Trost
Clemens J. Setz liest aus seinem Roman (Quelle: suhrkamp auf youtube)
Martin Ebel bespricht im Deutschlandfunk den neuen Roman von Clemens J. Setz:
„In "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" variiert Setz nicht einfach das alte Paradox, dass die Verrückten die eigentlich Normalen sind und umgekehrt. Er entwirft vielmehr eine Welt, in der jeder Mensch ein eigenes Universum bewohnt, zwischen denen kein wirklicher Austausch möglich ist. Die Sprache – vielleicht die eigentliche Hauptfigur des Romans – kann vieles; sie eröffnet im Sprachspiel, in der Assoziation, im Non Sequitur das Reich der Freiheit; sie zwingt in Lüge, Befehl und Manipulation unter das Joch der Unfreiheit. Oft aber versagt sie einfach als Kommunikationsmittel. Was stattdessen stattfindet, ist gewissermaßen "ver-setzt": Missverständnisse, Täuschungen, Irritationen. Und am Ende wartet die endgültige Isolation, der Tod. Der eigentliche Irrsinn liegt darin, wie der Mensch gemacht ist: Dass er auf die Welt kommt und diese Welt wieder verlassen muss. Darüber meditiert Natalie beim Nachtdienst, und wir verfolgen ihre entfesselten, aber vollkommen konsequenten Gedanken:
"Alles ist immer nur auf Trost aus, dachte sie. Trost, erträglich machen, Abschied erleichtern. Das ist alles, was das Gehirn kann. Musik, wohnen, fuchsiger Nackengeruch, unsichtbare Schultertiere, Ejakulationen in den Mund, all diese schönen Dinge sind nur dazu da, den Abschied am Ende schwerer zu machen, weil man sich nicht vorstellen kann, je ohne diese Dinge zu sein, aber genau diesen Gedanken hält der Verstand wiederum nicht aus. Es ist zum Amoklaufen. Eine totale Fehlkonstruktion, das Ganze. Ich brauche Trost, denn ich werde sterben, und das macht mich traurig, und dann ist dieser Trost wiederum so angenehm, dass man sich an ihn gewöhnt und nicht ohne ihn sein kann und es einem in der Folge noch schwerer fällt, zu sterben! Also braucht man immer mehr und noch mehr Trost, weil durch jeden früheren Trost das Abschiednehmen um ein paar Grad schwieriger und langsam wirklich absolut unerträglich geworden ist und man am liebsten den Reset-Knopf drücken würde."“
Clemens J. Setz: Die Stunde zwischen Frau und Gitarre. Roman. Suhrkamp, Frankfurt 2015.
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