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Volk ohne Traum |
Masse Mensch II Wer bei der Bioweinprobe von der Masse als soziologischer Größe zu sprechen anhebt, wird augenblicklich von der Gastgeberin oder einer anderen, anders privilegierten Person mit den Einwürfen „Le Bon!“ oder „Canetti!“ erfreut, gradso, als seien diese beiden Denker ausgewiesene Physiker gewesen, Väter von Maßeinheiten, und mithin alles schon gesagt. Tatsächlich denkt unsereiner an Scheißhaufen, in denen Obstkerne, also Saatgut, und wertvolle Fremdkörper sich finden, z.B. verschluckte Eheringe oder Diebes- und Schmuggelgut, doch normalerweise breiten sich Exkremente in den Rieselfeldern vor unseren Städten aus und schließen so den Ernährungskreislauf. Ich weiß gerade nicht, ob das auch heute noch so gehandhabt wird, aber irgendwie wird mit dieser Masse sinnvoll verfahren, denn zuviel Kacke kann tödlich sein, auch wenn blütenweiße Schmetterlinge sie umschwärmen. Nun ist Masse keineswegs nur negativ konnotiert, was sich z.B. an Erzeugnissen der Massenproduktion von Alltagsgütern aufzeigen lässt. Kein Ex & Hopp- Artikel ersetzt juwelene Gebrauchsgegenstände, doch erübrigt er sie, richtiger, niemand wird durch die Verwendung hölzerner Zahnstocher diskreditiert, weil es auch edlere Exemplare gibt, aber sehr wohl, wer sie unmanierlich benutzt. Andererseits bereichert Massenware nicht die Konsumgüterpalette anspruchsvoller Verbraucher. Wer niemals einen HO-Laden in der DDR-Provinz kennen lernte, weiß womöglich gar nicht, was Massenware ist, verglichen mit den putzigen Fernostartikeln unserer Tage oder den farbenfrohen Leckereien von Billigbäcker & Co. Klassische Massenware ist potthässlich bis hübsch hässlich designed, preisgünstig, massenhaft verfügbar und selten vergriffen, die „inneren Werte“ zufrieden stellend bis wertneutral, bisweilen überaltert und im Kern treuherzig. Dürfte man so auch das Publikum einer 1.Mai-Kundgebung des DGB beschreiben? Bis auf das Prädikat „massenhaft verfügbar“ träfen alle Attribute zu, ebenso auf Teilnehmer einer Kirchentagsversammlung, die freilich massenhafter frequentiert wäre als der einstige Internationale Kampftag der Arbeiterklasse; bei den Christen erwarten insbesondere die jüngsten Angereisten ein erotisches Erweckungserlebnis, bei den Linken die Zusammengekommenen ein versprochenes Freibier zur überteuerten Erbsensuppe. Masse muss Eindruck machen. Und deshalb präsentierte man in Zuteilungsgesellschaften mangels Masse (d.h. in Anbetracht fehlender Varianten und Konkurrenzwaren sowie gemäß der staatlichen Kontingentierung des Angebots) das Monopolprodukt in signifikanter Verpackung regalmeterweise in Reih und Glied: Kernseife, Kochsalz, Krautkonserven, Kaffee-Ersatz. Geschah es, dass ohne Vorankündigung plötzlich in einem Schaufenster seltene oder entbehrte Artikel auftauchten wie Zwergwale in der Elbe, dann folgte der konkreten Meldung über einen im Handel beobachteten Sack Erdnüsse die Phantasterei, am Marktplatz habe soeben ein Spezialladen für Südfrüchte eröffnet, woraufhin in den Abendnachrichten der Westberliner Sender zu hören war, dass es zu schweren Unruhen gekommen sei unter der Parole „Die im Friedenskampfe dienen, verdienen auch mal Apfelsinen!“ In der Tat war Massenbewegung in der DDR eine der umläufigsten, meistverwendeten und vieldeutigsten Politvokabeln, darunter natürlich der Massensport, wozu ggf. alle gleichförmigen Bewegungen im privaten Sektor rechneten, voran das tägliche Gerenne & Gerecke nach Raritäten aller Art vom Klopapier bis zum Kabarettbillett, von einfachen Neuheiten bis zu antiken Ersatzteilen, also der höchstpersönliche Kampf um Lebensqualität à la Meyer, d.h. um mehrheitsfähiges kleinbürgerliches Glück. Letztlich war das der tragende gesellschaftsgeschichtliche Impuls, welcher gleichsam als ejaculatio praecox zu jener voreiligen Erhebung und Entladung führte, die wir als Deutsche Wiedervereinigung zumindest offiziell begehen und entschieden lustloser feiern als einen Hochzeitstag, den m.E. ca 65% aller Eheleute bestenfalls mit einem Frühstücksküsschen einseitig erinnern (und wie gewohnt die Demoskopen belügen). Dass Menschen, die gern gut essen, trinken und vögeln, es auch an Hochzeitstagen tun, sollte ehrlicherweise ebenso wenig hervorgehoben werden wie der mitteldeutsche Pimmel im Herbst 89. Als es dann das Begrüßungsgeld gab und reife Bananen auf den Motorhauben der Trabbis verschämt grüßten, gewissermaßen als „Letzte Grüße“ der vormaligen Päckchenpacker, mochte man glauben, unsere heimgekehrten Volksgenossen wären einer unsichtbaren, einst allgegenwärtigen SED-Losung gefolgt: WERKTÄTIGE, ERSCHEINT IN MASSEN! Zum Leidwesen mitteldeutscher Länder hält die massenhafte Volksbewegung an, primär vom flachen Land in die westdeutschen Großstädte und ins deutschsprachige Ausland; dass es eine Flucht vor den Muselmanen sei, kann dem vorpommerschen praktischen Arzt in Graubünden und der sächsischen Serviererin in Bregenz nicht unterstellt werden: Die eurasischen Vorhuten sind allweil schon da, nicht massenhaft, aber unübersehbar wie der Mehltau auf Reben und Rosen… Derzeit erleben wir infolge des Weltklimawandels die Beschleunigung von Wassermassen, Flammenmeeren und Menschenmengen im Gottesstrafgerichtsformat, wobei wie üblich sich Verursacherprinzip und Schuldbewusstsein die blinde Waage halten. Dass die Betroffenen beschließen, eine Verbesserung ihrer Verhältnisse nicht abzuwarten, sondern gleich dorthin zu gehen, wo die Helfer & Hilfsgüter herkommen, darf vermutet werden, wobei ich nicht an die Elendsfiguren vor den Fernsehkameras denke, sondern an ihre besser gestellten Landsleute, die nicht dem Hochwasser ausweichen müssen, aber der Flut landloser Hungerleider, und so kommt eine Völkerwanderung in Gang, vor der weder Thilo Sarrazin gewarnt hat, noch seine Gegner sich eine Vorstellung machen möchten, und sei es nur, um die Speisung der Hunderttausend nach den Vorschriften des Halal zu proben und die akademische Frage zu klären, ob eine Völkerwanderung als beendet gilt, wenn ein angegebener geografischer Punkt erreicht ist oder ob es im Belieben der Wanderer liegt, wann und wo sie sich niederlassen, ergo ob uns neue Nomaden drohen oder gleich die Goldene Horde zentralasiatischer Motorradsgangs, marodierende Banden, die längs der Pipelines das ökologisch hoch entwickelte, wehrtechnisch geschwächte Abendland verheeren – Hollywood hatte es kommen sehn! Will sagen, dass in Los Angeles nicht die einsamen Warner (!) und Visionäre wohnen, aber jede Menge unpolitischer bis stockreaktionärer Filmemacher, welche sich die Zukunft zwar ohne Menschenmassen, aber nicht ohne Benzinfahrzeuge vorstellen können. Als Sarkozys Gendarmen neulich angeblich die Wohnwagen südosteuropäischer Zigeuner zerstörten, blieb unerwähnt, dass diese Vehikel zurückgelassen wurden, weil die Heimkehrprämien den Ankauf von Autos erlaubten. Ansonsten holt niemand mehr die nasse Wäsche von der Leine, seit BAUKNECHT weiß, was Frauen wünschen. In der Tat sind wir es, welche wegen mangelnden Gemeinschaftsgeistes (der Stuttgat21-Protest ist eine schwäbische Lokalposse!) vor den Notgemeinschaften der Wirtschaftsimmigranten, Hasardeure und Fürsorgeklienten entweder einknicken à la Dominik Brunner oder massenhaft ausweichen, zurückweichen und entweichen, mit den Ärschen voran zum Abgrund, ins Tal der Untoten. Sollte sich diese Lebensform bewähren, ja, dann empfiehlt sich statt Wölfen und Wildkatzen die Einwilderung des gemeinen Geiers. Weshalb warten?! |
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