Fragenstelle
Auf lyrikzeitung.com jetzt nachzulesen, die Laudatio von Daniela Seel zur Verleihung des Spycher: Literaturpreises Leuk an Katharina Schultens am 27. September:
„Ich beginne noch einmal zu lesen, von vorn. „mein projektleiter stützt abends den kopf in die hände reibt / seine wimpern: er habe mich tagsüber verbrannt ohne not / mein projektleiter erklärt mich zu lots weib.“ Ist das nicht entsetzlich? Schon mit den ersten Zeilen von „gorgos portfolio“, Katharina Schultens jüngstem Band, bin ich, und sind nun wir, mitten im Dilemma. In den Schrecken einer Gegenwart, die weiterhin hierarchisch organisiert ist, wo Männer erklären und Frauen verbrannt werden. Über die Gorgonen wird gesagt, sie seien Schreckensgestalten mit Schlangenhaar, deren Blick in Stein verwandle. Wenn mich nun friert, was kann das Gedicht dafür? Muss ich mich wappnen, um Katharina Schultens‘ Gedichten zu begegnen? Wie viel Kälte braucht es, um in der Welt zu bestehen? Wie viel Demut? Monstrosität? Am Telefon, als wir im Gespräch über Ansprüche an Gedichte und den heutigen Vormittag nachdenken, sagt Katharina: „Trost ist nicht im Text, Trost kann nur in der Welt sein, wenn du dich bewegst.“ Und so sind es gerade das heruntergekühlt Unbehauste der Gedichte, ihr scharfer Blick für Kalküle und Grausamkeiten, für die fatale Erotik von Machtspielen, die Bewegung anregen, Auf-Begehren. Braucht es Aufbegehren? „zu sagen ich brauche etwas. ich muss haben“, stellt mich infrage, stellt fundamentale Fragen an die Annahmen unserer Existenz und gesellschaftlichen Verfasstheit.“
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