Lit-Ex Literaturmagazin




aktuelle Ausgabe (... work in progress)
archivierte Ausgaben
Inhaltsübersicht aller Artikel







 

Magazin für Verrisse aller Art     Archiv

Herausgegeben von Dieter Conen & Hadi Eberhard

   




AUSGABE 3    August 1999

Zeitgeschehen: BMW-Drama - Die Rolle von Reizle & Ruge


Aus der Entfernung hört man dies: Wolfgang Reizle sei von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat nicht akzeptiert worden als Vorstandsvorsitzender, auch nach mehreren Sitzungsstunden nicht. Keine Chance. Also kehrte der Mann mannhaft den Mann heraus und bat gleich ganz um seine Entlassung, haute empört in den Sack also, wollte in dem undankbaren Laden keine Minute länger bleiben. Was glauben die denn, wer die sind, diese Malochertypen!

Man fragt sich natürlich, wie es sowas geben kann, daß einer absolut nicht gewollt ist von denen, über die er dann das Sagen hätte. Nun haben wir darüber keine anderen Informationen als ein paar Fotos von dem Mann, ein paar dürre Hinweise aus den Zeitngskommentaren ('Show man', Golfspieler), und wir wissen, daß er eine Freundin namens Nina Ruge hat, TV-Moderatorin, die uns am Bildschirm immer wieder aufgefallen ist ob ihrer markant femininen Züge und der schmierseifenhaften Art ihres vor der Kamera entfalteten Charmes. Unecht!, unecht! hat es uns immer wieder von der Mattscheibe herunter angebrüllt.

Aus diesen wenigen Indizien gilt es nun, eine schlüssige Erklärung zu stricken für das Geschehen beim bayerischen Autobauer. Retropolieren ist die Methode der Wahl, Rückschließen vom optischen Eindruck auf das Wesen der Person, ähnlich schwierig zu bewerkstelligen wie die Rekonstruktion eines Neandertalerschädels anhand eines Schläfenknochenbruchstücks. Aber nicht unmöglich.

Man hat den 'Super-Manager' inzwischen, wie gesagt, mehrfach abgebildet gesehen, mal im Restaurant in Begleitung seiner Holden, recht indigniert und nur mit äußerster Mühe beherrscht wegen des unbotmäßigen Knipsangriffs auf die Privatsphäre, mal in Gesellschaft von Pischetsrieder mit der Lesebrille konzernlenkermäßig auf der Charakternase und sich des Fotografiertwerdens gar nicht bewußt oder dasselbe gekonnt ignorierend. Stets exquisit gekleidet, der Mann, eine Note (oder zwei) eleganter als der Durchschnittsvorständler: silbrig-seidiges Schimmern seiner Anzüge. Topakkurater Müntefering-Haarschnitt und immer dieses Errol-Flynn-Bärtchen, mit dem offenbar dem breitflächigen Angesicht inmitten der beginnenden Teigigkeit ein Anflug von Markanz verliehen werden soll. Sehr bedachtsam wird dieser Mann sprechen, vielleicht druckreif formulieren mit der latenten Unduldsamkeit des hochmögenden Geistes, der dem Gegenüber in den wenigsten Fällen ein Folgenkönnen zutraut. Die Stimme, so denken wir es uns, knarrt hin und wieder vor Herablassung, insbesondere dann, wenn er auf Renitenz trifft, die in Beschränktheit wurzelt statt in Einsicht in die Zusammenhänge. Das ist bei Arbeitnehmern jeder Couleur fast immer der Fall. Herr Dr. Reizle kanzelt nicht lautstark ab, sondern mit verhaltener, von Verachtung durcheister Stimme, die dem Getadelten durch Mark und Bein geht und ihn um Jahre zurückwirft in der Entwicklung eines halbwegs tragfähigen Selbstwertgefühls.

Zugang zum anderen Geschlecht hat der Mann keinen außer jenem, den ihm seine atemberaubende Position verschafft. Er braucht zum Anknüpfen einer 'Beziehung' die Initiative einer Frau mit enormer, geradezu verzehrender Geltungssucht. Die muß sich rabiat eindrängen in die hermetische Welt des sozial völlig ungeübten und inkompetenten Hochleistungsproblemlösers - um dann im Akkord die Publicity-Früchte ihres Coups zu ernten. In Nina Ruge hat er diese Person offenbar gefunden. Wir erinnern uns in dem Zusammenhang einer flüchtigen Begegnung mit dieser Dame: Draußen in Unterföring, beim ZDF, zog sie - wir erkannten sie unzweifelhaft auf dem Beifahrersitz - an einem sommerlich milden Samstagabend in einem Cabriolet (vermutlich BMW-Roadster) an uns vorüber. Raus aus dem Studio, rein ins Weekendtreiben, daß einer wie ihr, bekannt aus Film, Funk und Fernsehen und akklamierte Schönheit, nur so zu Füßen liegen würde. In diesem einen Moment, als sie auf gleicher Höhe mit uns Daherradelnden war und die blonde Mähne affektiert in den Fahrtwind warf, einen Ausdruck im stark geschminkten Gesicht, der von der Befriedigung sprach, Nina Ruge zu sein und kein kümmerlich hinkrebsender, unansehnlicher Radfahrer, der es zu nichts bringen würde in seinem Leben und dabei die Frechheit besaß, Verkehrshindernis zu sein, das ihr zügiges Fortkommen ins Samstagsabendglück für zwei Sekunden behinderte - in diesem Moment fanden wir sie aufgeblasen und selbstverliebt bis an die Grenze zum Dachschaden. Und wir sahen in ihrer aufgesetzten Freundlichkeit vor der Kamera nur die Vorzeigeseite einer hochneurotischen Person, die um jeden Preis ins Rampenlicht drängt. Hinter der telegenen Apartheit spürten wir schlimmste Allüren durch, die übelsten Launen, die nicht zuletzt dem ewigen Kohldampf entsprangen, so dachten wir, den dieses klapperdürre Geschöpf andauernd schiebt wegen all der Schönheitsdiäten, durch die es sich quält.

Wenn sich das alles so verhielte, wie wir mutmaßen, dann könnte es eine Erklärung für das Ergebnis der Aufsichtsratssitzung sein.


Sal Baader





AUSGABE 3    August 1999


INHALTSVERZEICHNIS: