26. April 1986
Die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986. Ich erfuhr davon bei der Arbeit. Im Radio empfahl man, alle Fenster zu schließen und die Kinder, die draußen spielen, unverzüglich reinzuholen. Meine kleine Tochter, damals 8 Jahre alt, befand sich zu dieser Zeit auf einem Schulausflug im Guttenberger Forst in der Nähe von Würzburg. Ich setzte mich in mein Auto und fuhr hin. Die Sonne schien, es waren die ersten Tage der Kniestrümpfe. Die Kinder spielten auf einer grünen Wiese Völkerball. Meine kleine Tochter, die noch nie eine große Sportlerin war, saß mit ein paar Mädchen auf einer Decke und flocht Grashalme. Ich zog sie hoch, nahm noch ein paar andere Kinder an der Hand und rannte panisch mit ihnen zum Wagen. Haltet euch die Hand vors Gesicht und atmet nicht so viel, schrie ich. Als wir im Wagen saßen, fingen alle Kinder an zu lachen. Ein tolles Spiel, Mama! Fahren wir jetzt nach Hause? Ist der Ausflug vorbei? Meine Tochter gefiel das, es war eine richtige Gaudi! Als ich die Kinder alle abgeliefert hatte, fuhren wir nach Hause. Atemlos rannten wir die Treppe hoch. Ich schloss alle Fenster und versuchte den Rest des Tages, möglichst gelassen und unaufgeregt zu sein. Die Nachrichten kamen damals noch spärlich. Über kurze Verhaltensmaßregeln ging das kaum hinzu. Über mögliche Schäden und was genau auf uns zukommt, konnte nur gemutmaßt werden. Ich saß in meiner kleinen Wohnung und starrte an die Wand. Was machen wir morgen? Wird morgen die Schule geöffnet sein? Wohin gehen wir zum Spielen? Wer sagt uns, was wir essen können? Wie erkläre ich meinem Kind, dass die Wiesen vielleicht kein Spielplatz mehr sind? Rückblickend haben wir einfach weiter gemacht, lange Zeit keine Pilze und kein Wild gegessen, die ersten Wochen nicht draußen gespielt. Ein halbes Jahr später schien alles, als ob es nie geschehen wäre. // Julietta Fix
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