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Impressum  І   Mediadaten  І  Letzte Aktualisierung: 09.09.2012, 07:50




 

Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik


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Die menschliche Komödie als work
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Ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

 
 

Volk ohne Traum


Ein Statement
von Uve Schmidt

Unser Gold 

Der Sport stärkt
Arme, Rumpf & Beine,
und bekämpft die Einsamkeit
durch das Leben im Vereine.
                                Ringelnatz

Und als dann der britische Nationale Tonträgertrust das Seine geliefert hatte, ging neben dem Mond über Soho die goldene Himmelsscheibe an Großbritannien für Musik, Choreographie, Bühnenbild, Design und Organisation, und ich musste an jene goldbraunen Zeiten denken, da wir die Weltrangliste anführten und es noch Medaillen gab für Poesie, Komposition und bildende Künste, die sich in konkurrierenden Soli dem Thema Olympia bzw. Sport widmeten als ernsthafte Darbietungen, mitnichten via Varieté der einheimischen Unterhaltungsbranche.
Nun sind im sportlichen Wettkampf erstrittene Gewinne zuallermeist unblutiger und ehrenwerter als Börsenprofite, doch was bringen uns die Spiele seit ihrer Wiederbelebung 1896, was haben sie der Welt essentiell beschert? Frieden keineswegs, aber die Abstrafung politisch suspekter Staaten bzw. Regierungen, Ämterpatronage, Aushöhlung des Amateursstatus, Staatsbürgerschaftsschwindel, verdecktes Doping und Höchstleistungsterror. Und unübersehbar verwandelt sich vor den Augen der Welt das antike hellenische Stadion in eine römische Arena, in welcher bald nicht mehr die Nationen mit der am besten entwickelten Sportkultur und den gescheitesten Trainingsprogrammen obsiegen, sondern die Staaten mit den geringsten Skrupeln und den meisten  Sponsoren.
Dass ein  durch überraschende Bodenschatzfunde reich gewordenes Island  in Zukunft mit einer afro-asiatischen Equipe antritt, befürchte ich nicht, aber Abu Dhabi traue ich alles zu. Doch wie auch immer: Eine Gefährdung des Weltfriedens geht von Coubertin & Co nicht aus, sondern von kriegsbereiten Parteien, denen jeder geeignete Anlass gelegen kommt. Und weil London 2012 zu allem Überfluss an Weltrekorden und Spitzenleistungen der Veranstaltungskunst und – technik auch noch die beinahe unpolitischsten Spiele der neueren Neuzeit bot, kann man eigentlich zufrieden sein, solange die letzten Urinproben nicht das lorbeerumkränzte Ranking kippen. Womit wir wieder zurück nach Berlin schalten, nach München und Frankfurt am Main und zu allen anderen Landesfunkhäusern und Fernsehanstalten, wo statt einiger auffälliger Schwachköpfe aus der Sportreporterriege nun wieder die Fußbälle rollen und die globale Krise weiterhin Fahrt aufnimmt wie ein Berg- und Talrennen, eskortiert von den Medienmannschaften aller Couleur, denen es keineswegs nur um die verbale Belebung dramatischer Durststrecken geht, sondern darum, allweil vor den Siegern im Ziel zu sein, nicht  nur persönlich, sondern als Frontschnauze der Journalistik sowohl für die Abendnachrichten als auch für den Leitartikel der Morgenausgabe, ein moderner Fünfkampf in Strategie, Logistik, Informatik, Taktik und  Opportunismus. Letzterer ist allerdings kein genereller Charakterzug des Berufsstandes, sondern das Gebot der jeweils letzten Redaktionskonferenz, d.h. der unternehmerischen Richtlinienmoral des Hausherrn bzw. der Hausherrin.

Wann und wo immer sich beim Staatsfernsehen eingeladene Chefredakteure, meritenreiche Auslandskorrespondenten und Medienfaktoten zum Meinungsaustausch über die Lage einfinden, fällt irgendwann die Floskel, dass die Krise „alle betrifft, aber nicht alle mit gleicher Härte trifft“,  und dann beeilt man sich unaufgefordert einzuräumen, dass Topjournalisten sehr gut verdienen (und rundum prima abgesichert sind und ihnen ihr umfassendes Insiderwissen zu klugen Dispositionen verhilft  im Rahmen der Früherkenntnis ergo Vorsorge, wie man ergänzen muss). Nun, das ist korrekt und zugleich kokett, also immer etwas peinlich, aber offenbar ein Bedürfnis, und vielleicht knobeln die Damen & Herren vorher aus, wer diesmal das Besserverdienerbekenntnis ablegt „für uns alle hier in der Runde“, die zumeist ein gestreckter Halbkreis ist, und natürlich gibt es auch weniger erfolgreiche  Meinungsmacher, die sich mit einem eigenen Verlagsobjekt oder mit gefakten Fakten ruiniert haben. Gleichwohl erleben wir auf diese Weise das Dilemma von Profis, welche als öffentliche Vordenker und Entwerfer einem gemischten wildfremden Publikum die Welt erklären sollen, was bedeutet, glaubwürdig ein bestimmtes Weltbild zu verkaufen: Ein angeblich öffentlicher Auftrag, dem gleichermaßen Politiker und Staatsbeamte, Lobbyisten und PR-Agenten, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler als Gutachter und Berater, Wehrexperten und Ethiker verpflichtet sind. Und als Basis dieser Volkswillenssimulation sitzen im Bundestag, in den Land- und Kreistagen, in Stadtverordnetenversammlungen und Gemeinderäten frei und allgemein gewählte Männer und Frauen, die ihr Mandat als ihren Job betrachten und nutzen oder als günstige Gelegenheit, sich in ihrem erlernten Hauptberuf zu profilieren oder zum Nutzen ihrer zahlenden Klientel,  ihrer Körperschaften, Kassen, Kraftwerke und Kornkammern gesund zu stoßen.  
„Sich gesundstoßen“ übersetzt der neue DUDEN mit „sich bereichern“;  richtiger schriebe und sagte man „sich sanieren“, ein Handeln, das bestenfalls anderen zugute kommt,  womöglich und nicht zuletzt dem Wahlvolk. Weshalb also sollten diese legitimierten, qualifizierten und respektierten Persönlichkeiten unserer Mißachtung verfallen? Gewiss, auch Lustmörder und kleptomane Hausfrauen können nicht anders, aber sie können sich auch nicht darauf berufen, dass wir sie beauftragt hätten, weil wir selbst als Nichtwähler und Schwarzgucker den demokratischen Budenzauber der manipulierten Meinungsbildung per Kenntnisnahme gestatten. Zufrieden sind wir’s nicht, im Gegenteil, und während die zuständigen Siebengescheiten sich um die Vorhaut streiten, haben die Verfassungsrechtler sich zur Vorwärtsverteidigung entschlossen und stellen, nicht ganz dumm, die Demokratiefrage. Ich stelle sie nicht hier, nicht im stillen Kämmerlein und  nicht im Stammlokal,  diesem Gemeinwesen maskuliner Einkehr, denn die Gretchenfrage der Politik ist weniger teuflisch, als allzumenschlich: Was bringt uns eine Gesellschaftsordnung, die schon namentlich offenbart, dass sie primär symbolisch zu verstehen ist? Die Ablösung der Adelsherrschaft, der Ständeordnung durch Revolutionen und Wahlen führte nur auf dem Papier zur Volksherrschaft, denn Kleinbürger, Arbeiter und Bauern herrschten höchstens über ihre Familien und in der Arbeitswelt über ihnen unterstellte Personen. Herrschte das Volk zufolge Aufruhrs unter Ausnutzung eines nationalen Notstands à la Pariser Kommune, dann maximal nur ein paar Wochen, bis die historischen Herrschaftsverhältnisse wieder im Lot waren. Immerhin: Marx und Engels hatten dazugelernt! Die Plutokraten mussten nur aufpassen, nichts zu verpassen.

Das Dritte Reich und die DDR waren die in der Deutschen Geschichte erstmaligen und einmaligen Diktaturen, in denen bei gleichzeitigem Entzug fast aller bürgerlichen Freiheiten bis zur Aberkennung der Lebensrechte ganzer Volksgruppen (1935-1945) dennoch versucht wurde, dem von NSDAP und SED  objektiviertem Volkswohl optimal gerecht zu werden,  obwohl WK II und Kalter Krieg dafür nicht die besten Bedingungen boten. Dass Hitler seine Kriegsziele 1939 abgeblasen hätte, weil den Deutschen der Status quo nach den Blumenkriegen gefiel und genügte, wäre für ihn rein ökonomisch unmöglich gewesen: Der NS-Staat war pleite. Dass die DDR ohne Sowjetunion und Mauer hätte fortbestehen können, war ebenso illusorisch, denn der totale Staatsbankrott musste nur eingestanden  werden. Das geflügelte Wort, dass unter Hitler oder Honecker „nicht alles schlecht gewesen“ sei,  kann bestritten, aber schwerlich widerlegt werden, solange kein völkerrechtspolitisches Führungszeugnis verlangt wird, sondern allein die mehrheitsfähige Volksmeinung derjenigen gilt, welche die Wirklichkeit längstens erlebt haben. Von daher wissen auch Linke und Liberale, dass die Freiheit de facto der höchsten Güter keines ist, wenn sie gewährt wird von einer weltlichen Macht, welche weder die soziale Grundversorgung, noch den sozialen Frieden garantieren kann, was den deutschen Diktaturen nie sonderlich schwerfiel. Viel mehr verlangen die deutschen Durchschnittsbürger nicht, und natürlich ist den allermeisten Wangs der Mitbürger Wei-Wei  piepegal und selbstverständlich meinen die meisten Russen und Russinnen, dass Pussy Riot viel zu milde bestraft wurde(n). Nur sind China und Russland wehrfähige Riesenreiche mit riesigen Ressourcen, die sich zwar verkalkulieren, aber nicht abschaffen können. Wir hingegen sind keineswegs politikverdrossen, sondern bundesmüde und demokratiesatt, und nichts, was unsre politische Klasse derzeit denkt und designet, kann funktionieren auf dem blutarmen Boden unserer Verfassung.

Von Großbritannien lernen, heißt zunächst ethnozentrisch glauben lernen; unsere Millionen Türken sind nicht unsre Indianer, nicht unsere einstigen Sklaven und Kolonialvölkerschaften, sondern zurückgebliebene Gastarbeiter mit ihren Nachkömmlingen, die ihrerseits andere turkvölkische, kurdische und arabische Landsleute im Gefolge hatten und haben. Ansonsten besteht kein Mangel an afrikanischen und südasiatischen Immigranten und Asylanten. Wir benötigen deshalb keine farbigen Laufwunder und weitere exotische Athleten, gleich garnicht im Breitensport oder in den vormaligen Offizierssportarten, doch wenn das Kokosnusskegeln olympisch wird, begrüßen wir sehr gerne unsre einstigen Untertanen aus Samoa als Clubmitglieder. Und überhaupt: Wie wär’s mit einer Sportbündischen Republik als Gemeinschaftsmodell? Der Gründungsmythos des legendären Turnvaters Jahn könnte unversehrt dem ewigen Eis entnommen werden, ohne Suchtrupps ins Neu-Schwabenland zu entsenden. Frisch, fromm, fröhlich, frei! kündigt keinen falschen Pathos und kein uneinlösliches Versprechen,  wobei fromm für ethisch strebsam steht und frisch für vital und aufgeschlossen. Man lese einmal nach, was der Patriot und Volkserzieher Friedrich Ludwig Jahn damals schrieb und trieb; abzüglich all dessen, was er als protestantisch-preußisches Kind seiner Zeit und glühender Gegner Napoleons (plus dessen Nutznießern) zum heutigen europäisch-demokratischem Mißfallen verfasste, fände ich die Wiedergeburt einer Jahnvolksbewegung allemal sportlicher, ritterlicher, geistvoller und nachhaltiger als die von unserer amtierenden Bundesregierung  zur Staatsidee erhobene Ersatzreligion des fußballbegeisterten Deutschland zu 55 Cent, und deshalb stecken Brüssel und Berlin nicht nur Milliarden in antike Ruinen  doppelten Seins & Sinnes, sondern auch in jeden jugendbewegenden Modekult, damit sie nicht auf andere Gedanken kommen, die Krisenkids…
 

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Alle Statements auf einen Blick:

Volk ohne Traum
Der türkische Alpdruck und die verschnarchte Demokratie
Nightmare USA und wir Schäfchenzähler Germania sucht Gralsritter
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