Geschrieben am 14. Februar 2015 von für Bücher, Crimemag

Reading ahead (6): Chuck Logan – Fallen Angel

Chuck_Logan_Fallen_AngelAutor der wirklich toughen Thriller

Wir lesen heute schon die Bücher, die Sie erst morgen oder übermorgen auf Deutsch bekommen können. Vielleicht. Oder auch nicht. Heute:

Chuck Logan – Fallen Angel – von Alf Mayer

Der 1. April 2008 war das letzte Mal, dass er als Autor in Erscheinung getreten war – mit „South of Shiloh“, einem Scharfschützenthriller. Dann verschwand er bis Ende 2014 in der Versenkung. Ein Autor von damals acht makellosen Thrillern, keiner von ihnen je ins Deutsche übersetzt, jeder um Meilen besser als all die Clancys, Forsyths, Ludlums und Möchtegern-Dramoletten mit Ex-Army-Personal. Sesselfurzer sie alle im Vergleich zu ihm, dem tatsächlichen Vietnamveteranen, der sich jahrzehntelang mit Zähnen und Klauen zurück in ein einigermaßen ordentliches Leben kämpfte, der an eigenem Leib und eigener Seele Traumata und Sucht erfuhr. Chuck Logan, nicht zu verwechseln mit Chuck Hogan, ist deutlich tougher als sein Namensvetter, obwohl auch der nicht von Pappe schreibt, mit „Endspiel“ Ben Affleck zu einem richtig guten Film verhalf, zu „The Town – Stadt ohne Gnade“, und mit dem Regisseur Guillermo Del Torro eine dreibändige Horror-Saga samt der zugehörigen TV-Serie verfasste.

Ein Frontschwein mit Noir-Anklängen

Chuck Logan also, 1942 geboren, mit acht Jahren Vollwaise, den in Korea gefallenen Vater nie gesehen, den tödlichen Autounfall seiner Mutter knapp überlebt, seitdem auf dem linvetterken Arm die Tätowierung „777“ als Erinnerung an jenen Abend: 7. Juli, 7 Uhr. In Detroits Autoproduktion gejobbt, sich in Kaschemmen und Cop-Wasserstellen selbst erzogen – er nennt es „graduiert“ –, ist zäh wie Känguruhleder, ein Frontschwein mit Noir-Anklängen, ein Einzelkämpfer-Existentialist, einer jener militanten linken Rechten oder rechten Linken (?), der gegen den Vietnam-Krieg war, aber niemand anderen an seiner Stelle in den Krieg schicken wollte, sich deshalb 1967 freiwillig bei der Army meldete, 1968 freiwillig zu den Fallschirmjägern ging, damals ein sicheres Ticket nach Vietnam.

Chuck Logan, der sich das „Logan“ nach dem Ringnamen seines in Korea gefallenen Vaters zimmerte, eines Boxers, diente 13 Monate als Funker bei verschiedenen „Berater-Teams“, hauptsächlich im Dong Ha District in der nördlichen Quang Tri Provinz. Eingeweihte wissen, was das heißt. Er kam mit Orden, Verwundungen und seriösen Problemen zurück. 1969 zog er ins ziemlich menschenleere Minnesota, wo er Cartoons für die Friedensbewegung zeichnete und allmählich vom Alkohol loskam. 1975 wurde er als Zeichner bei der St. Paul Pioneer Press angestellt, 1985 begann er zu schreiben. Sein Detroit-Roman verkaufte sich ebensowenig wie sein Vietnam-Roman. Sein Jagdgenosse John Camp hingegen, mit dem er oft an der frischen Luft war, Nachrichtenredakteur bei der gleichen Zeitung, erklomm mit unter dem Namen John Sandford verfassten Kriminalromanen die Bestsellerlisten. Er schlug ihm vor, doch das Wortgeklingel zu lassen und einen Thriller zu schreiben.

Logan Hunters Moon cover gdChuck Hogan wurde so einer der sehr selten gewordenen Autoren, die wirklich tough und authentisch von Söldnern und Undercover-Cops, Soldaten, Ex-Soldaten und – ja, auch das ganz besonders gut – von Soldatinnen schreiben können. Für mich ist er der Erbe von A.J. Quinnell, den heute vermutlich niemand mehr kennt, der uns den Söldner Creasy schenkte und im Remake von „Man on Fire“ Denzel Washington zu einer seiner besten Rollen verhalf.

Chuck Logans erster Thriller, „Hunter’s Moon“, fiel mir 1996 so sehr auf, dass ich fortan immer auf den Namen achtete. Sieben weitere Romane, an denen ich nichts zu meckern hatte, belohnten bis 2008 meine Aufmerksamkeit:

The Price of Blood (1997).
The Big Law (1998).
Absolute Zero (2002).
Vapor Trail (2003).
After the Rain (2004).
Homefront (2005)
South of Shiloh (2008)

Eine abgeschossene Black-Hawk-Pilotin

Und jetzt, zuerst als eBook im Selbstverlag, dann in der kleinen Conquill Press aus Saint Paul, Minnesota, kurz vor Weihnachten 2014 + endlich ein neuer Thriller: „Fallen Angel“.

Jahrelang hatte er versucht, dieses Buch bei den größeren Verlagen unterzubringen. Meist genügte der Hinweis auf die Hauptfigur für schnelle Ablehung. Eine im Irak-Krieg abgeschossene Kampfhubschrauberpilotin mit heftigen posttraumatischen Störungen, die sich zurück ins Leben und in die Aufklärung ihres schiefgelaufenen Einsatzes kämpft, das sei keine Figur für einen kommerziellen Erfolg, hieß es unisono. Dazu kommt, hier wird zwar Armee- und Einsatzrealität in großer sprachlicher Qualität geboten, aber es war ein eigenes Black-Ops-Commando, das da amerikanische Zeugen ausschaltete und dessen Hintermänner noch in den Veteranenkliniken bis in die Dosierung der Medikamente mitmischen. „The way I see it people who kill American soldiers are terrorists. And my job is catching terrorists“, sagt einer der alten Armeesoldaten, die wie eine selbst ernannte Saubermachtruppe die Machenschaften der outgesourcten Securityunternehmen auszubügeln suchen. Captain Jesse King, die schwer traumatisierte Pilotin, ist so jemand, der sie helfen wollen – im Graubereich, unter den NSA-Fühlern tief geduckt. Also etwas Subversives. Kein ungebrochen patriotisches Buch, wie das von A bis Z die „Bekenntnisse“ des „erfolgreichsten Scharfschützen der USA“ sind, die von Clint Eastwood verfilmt, gerade dabei sein, der erfolgreichste Kriegsfilm aller Zeiten zu werden.

logan Absolute Zero cover gd0Alte Haudegen gegen das Security-Establishment

Die Heldin in „Fallen Angel“ hat mit traumatischen Gehirnverletzungen zu kämpfen (Traumatic Brain Injury, TBI), kann sich nicht an das erinnern, was sie nach dem Absturz sah, was eine Hinrichtung durch eigene Leute war. Logan schreibt nicht nur atemberaubend dicht und poetisch über Sodatenwelten, Kampfeinsätze und Helikopterfliegen – nicht von ungefähr wird der Vietnamroman „Chickenhawk“ von Robert Mason als das ultimative Buch dazu mehrmals erwähnt –, er kennt das nach Koma und schwersten Verletzungen Aus-der-Welt Sein, hat in heutigen Veteranenkliniken recherchiert, viele Traumapatienten gesprochen. Manche Stellen sind herzerweichend, bei aller Härte, Unsentimentalität und allem sprachlichen Schutz, den sich Veteranen beiderlei Geschlechts zulegen, wie wir lernen.

Zuvörderst aber ist dies immer ein Thriller, mit hoher Voltzahl erzählt – aus vier Hauptperspektiven zum Pianodraht gedreht. Da ist Jesse, die um Genesung und Erinnerung kämpft. Da ist jener freiberufliche Staatskiller, der die Pilotin für tot in der Wüste liegen ließ und nun die Scherben seiner Mission mit immer mehr Toten wegzuwischen sucht. Da sind Tochter und Patron eines Securitykonzerns, die wie ihre Auftraggeber in den Staatsapparaten von Einzelheiten nicht allzu viel wissen wollen und einen zynischen Umgang mit der Welt pflegen: Security-Establishment. Da ist eine Gruppe alter Army- und Cop-Haudegen, die für ein wenig Gerechtigkeit und gute alte Sitten sorgen. „Department of Perfect Crimes“ nennen die Eingeweihten die Mechanismen am Werk, jemand wie Jesse Kraig wird da zum Kollateralschaden. Der wahre Fall von Pat Tillman, der 2004 in Afganistan im „friendly fire“ umkam und lange vertuscht wurde, klingt mehrmals an: „The brass lies, gets caught in their lies, and they all get promoted. Everybody moves on, and Tillman’s grave is still covered in lies“, heißt es da.

logan the-price-of-blood-books-hc cover-1„Ich war ein Gangster für den Kapitalismus“

Reden wir nicht darum herum: Man braucht eine etwas verquere Affinität zum Militär, um zum einen all diese punktgenaue Veteranen- und Aktivenrealität zu goutieren und die gleichzeitige Demontage des Establishments zu genießen. Hört sich beinahe wie eine Dosis Ross Thomas an. Sagen wir so: Ross hätte „Fallen Angel“ vermutlich nicht dumm oder dumpf gefunden. Es gibt da Stellen, keineswegs spärlich, die so klingen:

Eine kleine Straßenszene in Memphis, Tennessee: „A pair of women on heels strut by with a sassy swish to their skirts like you never see up North – like they just pulled some man’s life down around his ears and are on their way to inspire another blues song before the sun goes down.

Die E-Mail eines Informanten beginnt mit folgendem Zitat: „I spent 33 years and four months as a high class thug for Big Business. For Wallstreet and the bankers. In short, I was a racketeer, a gangster for capitalism… Looking back at it, I might have given Al Capone a few hints. The best he could do was to operate his rackets in three districts. I operated on three continents.“ (General Smedley Butler, 1881–1940, ehemals Kommandeur des United State Marine Corps, in seinem „War is a raket“, 1935)

Like Sherman said: „War is cruelty.“
Auf einem Security Kongress, eine hochrangige Analystin: „This one styles her hair cropped short like a Roman general and wears perfume that smells like refrigerated currency.“ … Sie sagt: „That man looks like an erection wearing a tie.“
„The world has changed in the few last years. If you are looking to branch out, I’m all ears. The whole anti-terror apparatus is getting to be a top-heavy bore. But there‘s a new international elite zipping around in private jets chasing the next killer app. Hongkong, Mumbai, Dubai. They require high-end security, and the market is swarmed with amateurs and wannabes.“
„Guys with Mex Special Forces lighters. Guys who live outside the wire. Our government is using them now. Ruthless Zetas.“
He sends the shot like a prayer.
Und Jesse dann, gegen Ende, vor ihrem ersten Sex seit dem Hospital: She studies him, faintly amused. „I saw you kill three guys last night. You really think I’m going to faint at the sight of your dick?“

„Der Schlaf schwingt auf wie eine Bombenfalltür“

Chuck Logans Erstling „Hunter’s Moon“ folgte 1996 dem Kriegsheimkehrer Harry Griffin, einem Ex-Kommandosoldaten, ins nördliche Minnesota, die Heimat des Autors. Der Tod eines jungen Mannes und sein Unbehagen über all das örtliche Schweigen zieht ihn tiefer und tiefer in Konfrontationen, die er hinter sich gelassen glaubte. Die knappe Sprache, ein durchgängiger, frisch durchlüfteter Hardboiled-Ton und die schärfste Femme fatale seit Lauren Bacall ohne Slip ausgegangen war, ließen mich aufhorchen. Hier nur einige der damals von mir angestrichenen Stellen:

Harry felt like he’d known her all his life. Strength and mystery were at her fingertips, but she kept part of her brains squeezed down in her pants and she liked to see men fight.
Her smile ware pure heroin.Once you had it, you wanted more and nothing else mattered.
„Remember Hollywood from special ops?“
„Yeah“, said Harry. Hollywood. A blond gorilla with dry ice for eyes. Navy SEAL.
His heart started to race. Steady down. Do the tricks.
Sleep swung open beneath him like bomb day doors.
Some Buddhist tough love. Go to your worst fear, embrace it, and see it as a product of your mind.
The insides of people were like trees. You could never see it all.
F-U-C-K. The opposite of death.
„I take it you don’t believe Jesus Christ died for your sins.“
„A lot of Vietnamese died for my sins, padre, yours, too.“
„Tell you what. You bring the apple and I’ll bring a snake and a tree and we’ll find out. Say eight-thirty…“ … Später sagt sie: „You can fuck me, but you can’t see me, and I’m sitting right in front of you.“ Und einige Treffen später: „We know each other, you and I“, she said gailly. „I’m your missing rib.“
„Evil. It’s just like love. You need two people to make it work.“
„Why is it“, she mused, „that when men want to be forgiven I’m the one who ends up on my knees“, sinniert sie über einen Versöhnungs-Blowjob.
Hector lit a cigarette. „This is a war story. You know about war stories. That’s where everybody lies.“
Out of reflex he reached for a cigarette. He understood the habit of smoking. As long as you had a cigarette you were not alone. There were time when being alone with your thoughts could kill you.

James Grady, von dem wir jetzt im Frühjahr 2015 „The Last Days of the Condor“ erwarten dürfen, meinte damals: „‚Hunter’s Moon‘ entwickelt sich zu einer Reise, die durch eine literarische Straßensperre nach der anderen prescht, den Leser durch unerwartete Landstriche trägt und ihn auf eine überraschende, realitätstüchtige Hochebene transportiert. Voller Suspense und Schrecken, dem unverwechselbaren Klang von Plausibilität und unglaublich sexy. Absolut solide Unterhaltung.“

Vergangenheitsbewältigung mit Schatzsuche

Es war das zweite Buch, mit dem Chuck Logan mich endgültig gewann: „The Price of Blood“(1997), eine Schatzsuche im Dschungel von Vietnam, eine Verschränkung von Gegenwart und Vergangenheit, von Abenteuerthriller und Kriegsbewältigung der besonderen Art, von Ermittlung und Beziehungsdrama. Unkonventionell, politisch inkorrekt, aber nicht dumm, ernst und plausibel, dabei ein gleichzeitig höchst unterhaltsamer thrill ride, derart knackig, dass man die Schweißtropfen ploppen sieht. Hier ein Auszug, die ersten Zeilen des Romans:

The young brown guy, the slightly older black guy, and the old white guy had been in the room for thirty minutes and now the sweat was running down their arms. They didn’t need to be reminded, but the black guy went and said it anyway.
Damn, it’s hot.“
„It ain’t so hot,“ the old white guy said. „Panama was hot. Somalia was hotter. Kuwait was really hot, but that was a dry heat. Now, you take your triple-canopy jungle in Laos …“
„Don’t start,“ the black guy said.

Chuck_Logan_South_of_ShilohEs geht um zehn Tonnen Vietkong-Gold, die in den letzten Tagen des Vietnamkrieges bei einer Kommandoaktion verschwanden, irgendwo im Dschungel verscharrt. 30 Jahre später wird Phil Broker, ein Undercover-Cop – dem wir noch in fünf weiteren Romanen begegnen – von der Tochter seines ehemaligen Kommandeur überredet, den Schatz zu heben und dabei den Namen ihres Vaters zu klären. Broker ist ein Vietnam-Veteran, Nina Pryce, die Brokers Frau werden wird, hat im ersten Golf-Krieg gedient, ist eine ganz andere Soldatengeneration. Allein hieraus schlägt Chuck Logan manchen Funken. Zwei ehemalige Armybuddys von Broker haben es vor ihnen in den Dschungel geschafft, es wartet manche Überraschung. „Not for the faint of heart“, warnte eine Rezensentin.

Die nächsten Broker-Romane brachten Verbrechen und Spannung heim ins ländliche Minnesota. Chuck Logan ist ein Outdoor-Mann, nur Thomas Perry reicht in Teilen der Jane-Whitefield-Romane an ihn heran, auch er ist von der deutschen Bildfläche verschwunden. Jetzt im Frühjahr erscheint sein sechstes Buch mit der ganz heutigen Indianerin Jane, die eine Expertin darin ist, Leuten beim Untertauchen zu helfen. (A String of Beads, Mysterious Press.) Und dann natürlich Joseph Heywood, lange schon nichts mehr von ihm übersetzt, der mit „The Berkut“ (1987) den einzig soliden „Jagt-Hitler!“-Roman schrieb, auch in Minnesota beheimatet ist, seine Wood-Cops-Reihe inzwischen um einen historischen Ableger erweitert hat (Mountains oft he Misbegotten, 2014) und dem mit „The Snowfly“ ein erstaunlich metaphysischer Fliegenfischer-Thriller gelangt (wenn es so etwas gibt). Da oben an den großen Seen und in den langen Wintern, bei einer Bevölkerungsdichte von 23 auf einen Quadratkilometer, müssen gute Thriller-Ideen reifen. Selbst wenn das nicht den Weg in deutsche Verlage schafft, ist es eine erstaunlich fruchtbare Gegend. John Sandford immerhin wird übersetzt, Chuck Logan hat mit ihm bei „Heat Lightning“ (Blutige Rache) kooperiert.

Chuck_Logan_Fallen_HomefrontDie Heimatfront nach 9/11

„Homefront“ von 2006 und noch mehr der Vorläufer „After the Rain“ war damals eine wirklich heiße Kiste, weil da ein Autor in die Kulissen der Homeland Security und der heimischen Terroristenszenarios stieg. Chuck Logan ist ein Recherchefreak, er hält es nicht mit Beschreibungen aus Waffenkatalogen, er war im Zweifelsfall nah dran an dem, worüber er schreibt. In „After the Rain“ waren das die lange, offene Grenze mit Kanada und das Kalte-Kriegs-Erbe des „Raketengürtels“ mit ihren Minuteman II-Atomsprengköpfen. Stephen Hunter hatte dazu 1989 mit „Titan“ (The Day Before Midnight) Überzeugendes abgeliefert. Logan holt die Atomterroristen-Gefahr ins Jahr 2004, behält mit seinen Geschichten und Charakteren stets die Bodenhaftung. Hier sind keine Superhelden am Werk. Keine Gadgets, keine Taschenspielertricks. Reale Menschen.

In „Homefront“, dem Folgeroman, in dem Nina Pryce einiges an Trauma auszuheilen hat, gerät die achtjährige Tochter Kit Broker an ihrer Schule in einen Albtraum, als sie, ganz die Tochter ihrer Eltern, dem Schulbully Teddy Klumpe ein blaues Auge verpasst. So etwas wie eine Blutrache-Fehde entbrennt, eskaliert immer mehr. Kits Vater, unser Broker, wird als früherer Undercover-Cop enttarnt, der für den Tod des lokalen Drogenboss-Sprösslings verantwortlich war. Grimmiger kann man kaum über die sich zuspitzende Gewalt in einer Kleinstadt schreiben.

Chuck Logan war anfangs euphorisch, als Sylvester Stone die Filmrechte an „Homefront“ kaufte, sogar selbst das Drehbuch schrieb. Zu Telefonaten und einem Treffen mit Stallone kam es, auch zu einer Einladung zur Filmpremiere. Zahllose „Modifikationen“ aber hatten die Story aus dem kalten Minnesota ins schwüle Louisiana verlegt und Jason Statham zum Hauptdarsteller gemacht. Jess Frano, Wynona Ryder und Kate Bosworth gehörten zum Cast, Regie führte Gary Fleder („Kiss the Girls)“. Halbherzig gestartet, wurde der Film ein Beinahe-Flop, fiel auch in Deutschland in die Cineplex-Ritzen. Achtbar, aber nicht erhebend. Zwar eines der besseren Statham-Vehikel, aber nicht richtig Fisch noch Fleisch.

Chuck Logan sagt heute dazu auf seiner Facebook-Seite: „So the movie they made from Homefront has come and gone and now it’s time to get back to work.“

Zum Film bemerkte er: „What I’ve learned about the American cultural apparatus is that when your book gets beamed to the parallel universe of Hollywood, not all the characters, names, and locations make it. So my shaggy Minnesota Northwoods cop is now a bald Brit in Louisiana bayou country. The main character of the book, the wife, is off-stage. What am I going to say, „no, let’s not make this movie, because I want total artistic control?“ I suppose I could’ve said that, but I didn’t… There’s a famous quote, either from Fitzgerald or Hemingway, and it goes, „You go up to the line and you throw the book across, and they throw the money across, and you run like hell.“

logan after the rain_cover gd… niemals eine Fernbedienung drücken

Und dann ist da noch das Einzelbuch „South of Shiloh“, das ihm mit den Ruf eines nicht so sonderlich kommerziellen Autors bescherte. Die Schützen des Amerikanischen Bürgerkrieges sind das explizite Thema dieses Thrillers. Die Schlacht von Shiloh vom 6. und 7. April 1862 war eine der wichtigsten militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Unions-Armee des Nordens und den rebellischen Konförderierten des Südens. Diese und andere Schlachten nachzustellen ist für viele Amerikaner eine geradezu patriotische Sache geworden. Es gibt Tausende von Enactment-Groups, alleine im „Project Appleseed“ sind über 10.000 Schützen registriert, die im letzten Jahr bei knapp 1000 Veranstaltungen in historische Kostüme schlüpften und mit alten Waffen feuerten. 900 Schuss Munition sind für solch ein Wochenende mitzubringen, heißt es in den Anmeldeformularen. In „Rifle Marksmanship Clinics“ können schon Kinder zweitägige Schießkurse belegen.

Bei Chuck Logan nutzt ein Heckenschütze das Historiengetümmel, um Menschen abzuknallen. Ein Polizist, für den eine der Kugeln bestimmt war, und ein Fotograf machen sich ans Ermitteln, der Roman zieht aus dem Gegensatz von Heute und Gestern großen Gewinn – und teilweise auch ziemlichen Spaß. „Jesus, die Luft muss damals anders gewesen sein, keine Autos, keine Fabriken. Und Tausende von Männern, die niemals eine Fernbedienung drücken mussten, um einer Fernsehwerbung zu entkommen.“ Der Cop, mit Leib und Seele halb in der Bürgerkriegsvergangenheit, liest wieder und wieder Stephen Cranes „Red Badge of Courage“, so „als wäre es ein wertvolles Fundstück, ein Überbleibsel aus eine reineren Zeit. Denn im Bürgerkrieg fand er seine Zuflucht, dort glaubte er, hatte das, was ein einzelner Mann an einem bestimmten Tag tat, tatsächlich den Lauf der Geschichte bestimmt.“

Alf Mayer

Chuck Logan: Fallen Angel. Conquill Press, Saint Paul/ Minnesota 2014. Trade Paperback. 402 Seiten, $ 15,00. Verlagsinformationen zum Buch. Mehr über Chuck Logan und zu Fallen Angel.

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