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Volk ohne Traum |
Thoooooooooooooooooor!!! Internationale Fußballmeisterschaften trennen nicht nur die sportliche Spreu vom Weizen, sie scheiden auch die Fans in Mitläufer und Fußballgottgläubige, wobei es sein kann, dass ein Mitläufer von der Sache mehr versteht (Regelwerk, Geschichte, Personalien etc.) als ein „echter Fan“, zu denen ja auch Kinder und Bräute bzw. Ehefrauen sich bekennen, hauptsächlich aber Männer zwischen 16 und 60, die dem Gruppenzwang gehorchen, obwohl sie das Spiel lieber allein guckten auf der Couch (mit Zutaten) oder ein anderes Freizeitvergnügen vorziehen würden, hingegen die hundertprozentigen Anhänger sich sowohl auskennen, als auch allzeit bereit sind zum kollektiven Begeisterungsrausch. Und dann gibt es alle 4 Jahre die WM-Patrioten, Männer und Frauen, Paare und Cliquen, welche ohne besondere Beziehungen zum Fußball und ohne Ahnung von Deutscher Geschichte und Leibeskultur das vaterländische Fass aufmachen, zunächst mal als Fahnen- und Fähnchenfexe. Ja mei – dürfen die das überhaupt? Die Tatsache, dass unsere Nationalfarben auch auf toitschen Titten und gegnerischen Arschbacken mittels Körperschminke straflos präsentiert werden, muss hingenommen werden; wie aber ist die Nationalflagge als Werbeträger zu bewerten, als Tischtuch, Badetextilie oder Mehrzwecktüte? Man gewinnt nicht den Eindruck, die Bundesrepublik Deutschland nutze die FIFA-WM, die Olympiaden und alle internationalen Sportwettkämpfe von Rang zur Vermittlung eines staatsbürgerlichen Verhaltenskodex, zur zwanglosen, aber halbwegs korrekten Patriotisierung, statt dessen dient das hoheitliche Fahnentuch offenbar dem selben Zwecke wie jene roten Fetzen zur Ablenkung männlicher Rindviecher, denn Stiere sind farbenblind und reagieren in Augenhöhe nur auf Bewegungsreize, sie werden also von Wink- und Wedelelementen stimuliert, mitnichten von der Signalfarbe starrer Standarten oder den langen, schweren Tuchbahnen an Zinnen, Firsten und Masten. Man könnte sagen: Schwarzrotgold am Stecken, tut keinen Gegner schrecken! Und somit haben (fast) alle diese unserer frischfröhlich gehandhabten Hoheitszeichen bestenfalls karnevalesken Charakter, mithin keinerlei hochamtliches oder militärisches Gepränge, geschweige einen Hauch von Sturmwarnung. Und natürlich ist der ganze Rummel sozusagen jugendfrei… Seit die multikulturelle BRD – nie ein offizielles Etikett, aber ein Entwurf! – von der Kanzlerin und ihrem Schwesterparteiführer für tot erklärt wurde, müssen wir nicht wirklich umdenken und gleich gar nicht die Tapeten wechseln im deutschen Haus, aber vielleicht mal überlegen, ob die wohlwollende Anwesenheit unseres Bundespräsidenten auf einer Vernissage Udo Lindebergs in der brandenburgischen Pampa die Anerkennung der BUNTEN REPUBLIK DEUTSCHLAND bedeutet, zumal dem Panikrocker zuvor die Ehre zweier Postwertzeichen zuteil wurde, eine noch nie dagewesene Ikonisierung. Nun, bunt ist ja nicht nur das Regenbogenbanner der Schwulenbefreiung, sondern vieler libertärer Bewegungen, ohne eine andere heraldische Geschichte zu haben als ihren jeweiligen Ursprung aus dem Osterhasenmalbuch. Vielleicht machen sich die neuen Rebellen den Regenbogen der Münzerschen Bauernkrieger zu eigen, wenn die protestantische Frühjahrsfurche gezogen wird? Hauptsache, man kehrt nicht bei Anpfiff zurück in die gewohnten Guckkästen, als da sind die Stellplätze des people viewing und unsere Fassadenfenster, wo statt bunter Bettdecken die Flaggen der Völker flattern oder schlappmachen. Allzu bunt geht es dabei eh nicht zu, denn wer nicht mitspielen darf, dürfte auch nicht Flagge zeigen, und wer illegal logiert, macht ungern auf sich aufmerksam. Obwohl Sinti und Roma eine eigene Nationalflagge haben, hängen sie lieber bunte Röcke raus, obwohl die meisten Juden auch Staatsbürger Israels sind, habe ich den Davidstern an Privathäusern nur sehr selten wehen sehen. Afrikaner wohnen möglicherweise überwiegend in Kellern und Hinterhäusern, mit Sicherheit thematisieren sie ihre zweifelhafte Herkunft nicht durch authentische oder angenommene Landesfarben, dito diejenigen, welche aus Schurkenstaaten, Piratenrepubliken und Kriegsgebieten flohen, um hierzulande per se terrorverdächtig zu sein. Und selbstverständlich gibt es viele Deutsche, die schon deshalb nicht flaggen, weil sie mindestens eine (1) falsche Zuordnung scheuen, bzw. befürchten. Ob sie gegebenenfalls im Erdgeschoss einen passenden Tischwimpel hinter die Fensterscheibe stellen, liegt (auch) im Ermessen alternder Hauskatzen…
Als ich das
erste Mal ein Ausland betrat (1955), war es eine dänische Kleinstadt und ich (u.a.)
Gast einer Reformierten Gemeinde. Was mich ad hoc verblüffte, war die von der
Staatsgrenze sich ins Landesinnere fortsetzende reichliche Präsenz des
Danebrog in allen Formaten und Verwendungen, welche seinerzeit den frivolen
Missbrauch ausschlossen und somit auch auf Andenkenkitsch und über jeder
Würstchenbude durchaus nicht unwürdig wirkten. Ich kannte so was nur aus der
DDR, zumeist in Schaufenstern des staatlichen und genossenschaftlichen Handels
etc. sowie als Schmückungen an politischen Feiertagen und als Dauerdeko in
öffentlichen Einrichtungen des SED-Staates. In Westberlin beherrschte der Bär
den öffentlichen Raum bis ins Autobahnnetz jenseits der Zonengrenze, in
Westdeutschland dominierten Stars & Stripes die alliierte Flaggenkonkurrenz und
die adlerlose deutsche Trikolore. Ich gestehe, dass mir die Yankeephilie
deutscher Einzelhändler, Bardamen und Hoteliers einerseits verständlich war (sie
wollten Dollars kassieren), andererseits unverzeihlich, seit die Amis sich in
Indochina einmischten, und drittens empfand ich das Hofieren der US-Touristen
fast ebenso erbärmlich – zumal in Ostberlin! – wie nach Kriegsende die Jagd auf
CAMEL-Kippen vor GI-Klubs und Kasernen. Hab’ ich den schwarzrotgoldnen Faden
verloren? Nicht ganz, solang wir bei der Fahnenstange bleiben, und letztlich hat
der Fußball noch keinen deutschen Bierbrauer oder Rauhfasertapetenhersteller
ruiniert. Das untergegangene Römische Reich indes war kein Wohlfahrtsstaat,
gleichwohl musste man den Plebs mit Brot und Spielen bei Laune halten, denn
Unruhen in Rom schwächten die Verteidigungsfähigkeit der Hauptstadt und damit
das Imperium im Innersten. Wenn in Hamburg bei Nacht private PKWs brennen,
müssen die Alsterstädter die bremische Häme hinnehmen, aber kaum bangen, dass
der Stadtstaat der Anarchie verfiele oder in die Hände britischer Korsaren
geriete. Die Träume der deutschen bürgerlichen Gesellschaft aber dürften in
Zukunft nicht mehr nur von „Schland“ lallenden Nachtgespenstern gestört werden… |
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