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Magazin für Verrisse aller Art
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SZ-Literaturbeilage: Verriss III (Genazino, Basse, Auffermann)Wilhelm Genazino über Jürgen Becker
Michael Basse über Joachim SartoriusWir bleiben bei der Poesie, genauer gesagt, bei der Poetik. Michael Basses Beitrag ist insofern brauchbar, als er dem Leser das besprochene Buch nicht vollkommen widerwärtig macht. Allerdings ist sein Thema schon fast Esoterik: ein rezensentischer Aufguß von Reflektionen über Poesie. Da gibt es ohnehin nur ein paar Sonderlinge, die sich dafür interessieren. Und bei denen könnte der Rezensent nicht viel verderben. Es handelt sich also um ein Randgebiet, das ein freier Mitarbeiter beackern darf, der sich für derlei undankbare, weil wenig Ruhm und Glanz einbringende Nebenaufgaben wohl erst jüngst qualifiziert hat bei der Süddeutschen. Aber - die Prophezeiung wagen wir - man wird ihm bald größere Aufgaben antragen. Noch hat er nicht ganz die professorale Verquastheit der Branchengroßen erreicht, doch er arbeitet erkennbar daran (kommt im Moment noch mit eher kurzen, nicht übermäßig ambitionierten und daher für unsereins halbwegs verständlichen Sätzen aus).Eine andere, künftigen Großkritikern unverzichtbare Disziplin dagegen berherrscht Herr Basse bereits tadellos: das latentente, bei Bedarf auch ungeniert offene Wissensgestrunze ("von Else Lasker-Schüler bis Marina Zwetajewa, von Baudelaire bis Mandelstamm"). Einer, dessen Urteil über Literatur nicht einem, sagen wir, unverbildeten Empfindungsvermögen entspringt, sondern einer Ansammlung literaturtheoretischer Kategorien, die er sich auf obskure Weise (autodidaktisch oder akademisch) angeeignet hat, so einer ist sich seiner Sache naturgemäß stets unsicher. Und deshalb beruft er sich nur allzu gern auf einen Kanon branchenweit anerkannten, sogenannten Wissens, damit derselbe seinen zweifelhaften Ausführungen wenn schon nicht Glaubwürdigkeit, so doch einen gewissen Ehrfurchtsfaktor und damit Anschein von Seriosität verleihe. Und damit sind wir bei der eigentlichen Krux des gemeinen deutschen Kritikers: das händeringende Lechzen nach Seriosität oder sagen wir anders: das Vorherrschen völliger Humorlosigkeit. Auch hier schlägt Herr Basse nicht aus der Art. Literaturkritiker, das weiß jeder, der denken kann, sind Scharlatane und zwar durch und durch. Wenn sie ihren Job gut machen, spielen sie mit Denk- und Deutungsmöglichkeiten und machen das auch - wenigstens zwischen den Zeilen - kenntlich. Achtung: Spiel! Wenn sie ihre Arbeit schlecht tun, dann liefern sie großspurige, besserwisserische Traktate ab, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Achtung: großer Zampano! Der letzteren Spezies paßt der Scharlatan überhaupt nicht ins Selbstbild. Das erwartet man nicht anders bei gutdeutschen Kulturschaffenden. Deshalb eben verstecken diese Herrschaften ihn, den Scharlatan, vor dem Blick des Lesers hinter verschärft seriösem Gebaren - und blamieren sich damit bis auf die Knochen. Wer Ernst nur für Ernst hält und Spiel nur für Spiel, der hat die ganze Sache nicht verstanden. Verena Auffermann über Tanja DückersDamit die Damen des Gewerbes, das hier auf dem Prüfstand steht, nicht völlig ungeschoren davonkommen, zum guten Schluß eine Bemerkung zu der von uns hochgeschätzten Frau Auffermann. Ihre Besprechung macht enorm Lust auf das Buch. Offenbar gegen den Willen der Rezensentin, denn sie findet das Erstlingswerk komplett mißlungen, hält es allenfalls für eine brauchbare Materialsammlung. Der eigentliche Roman müsse erst noch geschrieben werden. Zugleich jedoch gerät ihr die Wiedergabe der Geschichte derart lebendig und inspiriert, daß man unweigerlich schließt, sie habe bei der Lektüre starke Eindrücke empfangen, die sich in ihrer Kritik 'durchdrücken', obwohl sie finster entschlossen ist, kein gutes Haar an den Schreibkünsten der Tanja Dückers zu lassen. Man kommt nun nicht umhin zu mutmaßen, daß Frau Auffermanns Bewertung reine Willkür, oder sagen wir vornehmer: von außerliterarischen Erwägungen geleitet, ist. Und welche könnten das sein? Man schaut das abgedruckte Bild der Autorin an und stellt sich im Vergleich Frau Auffermann als eine in Kritikerdiensten ergraute, vielleicht noch nicht alte, aber den Zenit schon überschritten habende Frau vor, die es schlicht und einfach nicht aushält, daß Tanja Dückers tausendmal schöner ist, hundertmal jünger und einen zehnmal besseren Roman geschrieben hat als sie ihn selbst in ihren besten Tagen hingekriegt hätte. Das hält sie nicht aus, sagen wir, und macht deshalb die Schöne recht ätzend nieder. Soviel zum Hohlwort 'Frauensolidarität', denken wir uns und denken zugleich, das wir hier ziemlich chauvinistische Gedanken wälzen, uns aber anders, Verzeihung, die Diskrepanzen in Frau Auffermanns Buchbesprechung beim besten Willen nicht erklären können.Pater Ralf de Frikassee
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