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Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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Glanz&Elend - Die Zeitschrift
176 Seiten, die es in sich haben:
»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des Menschlichen«
Der
großformatige Broschurband in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren. Mit Texten von Hannah Ahrendt, Wassili Grossman, Nicolàs Gomez Davila, Gert Neumann, Dieter Leisegang, Fernando Pessoa, u.a.

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Volk ohne Traum


Ein Statement
von Uve Schmidt

Friede sei mit uns

Als ich ein kleiner Junge war, entsprachen sogenannte Vaterländische Hausbücher aus den Beständen meiner Großeltern in etwa den kleinkriegerischen Comix und elektronischen Schirmschlachten heutiger Kindheiten. Die Xylographien, Lithos und photographischen Abbildungen aus den Einigungskriegen hatten bereits Generationen vor mir interessiert und unterhalten; wie viele Kinder und Heranwachsende davon nationalistisch, militaristisch und womöglich chauvinistisch aufgeladen wurden, kann man nur subjektiv einschätzen. Es bleibt die Frage, was sonst davon hängen blieb. Sache ist, dass bei mir weder ein Verständnis für Zahlenwerke und Kartographie geweckt wurde, noch ein Interesse an Kriegstechnik entstand, ich aber ohne weiteres die Verbindung zwischen alter Ritterromantik und modernem Militärwesen herstellte über Uniformen, Handwaffen, Trommeln und Trompeten, und ich denke, es war eher ererbt, als abgeschaut, mithin wohl regenerativ wiedererkannt…

Als wir gegen Weihnachten 1946 in der Sonntagsschule gefragt wurden, welche Feiertage wir so kennten, krähte ich (ca. 7 Jahre) fröhlich „Tag der Luftwaffe“ und „Sedantag“, was ich mir aus einem verjährten Notizbüchl angelesen hatte; der Katechet fragte dann bei meinen Eltern nach, ob bei uns „solcher Undaten“ noch gedacht würde. Heute haben wir täglich mehrere Gedenktage, deren meiste sich der UNESCO und der kosmopolitischen Geschäftswelt verdanken, nicht wenige den Feuilletons und dem Zentralrat sowie  diversen sinnenfrohen Lobbys. Dass die Überversorgung mit Pietätsadressen und Partyanlässen unser humanistisches Gedächtnis erweitert und vertieft, glaube ich nicht, im Gegenteil. Wer wie ich die Heimatfronterfahrung jahrelangen Fliegeralarms machte, wer die schlaflosen, furchterfüllten Nächte in den Luftschutzkellern und das höllische Finale als der Kindheit Ersten Teil erlebte und traumatisiert wurde, war dann zwar beschädigt, aber keineswegs friedliebend. Wer in der warmen Frühlingssonne nach dem 8.Mai 1945 uneingeschränkt den Frieden und die Freiheit genießen konnte, realisierte seinen neuen Status keineswegs frohen Herzens und freien Hirnes: Die meisten Männer verfluchten Hitlers Versagen als Feldherr & Waffenschmied, die Frauen verfluchten den „Führerfimmel“ ihrer Geschlechtsgenossinnen, persönliche Schuldgefühle hatten die wenigsten, aber verbalisierte Hassgefühle jedermann. Hatten die Nazis noch bis ans ENDE erfolgreich Innenpolitik machen können mit Idealisten und Leichenfledderern, Gottbegnadeten und Hohlköpfen, Fatalisten und Glücksrittern, Mitläufern und Menschenfressern, so standen in der Stunde Null die Konfidenten der Sieger zur Verfügung, Gerettete und Remigranten, Untergetauchte und Unbelastete und jede Menge Hochstapler dito Chamäleons, also Personen, deren Schicksal sie grundsätzlich für den „demokratischen Wiederaufbau Deutschlands“ empfahl, als verbesserte Deutsche vielleicht, aber nicht als gesetzmäßig  bessere Menschen.

Wer sich heuer im 65. Jahre der Beendigung des Zweiten Weltkriegs an dessen  Auswirkungen erinnert, sollte bedenken, dass der Kalte Krieg nicht allein den „Weltrevolutionsplänen“ Stalins geschuldet war, sondern ebenso den Aspirationen der USA und ihrer wichtigsten Alliierten, die nicht daran dachten, ihre Kolonien und sonstigen auswärtigen Besitzungen und Stützpunkte in die Unabhängigkeit zu entlassen, und es zu unterlassen, die „freie Welt“ mit Militärbasen, Horchposten und ABC-Waffendepots zu überziehen. Natürlich stellt das kein verständiger Zeitgenosse in Abrede, doch der Alleinkriegsschuldige Adolf H. geistert weiterhin wie ein Hologramm des Buxtehuder Hasen über allen Aschenbahnen. Glaubt man ernstlich, die Sowjets hätten sich auf Dauer von Faschisten einkreisen lassen, zu denen die westlichen Großmächte so lange gute Beziehungen unterhielten, wie sie selbst Vorteile daraus zogen? Denkt man, die afro - asiatischen Befreiungsbewegungen hätten sich beliebig lange hinhalten lassen, da sowohl Moskowiter wie Nipponisten, Faschisten und Nazis den Indern, Chinesen, Arabern und Latinos etc. ansprechende Offerten machten? Nachdem Hitler im selbstentzündeten Inferno verschmort war, hätten seine Besieger die globale Beute nicht nur neu verteilen dürfen, sondern ewigen Frieden geloben müssen. Es unterblieb und die Sowjets gründeten den Weltfriedensrat e.V., für den Picasso die weißen Tauben spendierte. Unterdessen tobten die weltweiten Stellvertreterkriege, an denen bis zu ihrer Intervention in Afghanistan keine russischen Truppen beteiligt waren, die USA hingegen luden sich von einer Bluthochzeit zur  nächsten ein, während sie die Weltwirtschaft den Zinkern, Zockern und Zecken auslieferten. Wir, die über siebzigjährigen gebrannten Kinder haben keine Veranlassung mehr, über die familiale Adventserwartung hinaus an den ersten schwarzen Weihnachtsmann der Milchstraße zu glauben. Andererseits ist es niemandes persönliches Verdienst, bis zur Stunde sowohl einen dritten Weltkrieg verhindert, als auch in Europa die aggressiven Politiker feindlicher Nachbarn entmutigt zu haben, allfällige Minoritätenkonflikte zu Völkerschlachten aufzublasen: Es hat sich Gottseidank einfach nicht ergeben.

Neuralgische Punkte und chronische Reibflächen gibt es genug, indes sind Briten und Franzosen nicht geneigt, etwa in einem westeuropäischen Sprachenstreit (Flandern, Katalonien) Partei zu ergreifen, weil es für die Position Gibraltars bzw. für die francophone Communauté kriegswürdig wäre, und was sich an den Grenzen der Russen und Türken tut, sind sekundäre Betrachtungswinkel der Europäischen Außenpolitik, kein belgisches Bier. Ewiger Friede dank der EU? Wann und wo immer die Linke und Die Grünen, die Sozen und die Ökumenischen für Wohlfahrt & Frieden in Afrika und Asien eintreten, wird das Wort Bürgerkrieg möglichst vermieden, obwohl man die Ursachen und Umstände der jeweiligen Auseinandersetzungen zwischen Machthabern und Unterdrückten, Legitimisten und Insurgenten, Eingeborenen und Eindringlingen keineswegs verhehlt oder gröblich verfälscht. De jure kann von Bürgerkrieg eh nicht gesprochen werden, solange die Kontrahenten nicht über die selben Bürgerrechte verfügen, ein Faktum, das in allen Bürgerkriegen der Weltgeschichte ohnedies nichtig war, weil mindestens eine Partei über fremde Unterstützer gebot. Und obwohl die meisten Parteigänger der Weltfriedensfront vom Bürgerkrieg als „Endsieg der Vernunft“ (Alfred Nobel) träumen, will ihnen das Wort hierzulande nicht über die Lippen, denn die einzige ihnen vorstellbare Form militanten Widerstandes oder bewaffneter Erhebung ist der Antifaschistische Kampf der demokratischen Kräfte, bei denen Anarchos und Antideutsche offenbar Narrenfreiheit genießen, bis beide Seiten ihre eigenen Rot-Kreuz-Flaggen hissen. Über die Vorgeschichten revolutionsähnlicher Massentumulte und massierter Angriffe auf Herrschaftsarchitektur (Amtsgebäude, Warenhäuser, Luxustempel) muss nicht nachgedacht werden, dagegen gibt es Polizei, auch in Truppenstärke, und die Lebensräume der Oberschicht sind längst als Hochsicherheitszonen strukturiert. Wer zugeschaut hat, mit welcher Affengeschwindigkeit der jüdische Limes in Palästina hochgezogen wurde, weiß wie man deutsche Millionärsdörfer auf Dauer schützt, und natürlich ist das hiesige Prekariat unfähig, von seinen ostberliner Plattenbaubasen aus den Grunewald mit hausgemachten Raketen zu beschießen. Worauf sich die Westberliner Bildungsverweigerer mit Migrationshintergründen gegebenenfalls verstünden, sollten wir nicht erst dann entdecken, wenn Paris an allen Ecken brennt. Vielleicht googlen Sie mal, was die deutschen Städter im WK II unter „Christbäumen“ verstanden? Ein gesundes Erwachen im Neuen Jahr möge uns vergönnt sein – Kruzitürken und Halleluja! 
 

Alle Statements auf einen Blick:

Volk ohne Traum
Der türkische Alpdruck und die verschnarchte Demokratie
Nightmare USA und wir Schäfchenzähler Germania sucht Gralsritter
Ahoi, Arche Nova! 
Los der Arbeit oder endlich ausschlafen
Traumatamtam
Gute Nacht!
Schwarzer Schlaf
Liebe Nachtwächter!
Stimmen aus der Urne
Stille Nacht
Tränen und Krumen
Im Schlafe kotzen
Der Feind unterm Bett

Nach Sonnenuntergang
Frag würdig!
Bella Leitfigura
Frauen und Kinder zuerst
Fliegeralarm
Ein Hermelin aus Tempelhof
Deutschland, ein Herbstmärchen
Gott ist Atheist
Wetterbericht
Böse Buben
Was glotzt Du?
Oscar der Observer
In memoriam 8.Mai 1945
Ein starker Mann
Übern Damm
Der Fall Eva H.
Esra und andere
Belegtes Brot

Der Rentner im Tschibuk
Märzwehen
Jugendsünden (1)
Jugendsünden (2)
Jugendsünden (3) 
Sportimportexportweltmeister
Tschingderassassabumbum
Der Preis des Friedens
Stinkegeld
Froileins to the front?!
Man träumt Deutsch
Wir wunden Kinder (1)
Wir wunden Kinder (2)
Wir wunden Kinder (3)
Denkmalsdeutsch
Mann oder Frau?
Deutschlandplan (A)
Wahllos in Mainhattan
Heldengedenktag
Wir Weihnachtsmänner
Das wahre Leben
Addio Africa!?
Unter Schneemenschen
Osterbotschaft
Fass ohne Hoden
Roter Westen
Masse Mensch I
Masse Mensch II
Von alter Leidkultur


Abendlanddämmerung
Gedichte mit Röntgenbildern des Autors
 


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