
Engländer und Franzosen nennen ihn bis heute den »Great War« oder »Grande
Guerre«, ein seltsamer Euphemismus für die so genannte Urkatastrophe des 20.
Jahrhunderts, die beiden Nationen nicht nur eine halbe Generation junger
Männer gekostet hat, sondern längst auch ihren Großmachtstatus.
In Deutschland dagegen, das zwar seither die Hälfte seines Territoriums
eingebüsst hat, nichts aber von seiner ökonomischen Potenz, könnte man den
Ersten Weltkrieg durchaus auch den vergessenen Krieg nennen. Überwiegt doch
hierzulande immer noch die Erinnerung an Hitlers Krieg, den man zuletzt im
eigenen Lande hatte führen müssen. Doch Abhilfe ist in Sicht.
Die deutsche Gedenkwelle zum Ersten Weltkrieg rauscht inzwischen ungedämpft
auf die Lesergemeinde zu und aus den üppig bestückten Auslagen der Buchläden
blicken uns, mal herausfordernd, mal verlegen, feldgraue Landser unter viel
zu großen Helmen an, mit Gesichtern, die viel zu schnell alt geworden sind.
Kaum ein Verlagshaus hat es versäumt, nach Möglichkeit seinen
renommiertesten Autoren in das publizistische Gefecht zu schicken, nachdem
es Christopher Clarks Monumentalwerk schlafwandelnd geschafft, wochenlang
den Spitzenplatz auf der Bestsellerliste für Sachbücher zu besetzen, um
Fritz Fischers alte These vom deutschen »Griff nach der Weltmacht« endgültig
zu beerdigen.
Längst ist die historiografische Deutung des militärischen
Megaereignisses fest in der Hand der »Zivilsten«. Der so genannte culturel turn in den Geschichtswissenschaften hat die soften Themen
in den Vordergrund gerückt und den alten Feldherrnhügel verwaist
zurückgelassen.
Statt großer Entschlüsse, kühner Operationen und strategischer
Kalkulationen stehen nun Leben und Leiden der Soldaten oder das Hungern der
Daheimgebliebenen auf der publizistischen Agenda. Wem das nicht
reicht, der wird vielleicht auch zur »Hamburger Qualitätspresse«
greifen, wo immer wieder gern bedeutungsvoll von den beängstigenden
Parallelen zwischen 1914 und der aktuellen Lage in Europa geraunt
wird.
Tatsächlich hätten bei nüchterner Betrachtung der ökonomischen
Bilanzen die Völker Europas oder das, was von ihnen noch übrig ist,
heute sogar mehr Gründe, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen als
1914. Ein wenig Nervenkitzel darf also durchaus sein, zumal, wenn
man dabei übersieht, dass die Millionenheere, die im Sommer 1914 im
minutiösen Takt der Eisenbahnen an die Fronten strömten, inzwischen
durch weit bescheidenere Patchwork-Streitkräfte mit multinationalen
integrierten Stäben ersetzt wurden.
Klaus-Jürgen Bremm
Bücher zum Thema:
Ein
Palimpsest des Großen Krieges
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Artikel lesen
Mit der Herausgabe der historisch-kritischen Ausgabe
von Ernst Jüngers
Epoche machendem Kriegsroman
»In Stahlgewittern« legt uns Helmuth
Kiesel eine literaturgeschichtliche Arbeit par excellence vor.
»Kiesels klare Sprache, die gut verständliche Kontextualisierung und
seine akribische Aufarbeitung des Jünger-Textes machen das Buch ohne Zweifel
zu einem echten Leseerlebnis.«
Provokation
für die postheroische Gesellschaft
Von Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Ernst
Jüngers Kriegstagebücher 1914-1918 als Protokolle aus einer fragmentierten Welt.
Alte Gegensätze aus der Welt
des Friedens rücken plötzlich ganz dicht aneinander: Sensibilisierung und
Verrohung, Abstoßung und Faszination, Erschütterung und Abstumpfung. Alle
Erfahrungen treffen ihre Protagonisten mit unmittelbarer Wucht.
Ein
polykratisches Chaos
Von
Klaus-Jürgen Bremm
Artikel
lesen
Christopher
Clarks Monumentalwerk »Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten
Weltkrieg zog«, dessen Facettenreichtum hier nur angedeutet werden kann,
muss als ein Meilenstein einer neuen Sicht auf die zum Ausbruch des
Ersten Weltkriegs führenden Ereignisse gewertet werden.
Leseprobe
Eine
vielschichtige Gesamtschau
Von
Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Jörn Leonhards Geschichte des Ersten Weltkriegs »Die Büchse der
Pandora«
ist eine lohnende Lektüre in der Flut der Weltkriegsliteratur.
Der Weg
zum großen Zivilisationsbruch war durchaus nicht vorgezeichnet. Doch was
genau gab den Ausschlag, dass es gleichwohl dazu kam?
Leseprobe
Ein
ermüdender und ungeordneter Aufguss
Von Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Ernst Pipers Versuch einer Kulturgeschichte des Ersten Weltkrieges
»Nacht über Europa«
»Pipers Darstellung der Kriegsdiskurse erweist sich schnell als
ermüdende Aneinanderreihung von Kurzbiogrammen mit mehr oder weniger
ausführlichen Werkzitationen, nur scheinbar geordnet von einer Gliederung,
die sich als unentschiedener Mix aus chronologischen und systematischen
Elementen präsentiert.«
»Blutmühle«
statt »Durchbruch
über die Bande«
Von Klaus-Jürgen Bremm
Artikel
lesen
Olaf Jessen analysiert die »Urschlacht des
Jahrhunderts« - Verdun 1916.
Leseprobe
Jessens Schlachtenpanorama ist aus verschiedenen Perspektiven
zusammengesetzt. Besonderes Augenmerk richtet er dabei jedoch auf die
Abläufe in den beteiligten deutschen Stäben. Die Generäle sind sein
zentrales Thema, auch wenn die Landserperspektive keineswegs zu kurz kommt.
»Die
Begeisterung des Schlachtviehs für seine Metzger«
Von Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Der Österreichiche Historiker Anton Holzer hat 130 Fotos
aus dem
Bildarchiv der Österreichischen
Nationalbibliothek
mit Texten von Karl Kraus' Drama »Die letzten Tage der
Menschheit« angereichert.
Von
Loyalität und Rebellion
Von
Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Adam Hochschilds faszinierende Geschichte über
den Untergang des Alten Europa im Ersten Weltkrieg 1914-1918.
»Wie war es möglich, dass gebildete
Menschen in sämtlichen beteiligten Staaten, die als Linke oder Liberale oft
noch zutiefst dem Gedanken der internationalen Solidarität verpflichtet
schienen, bis auf wenige Ausnahmen in den ersten Augusttagen des Jahres 1914
die Seite wechselten,...«
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Henning Ritter
Die Schreie der Verwundeten
Versuch über die Grausamkeit
Obwohl die Menschheit immer aufgeklärter wird, nimmt die
Grausamkeit nicht ab. Im Gegenteil. Der Terror wird zum
Begleiter der Moderne, und die Kriege produzieren eine neue
Gleichgültigkeit des Tötens. Henning Ritter, einer der
brillantesten Essayisten unserer Zeit, schildert in diesem
Band die Zwiesprache von Grausamkeit und Mitleid, die zur
Signatur eines ganzen Zeitalters geworden ist.
Leseprobe
C. H. Beck |
Größenwahn
und Rohheit
Von
Gregor Keuschnig
Artikel lesen
Herfried Münklers Buch »Der Grosse Krieg – Die Welt 1914-1918« und Ernst
Pipers »Nacht über Europa«
Obwohl Münklers
Buch aufgrund einer komplexen Gesamtdarstellung des Krieges straffer geführt
wird, hat man bis auf die genannten Ausnahmen verblüffenderweise nicht den
Eindruck, dass man durch die zum Teil in additivem Stil verfassten Essays
Pipers wesentlich mehr erfährt. Münkler schafft es mit seiner überlegenen
Kühle mehr den Leser aufzurütteln, als Piper mit seinem zuweilen arg
moralisierenden Duktus.
Literarische
Auslese
Von Klaus Wolff
Artikel lesen
Ȇber den
Feldern« bietet 70 Texte aus 16 Sprachen 100 Jahre nach
Ausbruch des Ersten Weltkriegs!
Wer nach
gültiger Literatur zum Einstieg in den historischen Komplex
des Ersten Weltkrieges sucht, der ist mit diesem Kanon
bestens ausgestattet.
Leseprobe
Ein
bebildertes Märchenbuch
Von Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Hans Magenschab und »Der Grosse Krieg«.
»Man mag es Magenschab noch am ehesten nachsehen, dass er
die untergehende Doppelmonarchie und ihre Vertreter fast
schon sentimental in einem milden Abendlicht präsentiert,
während er ihren deutschen Verbündeten gern als
'aristokratischen Kriegerstaat' bezeichnet.«
Kein
großes Finale, sondern »ein stiller Tod«
Von
Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Manfred Rauchensteiners packendes Panorama vom Ende der
Habsburgermonarchie ist eine
historiographische Meisterleistung.
»Der
Krieg wurde herbeigeführt, mehr noch, er wurde entfesselt.
Und Österreich Ungarn war es, das die Fesseln löste.«
Eine
Kriegsgeschichte
Von Lothar Struck
Artikel lesen
Martin van Crevelds Chronik der
»Gesichter des Krieges« von 1900
bis heute.
»Auch wenn einem bei der Lektüre manchmal der Atem stockt,
und sich neben Zustimmung gelegentlich heftiger Widerspruch
regt – lohnend und in höchstem Maße anregend ist die Lektüre
allemal.«
Leseprobe
Grandioses
Panorama
Von
Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Philipp Bloms
mitreißende Inszenierung europäischer Geschichte »Der
taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914«.
Bloms beeindruckende Arbeit
lässt den Leser noch einmal nachvollziehen, warum der
Kriegsausbruch 1914 von vielen Menschen damals als Befreiung
aus einer zunehmend mit Skepsis betrachteten Zukunft
empfunden wurde.
Ein
unverantwortliches Kalkül
Von Klaus-Jürgen
Bremm
Artikel lesen
Gerhard Hirschfeld
und
Gerd Krumeich über
Deutschlands
Rolle im Ersten Weltkrieg.
»Eine sachliche und
gut lesbare Darstellung des Krieges aus rein deutscher
Sicht, wobei fallweise auch auf alliierte Verhältnisse
eingegangen wird.«
Leseprobe
Weder
Schönheit noch Schrecken
Von Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
»Eine Geschichte des Ersten
Weltkrieges erzählt
in neunzehn Kapiteln.« Eine unterhaltsame Kollage
von Einzelschicksalen.
Dass der Erste Weltkrieg sich nicht auf Schützengräben und
Trommelfeuer reduzieren lässt, war auch einer Forschung
schon längst klar, die inzwischen auch die übrigen
Kriegsschauplätze vermehrt in ihren Fokus genommen hat.
Der deutlichste Mangel seines Buches liegt aber wohl darin,
dass es Englund versäumt, das präsentierte Panorama von
Erfahrungen in einen größeren Kontext der Forschung
einzuordnen.

Fehlerhaft und widersprüchlich
Von
Klaus-Jürgen Bremm
Artikel lesen
Guido Knopps Bilanz des Ersten
Weltkrieges in Bildern.
»... ein
wirklicher Nutzen dieser Publikation aus der Knoppschen
Historikerwerkstatt ist eigentlich nicht zu erkennen.«
 Wilhelm
II. letzter deutscher Kaiser
Von Michael Knoll
Vielem wird im
Super-Gedenkjahr 2009 gedacht, einem historischen Ereignis
jedoch nicht: Dem 150. Geburtstag des letzten deutschen
Kaisers Wilhelm II. Historisch aufgearbeitet wird er sehr
wohl. Bereits 2008 erschienen Monographien zweier
anerkannter Historiker in zwei renommierten Verlagen:
»Wilhelm II – Der Weg in den Abgrund
1900-1911« von John C. G. Röhl sowie
»Wilhelm II – Die Herschaft des letzten
deutschen Kaisers« von Christopher Clark.
Der
Mann ohne Eigenschaften
Walther Rathenau als Phänotyp seiner Epoche
Artikel lesen
Von Klaus-Jürgen Bremm
»Der
Autor skizziert das Bild einer Persönlichkeit, der sich wie
viele in seiner Generation nicht allein von den glänzenden
Leistungen ihrer Väter emanzipieren wollte, sondern auch
gegen den plumpen Wilhelminismus der Hochbürokratie,
Militärs und Großagrarier mit ihren auftrumpfend-hohlen
Lebensäußerungen engagiert Stellung bezog.«
Leseprobe
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