Die Oberfläche der Fragezeichen
Still aus der Aufführung © Thomas Aurin
Patrick Wildermann hat für den Tagesspiegel an der Berliner Volksbühne eine “munter kreisende Performance-Installation“ gesehen, die Krzystof Garbaczewski derzeit rund um den Monsieur Martial Canterel inszeniert:
„Wer dieser Tausendsassa eigentlich ist? Zunächst mal die Hauptfigur im 1913 erschienenen Roman „Locus Solus“ des französischen Schriftstellers Raymond Roussel. Den hat der junge polnische Regisseur Krzystof Garbaczewski jetzt an der Volksbühne in eine munter kreisende Performance-Installation übersetzt, die sich vor allem der leichten Lesbarkeit entzieht. Was schon mal sehr werktreu ist. Schließlich konnte Roussel zwar jede Menge Fans unter den Surrealisten gewinnen. Bei den Kohärenz-Spießern stießen seine Werke allerdings auf ein „fast allgemeines feindseliges Unverständnis“, wie der Schriftsteller frustriert in seinen Notizen festhielt.
„Locus Solus“ macht da keine Ausnahme. In dem durchaus unzugänglichen Buch führt der rastlos forschende Junggeselle Canterel eine Gruppe Vertrauter durch seinen Park und zeigt ihnen auf sieben Stationen eine Reihe ziemlich verblüffender Skulpturen und Erfindungen. Darunter eine Ramme, die Straßen mit Backenzähnen pflastert.“
»Locus Solus«, ein Wortuniversum, in dem sich der Surrealismus in Literatur und Kunst ankündigt und der Sprache ein neuer Raum eröffnet wird, hat seit seiner Veröffentlichung vor bald einem Jahrhundert nichts von seiner legendären Magie verloren. »Bei mir ist die Phantasie alles«, bekannte Raymond Roussel, er lebte es, er schrieb es – und in »Locus Solus« formt er seine puren Imaginationen zu einem visionären Sprachschauspiel.
»Niemand war so dicht den Geheimnissen auf der Spur, die das menschliche Leben lenken«, schrieb Michel Leiris. André Breton nannte ihn den »größten Magnetiseur der modernen Zeit«, und für Jean Cocteau war er ein »Genie von vollkommener Reinheit«. Zu den Bewunderern gehörten auch Francis Picabia und Marcel Duchamp, Philippe Soupault und Louis Aragon, Robert Desnos, Paul Éluard, André Gide und Marcel Proust, Max Ernst, Salvador Dalí und Michel Foucault oder Jim Jarmusch: »I love Roussel«.
Raymond Roussel: Locus Solus. Die andere Bibliothek, 2012.
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