Volk ohne Traum

Ein Statement
von Uve Schmidt |
Rechts, wo mein
Herzschrittmacher...
Theoretisch steht der erste
nukleare Zweikampf der Weltgeschichte kurz bevor, doch was will man machen,
außer die Zusicherung der Bundeskanzlerin abzunicken, dass „falls Israel zu
seiner Verteidigung Raketen benötigt, wir sie umgehend liefern werden“.
Tatsächlich liefern wir längstens jede Menge dessen, was Israel auch für einen
Erstschlag gut gebrauchen kann, denn jeder Angriff muss strategisch gestützt
werden, z.B. mit submarinen Atomwaffenträgern MADE IN GERMANY. Um die Sicherheit
koscherer Speisehäuser kümmert sich unsere Polizei im Rahmen des Objektschutzes
israelitischer Institutionen; Imbißstuben und Obststände betreiben die hiesigen
Juden nicht nennenswert, Hosenbeinabschneidereien (€ 5.-) gleich gar nicht.
Dennoch steht unser aller Feind unverändert rechts, d.h. Netanjahu und
Ahmadinedschad müssten sich eigentlich sehr gut verstehen, wenn es um Vorlieben
wie Staatsreligion, Nationalismus, Großraumdenken, Volksbewaffnung und
Geschichtsmystik, Erwähltheitswahn und die gemeinsame Urmutter Asia geht. De
facto treffen diese Anmaßungen und Altlasten auch auf alle echten Großmächte zu,
woran man erkennt, dass Kanada und Indien noch nicht und die europäischen
Großmächte nicht mehr dazugehören. Und weil wie immer in weltpolitischen
Krisenzeiten die Nationalismuskarte sticht, kann derzeit durchaus von virulenten
Richtungswenden gesprochen werden (z.B. in Ungarn, Schottland, Griechenland, USA),
nur nicht in Deutschland, denn DIE LINKE ist zu schwachbrüstig und die NPD zu
schwachsinnig. Trotzdem erwecken unsere Innenminister und Menschenkettensprecher
den Eindruck, unsere rechten Rasselbanden seien entschlossen und imstande, eine
Nacht der langen Messer auf die andere folgen zu lassen oder fähig,
diesmal wirklich den Reichstag abzufackeln, wofür seinerzeit ein (1) furchtloser
Internationalist genügte.
Natürlich kann der Brävste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn
nicht gefällt, und deshalb wird es weiterhin individuelle und kollektive
Gewaltakte geben innerhalb ethnisch, konfessionell und ökonomisch
gegensätzlicher Gesellschaften, insbesondere dann, wenn eingefleischte
Integrationsprobleme fortbestehen; einen militanten Rechtsruck müssen wir
erst befürchten, wenn eine Bundesbehörde die Deutschen Schützenvereine zwingen
sollte, sich künftig an den jeweiligen GAY PARADES mit Formationen oder
Schauwagen zu beteiligen oder andersrum. Weshalb diese Hysterie, wem nützt das?
Offenbar dem Buchhandel, den Periodika, den Feuilletons und anderen Medien,
denen Sarrazins verdächtiges Schweigen anscheinend den letzten Nerv raubt, zumal
seit Wulff weg ist vom Panzerglasfenster. Oder weshalb musste man dem jüngsten
Junggesellenroman Christian Krachts gleichsam gewaltsam Aura & Ludergeruch eines
Braunen Buches (pardon, Meister Löns!) verpassen, um es an die Spitze der
SPIEGEL - Bestsellerliste zu katapultieren?
Dass der deutsche Schweizer Bürger,
Millionenerbe und Schriftsteller, Globetrotter und Editeur, Sonny Boy und
schwarzes Böcklein seiner Klasse am literarischen Leben dergestalt teilnimmt, in
angemessenen Abständen mittelstarke epische Prosa zu veröffentlichen, derer die
Aufmerksamkeit der Rezensenten schon deshalb gewiss ist, weil Kracht kein
lorbeertiger Dichter, kein packender Romancier, kein verzaubernder Erzähler oder
häuserfüllender Bühnenautor ist, sondern eine Art Oblomow mit Düsentrieb und
Platincard – das ist sein selbstgewähltes Großes Los.
Georg Diez, ein Kollege und Generationsgefährte, hat nun neulich im SPIEGEL (Nr.
7/2012) Krachts Neuling zum Anlass genommen, das gesamte zuvor erschienene
Kracht –Opus genauer zu untersuchen und siehe da: „ Krachts Helden sind mehr und
mehr Getriebene, die sich totalitären politischen Systemen unterwerfen oder
selbst menschenvernichtende Utopien schaffen. Krachts Koordinaten waren immer
Vernichtung und Erlösung; er platzierte sich damit sehr bewusst außerhalb des
demokratischen Diskurses.“ Und zum Schluss seiner ebenso glasklaren wie
rauchgeschwängerten Bestandsaufnahme heißt es: „Was also will Christian Kracht?
Er ist der Türsteher der rechten Gedanken.“ Aus diesem Diktum wurde (in der
Version Gedankengut) im Nu ein geflügeltes Schmähwort und das Stichwort
für wochenlange kollegiale Proteste und Leserkontroversen, was in Anbetracht der
bundesweiten NSU-Debatte (Causa Dönermorde) wie der todernste Versuch erscheint,
den deutschsprachigen Kulturbetrieb einer Neoentnazifizierung zu
unterziehen. Statt eines geeigneten Messers zum Öffnen virginischer oder
verklebter Buchseiten verlangt Diez nach der Schere im Kopf und das hat uns
gerade noch gefehlt. Wer sich belügen, blenden, berauschen, vergiften oder nur
desinformieren will, benötigt kein rechtslastiges Gedankengut. Retuschierte
Geschichtsbilder, Falschmeldungen, Volksmärchen und Allmachtsphantasien liefern
uns die Unterhaltungsmedien aller Ausrichtungen nonstop ohne jede vorauseilende
Reue oder den Warnzusatz: LESEN, GUCKEN UND ZUHÖREN KANN TÖDLICH SEIN! Natürlich
können Konsumenten die tägliche Fernsehkost, das Yellow Press Food und diverse
werbliche Nahrungszusätze überleben, doch keineswegs unbeschadet; selbst mental
und intellektuell gefestigte Personen, denen es gelingt, sich dem Mediensog zu
entziehen, schaffen es nur mit Hilfe wesensfremden Abwehrzaubers, mittels
Verachtung nämlich. Was die Fernsehverächter wappnet, ist nicht nur der eine
oder andere genehme Programmpunkt, die Sparte ihrer Wahl, welche sie vom
Prollpublikum und den Spießern unterscheidet, sondern ihr definitives
Desinteresse an 75% der Sendemasse, weil sie ihre Freizeit für andere Interessen
und Aufgaben benötigen, sie ergo auch keine Zeit & Muße haben, sich
diesbezüglich zu erklären oder um abzuklären, was ZDF und ARD, ARTE und PHÖNIX
und etliche der Privaten sich dabei denken, uns dauernd mit Nazi-Reminiszenzen
zuzuschütten, Dokuverschnitt in Endloswiederholungen, wobei die Zeitzeugen, die
Opfer und die Ruinen zwar den Vortritt haben, die tollsten Auftritte jedoch
Hitler und die Seinen. Klar, es geht um Einschaltquoten, ebenso, wie Kracht kühn
kalkuliert, was er für seine Leibstandarte DER FREUND tun kann, PR-mäßig auf
Weltniveau. Ansonsten keine Harald-Schmidt-Show ohne verschmitzte Brauntöne und
das periodische Führergastspiel via Maskerade, Fotomontage, Witzbild, etwa so
oft wie die Covers von STERN und SPIEGEL. Dass die aktiven Antifaschisten, der
Zentralrat und die einstigen Kriegsgegner dann vorbeugend unsre führenden
Magazine aufkaufen, wagt man kaum zu befürchten…
Eine eindeutige Denunziation
Krachts ist Diez nicht anzulasten, der Türsteher-Vorwurf eher eine Lachnummer,
wollte man sich den schmalschultrigen, feinnervigen Kracht in einer
Rotlicht-Meile vorstellen. Bleibt die Frage, was „rechte Gedanken“ für Gefahren
bergen, wenn „rechtes Denken“ von Diez einerseits als bürgerliche Altlast
hingenommen wird, die freisinnige
Jeunesse doreé
zwischen Blankenese und Berner Oberland, Ammersee und Aspen indes nicht spielen
darf wie eh und je gewohnt, d.h. nicht nur mit goldenen Förmchen auf Sylt,
sondern mit feldgrauen Kochgeschirren im Schottischen Hochmoor. Das ist das Eine
und Kracht genießt es klammheimlich. Einen größeren Freundschaftsdienst als die
dank der hamburgischen Intelligenzblätter und illustrer Schmetterlingsnetzwerke
hervorgerufenen Beistandsbekundungen und Ephebenschutzreflexe könnte Kracht
garnicht gebrauchen, um von den echten Rechten gekauft zu werden als Verfasser
des IMPERIUM, denn dessen Lektüre ist gänzlich unbekömmlich für homophobe
Saumägen. Das Andere ist die zu ziehende Lehre aus diesem Stück
Einzelkindbeschimpfung: Was, bitte sehr, ist rechtes Denken, wenn
es nicht das ist, was wir uns abgewöhnen sollen?! Diez zitiert den Kollegen
Thomas Assheuer, darauf zu antworten, von A-Z: „Antiamerikanisch,
antiindividualistisch, antimodern, freiheitsfeindlich, nihilistisch, totalitär,
zivilisationsfeindlich“. Gut zu wissen, dass antisemitisch, antikommunistisch,
antikapitalistisch, antidemokratisch, antifeministisch und religionsfeindlich
nicht dazugehören, es sei denn, Assheuer würde alle diese Aversionen unter
Antiamerikanismus subsumieren, da es in den USA sogar noch eine kleine legale
KPA (o.s.ä.) gibt, aber was sollen unsere LINKEn davon halten, viele GRÜNE,
große Teile der CDU und SPD , welche sich diese Etiketten niemals anhefteten,
selbst wenn es statthaft oder opportun wäre, weil man/frau zwar so fühlt, aber
aus Nächstenliebe, Parteiräson und/oder Bequemlichkeit sich letztlich mit der
Blutrache im Heimkino bescheidet? Für die Diezbrüder als ZEITgeistgenossenschaft
kommt eh erst das feine Futtern und dann die Moral, und wem solche
libertinistische Seelsorglichkeit obliegt, der muss keine rechten Rüpel & Rächer
fürchten, denn antiamerikanisch sind die nicht!
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Alle Statements auf einen Blick:
Volk ohne Traum
Der türkische Alpdruck und die verschnarchte Demokratie
Nightmare USA und wir Schäfchenzähler
Germania sucht Gralsritter
Ahoi, Arche Nova!
Los der Arbeit oder endlich ausschlafen
Traumatamtam
Gute Nacht!
Schwarzer Schlaf
Liebe Nachtwächter!
Stimmen
aus der Urne
Stille Nacht
Tränen und
Krumen
Im Schlafe kotzen
Der Feind unterm Bett
Nach
Sonnenuntergang
Frag würdig!
Bella Leitfigura
Frauen und Kinder zuerst
Fliegeralarm
Ein
Hermelin aus Tempelhof
Deutschland,
ein Herbstmärchen
Gott ist Atheist
Wetterbericht
Böse
Buben
Was glotzt Du?
Oscar
der Observer
In
memoriam 8.Mai 1945
Ein starker Mann
Übern Damm
Der Fall Eva H.
Esra und andere
Belegtes Brot
Der Rentner im Tschibuk
Märzwehen
Jugendsünden (1)
Jugendsünden (2)
Jugendsünden (3)
Sportimportexportweltmeister
Tschingderassassabumbum
Der Preis des Friedens
Stinkegeld
Froileins to the
front?!
Man träumt Deutsch
Wir wunden Kinder (1)
Wir wunden Kinder (2)
Wir wunden Kinder (3)
Denkmalsdeutsch
Mann oder Frau?
Deutschlandplan (A)
Wahllos in Mainhattan
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wahre Leben
Addio Africa!?
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Osterbotschaft
Fass ohne Hoden
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Von alter Leidkultur
Friede sei mit uns
Patria o Muerte (1)
Patria o Muerte ! (2)
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Gegelte und Geölte
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Unter Vollidioten
Schwere Wetter
Christnachtgedanken
Nichts sei umsonst
... der werfe den ersten Schuh
Schimpf und Schande
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mit Röntgenbildern des Autors
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