AUSGABE 3 August 1999
Akzente 2/99: Verriss III (alle anderen)
Die armen Prosaisten: Birgitt Vanderbecke, Kathrin Rögalla, Ralf Bönt, Arno
Geiger, Ulrike Draesner, Annegret Held - eine Sammelrezension.
Man kann nicht genug darüber staunen, wie homogen die
literarischen Texte dieser Akzentenummer sind (Lyrik ausgeklammert). Die im
Vorwort angegebene Zielsetzung (kein beliebiges Samplen, aber auch keine
Dominanz von Einzelpositionen) ist voll erreicht. Ob es gerechtfertigt ist, bei
diesem Ergebnis von "Topographie der jüngeren Literaturgeneration" zu sprechen,
darf mit Fug bezweifelt werden. Dazu gehörte gewißlich eine 'regionale' Vielfalt
- um im Bild zu bleiben. Die hier präsentierten Damen und Herren Autoren
indessen scheinen allesamt einunddenselben Geisteslandstrich zu bevölkern, und
zwar einen, der so flach ist wie das Münsterland, wo man freitags schon sieht,
wer sonntags zu Besuch kommt. Dieser günstige Umstand macht es mir möglich, alle
Beteiligten weitestgehend über einen Kamm zu scheren, ohne dem einzelnen allzu
grobes Unrecht zu tun.
Keine Frage, die Leute können schreiben, wie man
so sagt, und zwar in dem Sinn, daß sie in der Lage sind, nette, knitterfreie
Sätzchen zu Papier zu bringen. Und mit diesen Sätzchen stricken sie putzige
Geschichtlein über das Leben im allgemeinen unter besonderer Berücksichtigung
von Beziehungskistenaspekten im Zeitalter medialer Vernetzung. Letzteres kommt
allerdings eher selten vor und wenn, dann nur am Rande. Die Stories durchzieht
ein Duft von Altklugheit, Daseinsüberdruß und Kunstambition. An sich ganz
ansprechend, sollte man meinen. Das Dumme ist nur: Man glaubt irgendwie, es mit
den preisgekrönten Schlußarbeiten des 'Creative-Writing'-Kurses der
Volkshochschule Altomünster, Abteilung Unterzeitelbach, zu tun zu haben. Auf
völlig belanglose Weise gelungen - so möchte man diese Werke bezeichnen.
Exerzitien in Kunstherstellung. Und für 'künstlerisch' halten die Damen und
Herren Schreiber - hierin den Essayisten verwandt - vorzugsweise das
Verschwommene, das raunend Angedeutete, das weihevoll im Unbestimmten Gehaltene.
Immer das alte Lied: Wem es an klaren Gedanken gebricht, der flüchtet sich in
rhetorisches Nebelwerfen und verklärt sein Versagen durch gediegenen Gestus zu
schwerbedeutsamer Hochkultur. (Diese 'Arbeitstechnik' enttäuscht uns vor allem
bei Ralf Bönt, der in 'Icks' gezeigt hat, daß er auch anders kann.)
Das
eigentliche Elend ist, daß solche Jungs und Mädels, bei denen sich das dringende
Bedürfnis, a bißl Künstler zu sein, mit einer gewissen Wortfertigkeit paart (die
aber über das vorgenannte Motiv hinaus für ihr Schreiben kein weiteres haben,
jedenfalls kann ich keines erkennen), ...daß diese Mädels und Jungs auf
kongeniale Lektoren, Herausgeber, Preisgremien und Verleger treffen mit der
fatalen Folge, daß alle Kanäle mit ihren gnadenlos langweiligen, uninspirierten
Syntho-Machwerken verstopft sind - und der Leser kann schaun, wo er bleibt. Wenn
das die maßgebliche neue deutsche Literatur sein soll, dann gute Nacht.
Fritz Gimpl
AUSGABE 3 August 1999
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