahrer künftig zentrale Verkehrsblockaden u.ä. herbeiführen würde, um ultimativen Einfluss auf die Sozialgesetzgebung zu nehmen, doch es dreht sich nur um herkömmlichen staatsbürgerlichen Ungehorsam im Verbund mit durchweg jüngeren Bevölkerungssegmenten: Pro Sarrazin, contra Atomenergie und Stuttgart 21. In der Tat zeigen die vollen Säle und Sammelplätze ein merklich meliertes Profil, und wo immer Medienagenten und Wahlkämpfer die öffentliche Meinung animieren, erheben Rentner und Pensionäre am ehesten und heftigsten ihre Stimmen, und auf den Leserbriefseiten aller relevanten Blätter haben sie die Meinungsführerschaft, so oder so herum. Das ist kein neuartiges Phänomen, denn die Genannten hatten schon immer mehr Muße, Interesse und Lebenserfahrung als ihre jüngeren berufstätigen Mitbürger, was in Anbetracht unserer aktuellen Arbeitsmarktlage auch andere Altersgruppen auszeichnen müsste, indes geben weiterhin nur die Greise gerne ihre Widerworte, wahrscheinlich, weil ihre Wachsamkeit nicht mehr der Karriere, der Konformität oder gar dem Verfassungsschutz gilt, sondern übergeordneten Werten, was ja nicht ausschließt, sich ehrenamtlich zu engagieren, Geld zu spenden oder zu sammeln, konspirative Kaffeetafeln oder Tabakskollegien auszurichten, Böller zu basteln oder Parteien zu gründen oder eins nach dem anderen zu tun. Und weil wir immer mehr werden, wächst auch unsere Präsenz, mitnichten unsere Schlagkraft. „Aufbegehren“ bedeutet keineswegs Aufstehen, sich erheben im massenhaften Schulterschluss oder als eine todesfurchtlose Avantgarde, die dem letzten Aufgebot ihrer Enkel zuvorkommt. Nein, so ist es leider nicht, denn die den GRÜNEN und der LINKEN, den Sozis und den Christlichen nahe stehenden Aktivisten des Aufbegehrens sind keine unbedingten Parteimitglieder oder nur Wähler jener Couleurs, sie gehören auch nicht zu den Armen und sozial deklassierten Alten. Auf der Barrikade dieser neuen Bürgerproteste mag als allegorische Verkörperung Thilo Sarrazin (65) die deutsche Fahne stemmen à la Marianne, zu seinen Seiten jedoch werden weder weißbärtige Motorradrocker, noch alte Penner ihre Stöcke schwingen, denn der „dramatische Wandel“ im Auge des STERN-Deuters ist nur das politisierte Plenum empörter Besitzstandswahrer, welche zu dem ihrigen auch Bau- und Naturdenkmäler rechnen, und natürlich folgen die einzelnen Heerhaufen der protestierenden Privatiers, ihrer Ehefrauen, Witwen und Logenbrüder keinem vorrevolutionären Generalplan. Man tauscht sich aus, macht Beobachtungen und Erfahrungen und logischerweise beraten die Bewegungsmelder der Parteien die zunehmende Zahl der freiwillig Zusammenkommenden, ein sich stetig vergrößerndes Potential unfreiwilliger Wahlhelfer. Während die Stuttgarter Verhältnisse ein gefundenen Fressen für die Opposition im Ländle sind, ist der von Sarrazin losgetretene gewaltlose Volkszorn weder für seine Parteioberen, noch für das konservative Kabinett in Berlin ein Vergnügen, zumal SPD und CDU vorschnell, ergo leichtfertig den Stab über das Buch brachen. Also stellen sich Fragen: Wen muss die Regierung fürchten? Sind die Alten eine echte Bedrohung des sozialen Burgfriedens? Fallen die 25 bis 50jährigen Westdeutschen als Freizeitsoldaten aus, weil sie zumeist durch keine Schule der gemeinschaftlichen Gewaltanwendung (HJ, GST, NVA, BUND, RAF) gegangen sind? Kann überhaupt mit dieser deutschen Jugend gerechnet werden als nationalen Kadern allerwege?? Die Zahlenwerke Sarrazins beantworten diese Fragen ebenso wenig, wie die Zahlen seiner Gegner darüber Aufschluss geben, was weder messbar ist, noch demoskopisch verlässlich zu ermitteln wäre als genetisch verfasste Geisteshaltung: Unser Deutschsein – ideeller Wert, energetische Größe, Reglement oder Wunschtraum?! Mit Sicherheit kann behauptet werden, dass nur unter den Alten noch sich eine knappe Mehrheit zu dem Selbstbekenntnis bequemt: Ja, ich fühle deutsch, ich denke deutsch, ich votiere deutsch und das ist gut so. Es schmerzt mich, dass meinen Kindern das FACEBOOK näher steht (liegt), als ein Werk der deutschen epischen Nationalliteratur, dass am Weltkulturhorizont meiner Nachkommen weder Kirchtürme, noch Minarette aufscheinen, kein Eiffelturm und keine Inkapyramide, sondern nur der Schriftzug HOOLYWOOD über Los Angeles, aber ich leide nicht darunter wie ein Hund. Sind wir Alten die letzten Kulturkämpfer? Bevor wir uns abschaffen aus Dummheit, Gleichgültigkeit oder Selbsthass, sollte wenigstens geklärt werden, ob wir das wirklich wollen. Ich fürchte, dass dem größeren Teil unserer Bevölkerung die Kernproblematik am breiten Arsche vorbeigeht, weil ein Sarrazin nur einen Sommer macht. Es wird keine radikale Wende in der Fremdenpolitik geben, aber noch mehr Geld für weiche Integrationsmaßnahmen, blauäugige Investitionen weiterhin und neuerdings für hunderttausende Fachkräfte und Experten, welche allerdings nachqualifiziert werden müssen und im Versagensfalle nicht ohne weiteres retourniert werden können usw. usf. Statt den säkularen Staat zu stärken, soll er künftig auch noch exotische Religionsvermittler ausbilden und anstellen, um die Landessprache zu etablieren und die Predigten auf Verfassungstreue abzuhören. Millionen muslimischer Mütter, die noch nie auf (an) einem Elternabend gesehen wurden, sollen nunmehr Deutsch lernen, um ihren ältesten Söhnen in den Knast schreiben zu können und ggf. deutsche Kochbücher zu studieren, um die künftige deutsche Verwandtschaft mit anatolischem Napfkuchen zu überraschen. Daran geht Deutschland nicht zu Grunde, wenn es denn fruchtete; die Krux ist, dass die weitere Aufblähung der Sozialindustrie nicht nur die Arbeitslosenstatistik schönt, sondern vor allem die individuelle und staatsbürgerliche Eigeninitiative lähmt, ja, aushöhlt bis zum Verlust jeglicher Selbstverantwortung. Die seinerzeit von Wessis wie Ossis beklagte „Entmündigung“ der DDR-Bürger durch den totalen Fürsorgestaat war ein überschaubares zentralistisches Volksheimwerk der Kontrolle und der Korrumpierung aller Bürger. Das wiedervereinigte Deutschland, erstlich hervorgegangen aus der Bonner Republik, kompensierte die Verluste und Versäumnisse des realen Schweineschnitzelsozialismus selbstverständlich mit neuen Wohltaten (nicht nur für die Ossis!) im erweiterten Wortsinne mit Schmiergeld in Billionenhöhe. Die 20-Jahrfeier-Texte der vergangenen Wochen haben gezeigt, wie fromm hierzulande gelogen werden muss, um die wechselseitigen Vorwürfe und Animositäten zu erklären, bzw. unter dem Schmutzwäschetopfdeckel zu halten. Solange dieses missliche Miteinander nicht gedeihlich gestaltet ist, werden Volk und Staat außerstande sein, unseren maurischen Mitwissern die Mülltrennung, die Treppenhausordnung und die Nachtruheregeln beizubringen. Geflügelte Goetheworte und ein paar Pausenzeichen von Beethoven verlangen wir ja gar nicht, man ist schon dankbar, wenn das Lob der Autobahnen deren obersten Bauherrn nicht einschließt. Was aber können unsere Alten dazu beitragen? An was denken Geißler und Jörges, wenn sie über Rentenempfänger als Aktivposten schwadronieren? Es waren nicht die alten Volkssturmmänner, die sich im Frühjahr 45 verheizen ließen, sondern verzweifelte Soldaten und fanatisierte Hitlerjungs, denen die Opas noch Heil & Sieg gewünscht hatten. Wer heute mit der Trillerpfeife zwischen den dritten Zähnen aufmarschiert, ist selten ein „oller Kämpe“, sondern mitschuldig an der deutschen Misere, und es ist weder tätige Reue, noch das ideologische Johannisfeuer der Späterwachten, sondern der pure Opportunismus bürgerlicher Main-Stream-Figuranten unter Anleitung ihrer Enkeltöchter, ggf. farbige Musterschülerinnen, die ihr schuldenfreies Deutschtum der Adoption verdanken. Leider können wir mit diesen geglückten Geschöpfen nicht mal (einen) Kleinstaat machen und gottseidank wissen wir nicht, wie glücklich sie wirklich sind. Lasset uns heimgehen zu den Hausaufgaben…
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Alle Statements auf einen Blick: |
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