Eine Vielzahl Krimi-Neuheiten …

… erscheinen jeden Monat, dazu Graphic Novels (vulgo: Comics) und DVDs und BluRays. Unmöglich, das alles zu überblicken und zu rezensieren. CrimeMag siebt und schürft deshalb für Sie und weist hier regelmäßig mit Hilfe von: Kaliber.38 und der befreundeten Buchhandlungen Chatwins (Berlin), Wendeltreppe (Frankfurt) und Buchladen in der Osterstraße (Hamburg) auf interessante Neuerscheinungen hin. Empfehlungen für DVDs, BluRays und Comics geben Katrin Doerksen und Thomas Groh.
Bitte denken Sie daran, dass gerade in diesen Zeiten Ihre lokale Buchhandlung(en) besonderer Unterstützung und Solidarität bedürfen. Lieber dort bestellen als bei amazon. –
Claudia Denker von der Krimiabteilung im Chatwins in
Berlin-Schöneberg

Durch ein Interview im Radio mit Johann Scheerer bin ich jetzt erst auf seine Bücher aufmerksam geworden. »Unheimlich nah« ist schon im Januar bei Piper erschienen, »Wir sind dann wohl die Angehörigen« von 2018, jetzt als Taschenbuch. Der Sohn von Jan Philipp Reemtsma beschreibt sein Leben während des Verschwindens und nach der Freilassung seines Vaters. Sehr gut.

Auch schon im März erschienen, aber noch nicht auf dem Schirm gehabt:
James McBride:»Der heilige King Kong« (btb) und ebenfalls bestimmt sehr lesenswert: Giancarlo De Cataldo »Alba Nera« (Folio).
Aus dem Hause Litradukt kam schon viel Gutes, bin gespannt auf Yanick Lahens: »Sanfte Debakel«. Das erscheint im April und ebenfalls – da freue ich mich besonders drauf – »Tote ohne Namen« von Louisa Luna (Suhrkamp).
Torsten Meinicke, Buchladen in der Osterstraße, Hamburg

Hier das Ergebnis meiner Schatzgrabungen in den letzten Wochen:
– Jon Bassoff, Factory Town (Ü: Sven Koch), Polar 2021, 256 S., 14 Euro: Russell Carver auf der Suche nach einem Mädchen in einer Hölle namens Factory Town. Bassoff kann es noch finsterer als in Zerrüttung. Dazu gibt es ein kluges Nachwort von Marcus Müntefering.
– Simone Buchholz, River Clyde, Suhrkamp 2021, 228 S., 15,95 Euro: Chastity Riley zieht es nach Glasgow, derweil in Hamburg die Freundinnen und Freunde ihre Wunden lecken. Viel Alkohol, Melancholie und der typische Buchholz-Sound. Da spricht sogar der Fluss.

– James Lee Burke, Dunkle Tage im Iberia Parish (Ü: Norbert Jakober), Pendragon 2021, 480 S., 24 Euro: Mit Band 15 der Dave-Robicheaux-Reihe in deutscher Erstübersetzung begibt sich der Pendrgon Verlag bald auf die Zielgerade. Dieses Mal kreuzt die Tochter eines Freundes aus dem Vietnamkrieg den Weg von Robicheaux.
– Giancarlo De Cataldo, Alba Nera (Ü: Karin Fleischanderl), Folio 2021, 253 S., 22 Euro: Gefesselte und misshandelte Frauen. Alba Doria, Ermittlerin bei der Staatspolizei in Rom, stößt auf ein Netzwerk, das Gewalt gegen Frauen zum Geschäftszweig auserkoren hat.
– Tom Franklin, Wilderer (Ü: Nikolaus Stingl), Pulp Master 2021, 248 S., 14,80 Euro: Elf Short Storys aus dem amerikanischen Süden über Jagd, Armut, Gewalt und längst geplatzte Träume. Kaum zu entscheiden, was besser ist: die gewohnt tolle Übersetzung von Stingl oder das geniale Cover von 4000.

– Louise Penny, Bei Sonnenaufgang (Ü: Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck), Kampa 2021, 480 S., 17,90 Euro: Der siebte Band der kanadischen Autorin um Inspector Gamache. Von mir bisher bisher weitgehend ignoriert, entwickelt sich die Reihe bei unserer Buchladen-Kundschaft gerade zum Suchtstoff Band 8 folgt bereit im Mai 2021.
– Joyce Lussu, Weite Wege in die Freiheit. Erinnerungen an die Resistenza Ü: (Christa Kofler), Mandelbaum 2021, 285 S., 22 Euro: Zugegeben, klar abseits des Genres, jedoch sicher spannender als ein Gutteil der Kriminalliteratur. Die Erinnerungen der Sozialistin adeliger Herkunft, die jahrelang im Untergrund gegen den Faschismus kämpfte, liegen nach 75 Jahren endlich in deutscher Übersetzung vor und lassen einen atemlos zurück.
Bleibt gesund und solidarisch und achtet auf eure Liebsten!
Torsten Meinicke

Jutta Wilkesmann, Wendeltreppe, Frankfurt:
Hier sind die Vorschläge der Wendeltreppe:
Merle Kröger: Die Experten (Suhrkamp) – Siehe das Interview von Ulrich Noller und die Besprechung von Sonja Hartl in unserer letzten Ausgabe, d. Red.

Sunil Mann: Das Gebot (Grafit) – Ein Interview mit dem Autor bei uns hier.
James Crumley: Der letzte echte Kuss (Kampa)
Dino Minardi: Der Conmmissario und ein altes Geheimnis (Kampa)
William Boyd: Trio (Kampa)
Viele liebe Grüße und schöne Ostern!

Jan Christian Schmidt von Kaliber.38:
Black books matter – der April lockt mit gleich zwei frischen Stimmen der afroamerikanischen Kriminalliteratur: In Detroit spielt „Der gekaufte Tod“ von Stephen Mack Jones (Tropen Verlag, dt. Ulrike Wasel und Klaus Timmermann). Der Roman erzählt von dem ehemaligem Cop August Snow – Sohn eines afroamerikanischen Polizisten und einer mexikanisch-amerikanischen Malerin -, der mit seinen Ermittlungen in einer Korruptionsaffäre Kollegen des eigenen Reviers und lokale Politiker bis hin zum Bürgermeister zu Fall brachte. Um ihn kalt zu stellen, wurde August Snow aus dem Polizeidienst entfernt, bekam dann aber einen Schadensersatz von satten zwölf Millionen Dollar zugesprochen. Nach einer einjährigen Auszeit mit viel Alkohol kehrt August Snow nun nach Detroit zurück und beginnt ein neues Leben: In Detroits Mexicantown, dem heruntergekommenen Viertel seiner Kindheit, kauft Snow mehrere Häuser und richtet sie hübsch her. Kurz nach seiner Rückkehr wird eine der mächtigsten Unternehmerinnen der Stadt tot aufgefunden. Die Polizei erkennt auf Selbstmord, doch August Snow zweifelt an der offiziellen Version. Er macht sich auf die Suche nach dem Mörder – und, so verspricht es der Verlagstext, „gerät in einen gefährlichen Strudel, der ihn in Detroits dunkelste Winkel hinabzieht.“. „Der gekaufte Tod“ ist der Auftakt zu einer Krimireihe mit dem multikulturell verwurzelten Ex-Cop August Snow, der in bisher drei Krimis ermittelte – gewiss cooler Stoff aus Motor City! – Siehe auch unsere „Bloody Chops“, d. Red.

Ölfleckig auch der zweite afroamerikanische Text: „Blacktop Wasteland“ von S. A. Cosby (ars vivendi, dt. von Jürgen Bürger) erzählt die Geschichte von Beauregard »Bug« Montage. Bug, so entnehmen wir der Beschreibung, ist ein ehrlicher Automechaniker und fürsorglicher Familienmensch – und schlicht der beste Fluchtwagenfahrer diesseits des Mississippi. Seit einem Knastaufenthalt weiß Bug, dass er sich nicht mehr auf krumme Touren einlassen will. Weil sein Leben aber mal wieder ins Trudeln geraten ist – da ist die Zahnspange der Tochter zu bezahlen und die Mutter droht aus dem Pflegeheim zu fliegen -, setzt er sich bei einem Banküberfall noch einmal ans Steuer eines Fluchtwagens. Es kömmt, wie es hat kömmen müssen – und bald schon sind ihm nicht nur die Cops auf den Fersen. Klar, klassischer Stoff das – wir denken an James Sallis‘ Driver und an ungezählte Romane (und Filme), in denen ein treuherziger Gauner einen letzten Coup landen will (oder muss, weil ihm die Wirklichkeit keine andere Chance gönnt): In der Asphalt-Ödnis Virginias, so die US-Rezensionen, verheddert sich Bug in den Fallstricken aus Armut, Hautfarbe, krimineller Vergangenheit – und eigentümlich interpretierter Männlichkeit. Black lifes matter – und das Knie, das einem die Luft zurschnürt, hat die unterschiedlichsten Erscheinungsformen. – Siehe auch den Textauszug aus dem Buch in dieser Ausgabe hier nebenan – d. Red.

Opulenter historischer Stoff bei Christian Schnalke, der vor zweieinhalb Jahren mit „Römisches Fieber“ (Piper) nach dem Bilde der romantischen Literatur einen lesenswerten Roman vorgelegt hat. Hauptfigur war der junge Franz Wercker aus Memmingen – Zimmermannssohn, Vatermörder und Möchtegern-Dichter -, der 1818 auf Goethes Spuren nach Italien reiste und in der spannenden Zeit des Umbruchs von der höfischen zur bürgerlichen Gesellschaft diverse Abenteuer überstehen musste. Nun die Fortsetzung der Abenteuer Werckers: „Die Fälscherin von Venedig“ führt uns in die namentliche Lagunenstadt (die 1818 von Österreich beherrscht wurde, wie wir uns belehren lassen mussten) und zu einem der größten Kunstraube aller Zeiten: Beim Rücktransport napoleonischer Beutekunst sind Unmengen von Meisterwerken verschwunden – darunter eines der berühmtesten Kunstwerke der Antike, die legendäre Laokoon-Gruppe. Wercker quartiert sich ein in einem Palazzo am Canal Grande und dringt als Kunsthändler getarnt immer tiefer vor in das gefährliche – und tödliche – Labyrinth der venezianischen Kunstwelt. Die Aachener Zeitung schrieb, Christian Schnalke gelinge „mit einem spannenden Plot und einer detailverliebten Originalität, die er mit kunsthistorischer Wissensvermittlung paart, ein lesenswerter Historienroman“ und der Kölner Stadtanzeiger bewunderte „das pralle Erzählen, in dem die Farben kräftig leuchten“ (über „Römisches Fieber“). Für das aktuelle Buch „Die Fälscherin von Venedig“ verspricht der Verlag einen „mitreißende(n), kluge(n) und empfindsame(n) Roman über den Zauber der Kunst und die Macht der Liebe“. Wow – wir sind bereit!

Lachnummer des Monats: „Laviolette auf Trüffelsuche“ von Pierre Magnan (Fischer, dt. von Irène Kuhn). Pierre Magnan ist ein brillanter, ungemein sprachgewaltiger Autor von eigentümlichen, wunderbar sperrigen Kriminalerzählungen aus der Provence. Um die Jahrtausendwende irrlichterte sein komplexes Werk im Scherzverlag, wo dieser Schatz im literarischen Niemandsland zwischen Agatha Christie und Kaufhaus-Krimis nicht wirklich funkeln konnte. Fischer hat Magnans prächtigem Laviolette-Roman in der druckfrischen Taschenbuch-Ausgabe ein Coverbild mit Lavendelfeld und dem Titelzusatz „Ein Kriminalroman aus der Provence“ verpasst – jetzt fristet Pierre Magnans Buch ein tristes Dasein in dem Stapel mit den merkwürdigen Südfrankreich-Ferien-Krimis aus – meist – deutscher Feder. Lachnummer? Eigentlich ist’s doch eher zum Heulen! Ein Trost wäre es, wenn Fischer wieder alle Pierre-Magnan-Romane und -Erzählungen zugänglich machte. Dann, ja dann, könnte man, vielleicht, unter gewissen Umständen, aber wirklich auch nur dann…
Kurzer Blick in die Mediatheken: Hinter dem reißerischen Titel „Das Geheimnis des Totenwaldes“ verbirgt sich ein beeindruckendes, eher leises mehrteiliges Psychodrama, das einen Bogen über ein gutes Vierteljahrhundert spannt (ARD, in der Mediathek ist der Film in sechs Teile zerlegt, im analogen TV war er als Dreiteiler zu sehen). Erzählt wird die Geschichte des gewissenhaften Hamburger Polizisten Thomas Bethge, der im Sommer 1989 zum Hamburger LKA-Chef ernannt wird. Kurz nach der Beförderung verschwindet Bethges Schwester Barbara, die im niedersächsischen Weesenburg lebt und sich gerade einen Ehekrieg mit ihrem Mann liefert, dem Unternehmer Robert Eder. Kurz vor dem Verschwinden der Frau hatte man in einem Wald unweit von Weesenburg zwei Liebespaare erschossen aufgefunden. Wurde auch Bethges Schweser Barbara Opfer eines Verbrechens? Grausiges Spiel eines Serienmörders? Aber wie passt das Verschwinden der Frau zum Tod der Liebespaare? Hat sich der Unternehmer Robert Eder seiner Frau entledigt, um eine teure Scheidung zu vermeiden? Eine Aktion aus der Unterwelt, um Druck auf den LKA-Chef auszuüben?
„Das Geheimnis des Totenwaldes“ verfolgt in mehreren Zeitsprüngen den Ermittlungen der kleinstädtischen Polizei in Weesenburg, denen der Hamburger LKA-Mann Bethge nur aus der Ferne und einflusslos folgen kann. Die Aufklärung des Schicksals der Verschwundenen, die Suche nach dem Täter (wenn es überhaupt einen gibt) ist nur das Gerüst des TV-Dramas – eigentlicher Kern ist die Ungewissheit der Angehörigen, denen die Jahrzehnte währende toxische Verzweiflung zusetzt wie ein Krebsgeschwür. Der Stoff, der auf einen tatsächlichen Kriminalfall basiert, ist von ruhiger Hand in Bilder umgesetzt und von tollen Schauspielern lebensecht vorgetragen (u.a. Matthias Brandt, Karoline Schuch, Nicholas Ofczarek und – iiiehhh!, ist der gut! – Hanno Koffler). Bis zum berührenden Ende fein gemachte Fernseh-Ware.
In der schönen Landschaft Mecklenburg-Vorpommerns spielt der TV-Mehrteiler „Die Toten von Marnow„, den sie ebenfalls in der ARD-Mediathek finden. „Die Toten von Marnow“ wurde im TV in vier Teilen ausgestrahlt, in der Mediathek finden sich acht einzeln betitelte Episoden. Der Film, der mit den ständig sichtbaren Waffen der Ermittler eher wie ein Western daherkommt, spricht an mit erfreulich kantigen Figuren und einer bis in die kleinsten Rollen tollen Besetzung. Die Schweriner Kommissare Lona Mendt (Petra Schmidt-Schaller) und Frank Elling (Sascha Gersak) ermitteln im Fall eines vermeintlichen Serienmörders, der seine Opfer mit einem Kehlenschnitt tötet. Die Spuren der Toten führen die Polizisten nach Marnow zu einem Campingplatz am See, einem Krankenhaus, an dem zu Zeiten der DDR exklusive Behandlungen ermöglicht wurden, und weiter zur kapitalfreudigen Pharmaindustrie. Ach Gottchen! Klar, die Stasi hat auch die Finger im Spiel. Die blasse Geschichte wird von den beeindruckenden Figuren mühelos getragen – bis fast zum Schluss. Verzichten Sie auf den achten Teil, der zu schlechter Musik all das aufzulösen versucht, was bis dato den Figuren eine geheimnisvolle Aura verlieh. Schade!
Comic/Heimkino – von Katrin Doerksen und Thomas Groh:

Auf einem Sonnenstrahl von Tillie Walden
Reprodukt, Klappenbroschur, farbig, 544 Seiten, bestellbar
Der neuste Comic von Shootingstar Tillie Walden (Pirouetten) versetzt eine queere Coming-of-Age-Story in ein Science-Fiction-Setting: Mia ist das neuste Besatzungsmitglied an Bord eines Raumschiffs, dessen Crew verfallene Weltraumarchitektur restauriert.

Die Geschichte von Francine R. von Boris Golzio
avant-verlag, Hardcover, vierfarbig, 136 Seiten, bestellbar
Francine R. engagierte sich in der Résistance, wurde im April 1944 von der Gestapo verhaftet und überlebte schließlich das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Ihre Lebensgeschichte erzählte sie dem französischen Comic-Auteur Boris Golzio, der für Die Geschichte von Francine R. ihre eigenen Worte verwendet. Der nüchterne Zeichenstil erinnert derweil an eine düsterere Version der Reportagecomics von Guy Delisle.
Die Katze des Diktators von Michael Beyer
Jaja-Verlag, Hardcover, Schwarzweiß, 104 Seiten, bestellbar
Liebenswert-naive Cartoonzeichnungen und eine streberhafte Erstklässlerschreibschrift vereinen sich in Die Katze des Diktators zu super quirky anekdotischen Erzählungen über Papa Dictator und seinen schwarzen Kater Mussolini. Süß und flauschig – aber mit einem üblen Charakter.

Zur Seite, Kerl! von Kate Beaton
Zwerchfell Verlag, Hardcover, Schwarzweiß, 168 Seiten, vorbestellbar
Nach Obacht! Lumpenpack nimmt sich die Cartoonistin Kate Beaton in Zur Seite, Kerl! schon zum zweiten Mal große mythologische und historische Egos von Julius Cäsar über Robespierre bis hin zu Spider-Man zur Brust.
Verzaubert und verdrängt, von Oliver Schwehm
SWR, ca 45 Minuten, Mediathek
Nach dem Bühnenzauberer Kalanag ist bis heute der Kalanag-Ring benannt, den der „Magische Zirkel“ verleiht. In den 50ern verzauberte der Illusionist die Wirtschaftswunderdeutschen mit einem Programm zwischen Exotik und Erotik – und ließ unter anderem ganze Autos verschwinden. Zum Verschwinden brachte Kalanag dabei auch seine eigene Biografie: Als Filmproduzent Helmut Schreiber brachte er für Goebbels in Nazi-Deutschland Unterhaltungsfilme in die Kinos, als Leiter des „Magischen Zirkels“ hielt er den Berufsverband „judenrein“. Gegenüber den Alliierten beteuerte er später, im Grunde ein Widerstandskämpfer gewesen zu sein. Rolf Aurich und Malte Herwig haben sich dieser deutschen Biografie in je eigenen Büchern ausführlich gewidmet, eine SWR-Doku macht sie nun mit viel Archimaterial anschaulich.

Deadlock, von Roland Klick
BRD 1970, BluRay/DVD, Subkultur Entertainment, vorbestellbar
Roland Klick, der ewig Wiederentdeckte des BRD-Kinos: Seine Filme sitzen zwischen allen Stühlen – Genrekino ohne Formeln, Autorenkino ohne intellektuellen Überbau. Unter der brennenden Sonne Israels drehte er diesen flirrenden, existenzialistischen, von Can mit wuchtiger Musik stimmungsvoll unterlegten Krautrock-Western – ein einziges langes Duell in der Abgeschiedenheit eines Handel-Außenpostens. Wie immer geht es um die einzig wirklich wichtige Frage: Wer hat das Geld? Sensationell: Mario Adorf als rückgratloser Opportunist, der nach den Sternen greift und dabei mehr als nur einmal Sand zu schmecken kriegt. Lange nur als leidlich solider Release greifbar, kündigt das Edel-Label Subkultur Entertainment nun eine Nobel-Ausgabe für die Ewigkeit an, Hardcover-Buch inklusive. Die kostet zwar etwas mehr – aber wenn die Filmförderung solche Filmarchäologen nicht fördert, müssen das eben wir Filmenthusiasten übernehmen.
Gangster sterben zweimal, von Mino Guerrini
Italien 1968, ca. 101 Minuten, BluRay, bereits erschienen
Verdienstvolle Filmarchäologen sind auch die Spezialisten von Forgotten Film Entertainment. Die haben gerade das Italo-Heist-Movie „Gangster sterben zweimal“ als HD-Weltpremiere ausgegraben. Genrekino mit den besten Zutaten: Lockende Diamanten und der Traum vom letzten großen Coup… Die Besetzung lockt mit Joseph Cotton, das Bonusmaterial mit einem dicken Booklet der beiden Italo-Experten Christian Keßler und Roberto Curti. Der kernige Trailer macht schon mal viel Lust:
Floyd Gottfredson Library
Ehapa Comic Collection, 872 Seiten, 150 Euro, erster Band bereits erschienen

Mauscomics haben unter Disneycomic-Fans einen schweren Stand: Nur Entencomics zählen wirklich – und auch hier in erster Linie die von Carl Barks und, ja, okay, vielleicht auch noch Don Rosa. Für Floyd Gottfredson machen allerdings auch hartgesottene Donaldisten eine Ausnahme – zumindest, wenn keiner hinschaut. In seinen Daily Strips erzählte Gottfredson ab den 30er-Jahren mit erheblichem epischen Atem erzählte Maus-Abenteuer, die insbesondere in den frühen Jahren noch viel vom anarchisch-subversiven Charme der ersten Mickey-Mouse-Cartoons in sich trugen. Inspirationen holte sich Gottfredson bei Pulp-Magazinen und im Kino – entsprechend geht es also in Spukhäuser, auf Zombie-Inseln, in Parallel-Dimensionen und an andere Sehnsuchtsorte der kollektiven Fantasie. Schon vor einigen Jahren nahm sich der US-Verleger Fantagraphics in Form einer liebevoll gestalteten, von einem hervorragenden redaktionellen Teil flankierten Gesamtausgabe dieses Schatzes der Comicgeschichte an. Ehapa bringt dazu nun eine deutsche Lizenzausgabe, deren hoher Preis auf den ersten Blick zwar abschreckt – dafür umfasst jede Lieferung aber auch gleich drei Bände.

Als Troja noch vor München lag, von Friedemann Beyer
BR 2021, 53 Minuten, Audiothek
1923 entstand rund um München mit „Helena“ unter der Regie von Manfred Noa ein Aufsehen erregender Monumentalfilm. In seinem vergnüglichen Radiofeature erzählt Friedemann Beyer die nicht minder abenteuerliche Geschichte, wie es dazu kam, dass in Bayern das antike Griechenland wieder auferstand.