Impressum І Mediadaten І Letzte Aktualisierung: 01.04.2011, 10:01 |
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Volk ohne Traum |
Gegelte und Geölte Wenn es in den Sagen und Epen der Völker stupende Gemeinsamkeiten gibt, so sind es vor allem die Vorzüge der heldenhaften Protagonisten: Jung, fesch und forsch. Während Schurken und Ränkeschmiede durchaus Charaktermasken tragen dürfen und damit dem „richtigen Leben“ nahe kommen, sind die herausragenden Recken dem jeweiligen Schönheitsideal entsprechende Lichtgestalten, weit entfernt von der seinerzeitigen Realität einäugiger, hinkender oder hakenarmiger Muskelmänner mit Narbengesichtern. Und weil es bis zur cinematographischen Umsetzung oft nur mündlich überlieferte Heldengesänge waren, werden weiterhin Klischees gepflegt, deren heutige Version uns Phantombilder vorgibt, welche zu 75% auf Karl Theodor von und zu Guttenberg passten, insbesondere das Faktum seiner Familiengeschichte, denn natürlich waren alle Weißen Ritter edlen Geblütes oder gar göttlicher Abkunft. Starb dazumal der Auserkorene vor dem entscheidenden Waffengang (o.ä.) unter dubiosen Umständen, so lebte er alsbald in der Legende fort. Seit ich Leser und Zuschauer bin, sucht mein Volk weiterhin nach der idealen Besetzung für vakante oder fehlbesetzte Führungspositionen, und seit unsere virtuellen Vor-Bilder zum Greifen nah ins Haus kommen, fällt das Wählerwohlwollen naturgemäß eher auf Chefärzte, Oberförster und Ratespielführer, denn auf die im selben Medium präsenten Politiker. James Dean war noch keinen Monat tot, da wurde er zum ersten Mal hinter der getönten Panzerglasscheibe einer Schweizer Schönheitsklinik fotografiert, mehr Mull als Mascara; später sorgte der „Elvis lebt!“ – Circus vor allem für seine weltweit nach zehntausenden zählenden Imitatoren. Neu war dieser Wiedererweckungsrummel nicht: Jesus wurde nicht nur nach der Kreuzabnahme lebend gesehen und gehört, im christlichen Volksglauben wandert der Heiland nach Belieben auf Erden und zeigt sich Auserwählten, Unfallopfern und Verfolgten. Real missfielen und missfallen weiterhin jüdische oder pseudojüdische Messiasse den orthodoxen Rabbinern; Reformjuden äußern weniger Berührungsängste. Besonders beliebt waren zu allen Zeiten falsche Thronanwärter, falsche Alleinerben ferner Landstriche, echte entrechtete Königskinder und Überlebende von Revolutionswirren (z.B. die erst nach ihrem Tode amtlich entlarvte Zarentochter Anastasija Anderson alias Popolski). Und natürlich haben immer wieder falsche Früchtchen diverser echter Cäsaren und Oberbefehlshaber für Bewegung im Boulevardblätterwald gesorgt, egal, ob die angezeigten Erzeuger Sexisten waren wie Stalin, Mao und Mussolini oder Sexmuffel wie Hitler und de Gaulle. Alle diese obskurantischen und abenteuerlichen Karrieren haben gemeinsam, dass die handelnden Hauptpersonen zwar falsche oder unglaubwürdige „Angaben zur Person“ machten, aber zumeist keine unmittelbaren Bereicherungsabsichten verfolgten, wie sie Heiratsschwindlern und Hochstaplern (d.h. gerichtsnotorischen Betrügern) selbstverständlich sind. Allein aus der von ihnen behaupteten Herkunft und der demgemäß beanspruchten Anerkennung waren gesellschaftliche und materielle Vorteile zu erwarten, und natürlich waren diese Dunkelmänner und Halbweltdamen von Anfang an alleinverantwortliche Schicksalsregisseure, denen nicht nur Legionen Zeitungsleser und Märchenstundenzuhörer Glauben schenkten oder ihnen gar als Gläubige folgten, sondern es standen ihnen auch die Bewahrer und Beschützer legitimer Interessen und Besitzstände, die Inhaber anerkannter Titel wachsam und wehrhaft gegenüber. Auf dieser Seite stand zu Guttenberg, bis er sich des von ihm verbumfiedelten Doctors entledigte. Seine Freunde und Fans – insbesondere die weiblichen! – sind mehrheitlich keine Politik-Experten und Ahnenforscher, schon eher Menschen mit einem Blick für Maßklamotten und Gebisspflege und Farbfilme. Kann es sein, dass weder die Nachläufer des Eselreiters Jehoshua, noch die Mitläufer des Adolf von Braunau oder die ungezählten kleinbürgerlichen Opfer von Finanzhaien es jemals genauer wissen wollen, was die Maschmeyers ihnen verheißen?
Vom
Beginn ihres geistigen Erwachens an müssen Kinder ihren Eltern vertrauen,
einschließlich aller Lebenslügen, Buchfälschungen und Renommistereien; selbiges
gilt nicht für Türdrücker, ungeliebte Vorgesetzte und Schwiegereltern. Wer als
Intimus eines Strebers dessen Aufstieg zu Ruhm und optimalem Einfluss
begünstigt und begleitet hat, weiß wie unbehaglich man als Mitwissender lebt;
wer einer Ehescheidung entgegensieht, wird die Zweischneidigkeit von Großmut,
Gleichmut und Komplizenschaft in einer Paarbeziehung kläglichst kennenlernen,
vom schändlichen Scheitern geschäftlicher Partnerschaften nicht zu reden, und
stets begannen die meisten dieser Beziehungen mit gefeierter Kameradschaft,
Freundschaft, Liebe. Klar, zur Untreue gehören zwei, ggf. ein Mann und mehrere
Frauen oder ein Chef und seine Firma, aber ein ganzes Volk kann sich nicht
irren! Wirklich nicht? Nein, aber es kann sich angesichts eines Totalschadens
mehrheitlich dumm stellen, womit die öffentliche Affäre ihres Idols und seiner
Anbeterschaft sich wieder in der Ausgangslage befände: Auf dem Marktplatz von
Kelkheim oder Kairo. Seit gestern (11.3.11) beherrschen die ökologischen
Nachbeben in Japan und das militärisch-politische Standhalten der Familie
Gaddafi unsere Nachrichtenmedien derart, dass man auf eine absonderliche Weise
beruhigt sein kann: Solange das Desaster im Fernen Osten und die Bürgerkriege in
Afrika von keinen anderen Schreckensmeldungen überboten werden und wir uns keine
verlässlicheren Lagebilder verschaffen können, kann man sich getrost von der
geopolitischen Weltkarte abwenden und nachvollziehen, wie die gefechtsfernen
Europäer im Zweiten Weltkrieg definitiv dazu verdonnert waren, das
„Völkerringen“ auszusitzen vor ihren Radiogeräten, bis die Sieger über sie kamen
als solche oder solche und schlussendlich als Atombomber über die unbelehrbaren
Liebhaber des Kamikaze und des Harakiri. Selbstzufriedener kann Deutschland
derzeit kaum sein, selbstsicherer nur im Traume. Die große Pleite kommt
bestimmt! (Carlo Cato) |
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