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Letzte Aktualisierung:
30.04.2012, 07:27
Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Volk ohne Traum |
Tabu la Rasa Wiederholt hatten diverse Medien gemutmaßt, dass die Tage nach Ostern oder vor Pfingsten einen günstigen Zeitpunkt böten, den Iran mit einem Luftschlag gegen seine Atomanlagen zu überraschen. Grass hielt das wohl für eine ferngesteuerte Presse-Finte, um konkrete Angriffspläne zu verschleiern und Teheran zu testen, dito das Verhalten der Weltöffentlichkeit. Gleichwohl blieb die Befürchtung, dass es in nächster Zeit passieren könnte und diese Sorge mobilisierte ihn als Interventen des Wortes; ziviles Störfeuer nannte man das einstens. Grass ist weder naiv, noch ein egozentrischer Feuerkopf; er hoffte zumindest in der deutschen Öffentlichkeit das Protestpotential der Wutbürger und Ostermarschierer von den Nachtflughäfen, Atommeilern und Tankstellen auf die Startbahnen im Nahen Osten zu lenken, schwerlich, um auch noch Friedensnobelpreisträger zu werden. Doch warum auch nicht? Ein löbliches Anliegen in leider liederlicher Ausführung, denn mit der Deklarierung seines Textes als „Gedicht“ bot er den Gegnern dieser Initiative (und vielen heimlichen Grasshassern) peinliche Blößen. Obwohl keiner seiner Widersprechs, Beschimpfer und Verleumder das Gedicht als dichterische Arbeit ernsthaft beurteilte, ließ sich das m.E. vorgebliche Poem als solches trefflich gegen ihn verwenden, zumindest für ein unpolitisches und kunstfernes Publikum mit Ressentiments gegen weltberühmte Pfeifenraucher und linke Bohemiens; ein schnörkelloser Aufruf hätte zu seriösen Reaktionen verpflichtet. Bis zur Stunde (19.4., 22:30) haben sich die meisten VIP-Kollegen, Literaturbetriebsleiter und Meinungsvermittler diesbezüglich der Stimme, bzw. des geschriebenen Wortes enthalten, einiges deutet daraufhin, dass der Fall Grass (FAZ) sich wie die Causa Wulff (stern) zu einem dankbaren Dauerbrenner, quasi dem Unartwort der Saison entwickelt, wobei es leider noch zu keinerlei konstruktiven Reaktionen und weiterführenden Interventionen deutschsprachiger Kriegsgegner aller Sparten gekommen ist und absehbar nicht kommen wird, weil G.G. letztlich doch der Wahlkampfinspirator der SPD zu sein scheint und als solcher vermutlich kaltgestellt wird. Was gesagt werden muss ist das Ergebnis von „Das musste mal gesagt werden“, floskelhafter Auftakt oder Abschluss von Standpunktdurchsagen, welche sowohl der dramatischen Aufwertung von Binsenweisheiten dienen wie der Selbstschutzversicherung vor Publikum, etwa so wie Pinkeln am Wegesrand, falls man dem Verdacht auf Inkontinenz vorbeugen möchte, was so oder so nicht verhindert, hernach als „alte Sau“ durchs Dorf getrieben zu werden, wie es G.G. geschah. In der Tat sind Aktionen à la Grass zumeist echte Alleingänge, sieht man von Intimi oder unerlässlichen Helfern ab, welche außer Verlässlichkeit nichts einbringen müssen. Man schätzt, dass täglich etwa ein Drittel aller Deutschen versucht ist, als Leserbriefsteller, Internetnutzer und Verbalhelden dem drängenden Anlass nachzugeben, etwas zur Lage, zur Sache, zur Person zu äußern und das nicht nur so knapp wie jene Ostermarschierer mit ihrer Parole GRASS HAT RECHT! Wir wissen weiterhin, dass dieses mitteilungsbedürftige Drittel nicht immer ein Forum und ein Echo findet, dass viele der Mut oder Übermut verlässt und nicht wenige weder moralisch noch intellektuell zuständig sind, wenngleich es gesagt werden muss. Musses denn?
Ja, und mit dem Ziel, eine
möglichst breite und reizbare Öffentlichkeit zu bewegen, sollten solche
Schriftsätze besser unangepasst (unartig) sein, dann zumal, wenn die Thematik
selbst eine äußerst unfreundliche Angelegenheit betrifft. Es muss einmal gesagt
sein, dass in den meisten Ehen und den meisten sozial divergierenden
Hausgemeinschaften die zänkischen Partner und streitsüchtigen Nachbarn auf
unbeirrt korrekte Umgangsformen stets nur mit neuen verschärften Provokationen
und Schikanen reagieren. Der altmodische Euphemismus Völkerstreit für
Krieg würde auf die Konflikte im Vorderen Orient angewendet – in Analogie zum
„Krach im Treppenhaus“ – insofern nicht passen, weil es keine korrekten
Gegenüber gibt: Beide Parteien zahlen sich jede Gemeinheit doppelt zurück und
wehe, wenn Saul und Sven mit Fatima turteln! Darüber hatten sich Buschkowsky &
Co den Mund fusselig geredet, aber erst die nationale Dimensionierung der
Probleme dank Sarrazin zerriss den Schleier des Schönschweigens. Da Grass zum
Rufschaden auch noch den Spott zu ertragen hat, muss er sich (u.v.a.) auch das
Motiv anlasten lassen, er habe es einfach nicht mehr ertragen als praeceptor
germaniae von einem zwangspensionierten Bundesbanker abgelöst worden zu sein
vermittels eines einzigen Dauerumsatzträgers, dessen Titel schon anzeigt, dass
sein Verfasser die deutsche Wohlfahrtsrepublik nicht nur in Frage stellt,
sondern Deutschland womöglich retten könnte. Günter Grass wär’s schon zufrieden,
wenn mit der deutschen Staatsbürgerschaft auch die SPD-Mitgliedschaft erworben
würde. Dennoch hat er Recht, wenn er in den negativen Reaktionen auf sein so
genanntes Gedicht einen Kampagnen-Charakter zu erkennen meint, da „eine gewisse
Gleichschaltung der Medien im Vordergrund steht und die Weigerung, auf den
Inhalt überhaupt einzugehen“. Ich nennte das lieber einen „auffälligen
Schulterschluss“; in einer Talkshow der ARD einigte man sich auf „eine gewisse
Konformität“, und natürlich wurde überall auf den Inhalt eingegangen, nur wie.
Fast alle redaktionell verantworteten hauseigenen Beiträger, Berichter und
Kommentatoren gefielen sich darin, Grassens konkrete Feststellung und
Fragestellung eindeutig misszuverstehen, perfide zu interpretieren und/oder mit
hanebüchenen Argumenten abzutun. Doch weil es über kurz oder lang am Persischen
Golf krachen wird, können G.G. und seine Getreuen sagen: Wir haben gewarnt! Und
genau das wäre zu wenig des gemeinten Guten. Es wäre freilich einer der echten
Weltgeschichtstreppenwitze, wenn nach dem erfolgten fernen Waffengang allein die
CDU/CSU (plus FDP?) den Siegern ein Glückwunschtelegramm schickte, ausgerechnet
jene Parteien, welche unter ihren ältesten Mitgliedern, Mandatsträgern und
Stammwählern die meisten definitiven Nazis versammeln. Man muss kein Antisemit
sein, um Zweitausendundzwölf das Fürchten zu lernen…
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