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10.12.17
Die Strümpfe bei Hofe
Nick ertappte sich selbst dabei, wie er im Regen saß, und das Schauspiel der fallenden Tropfen beobachtete. Nichts hätte ihn heute abend zurück in seine Kammer gebracht, denn er wollte nicht etwas hören, was nicht gleichzeitig zu beobachten war. Wärst du unsichtbar, mein lieber Regen, ja, auch dann müsste ich mir eine Gestalt für dich ausdenken. Vermutlich würde ich Fingerknöchel nehmen, ich wüßte ja nicht, daß du Wasser bist.
Infernalisches Prasseln. Das Prasseln von Geisterfingern auf den armseligen Behausungen und ... auf dem etwas weniger armseligen Dachstuhl des Schloßes. Was die wohl den ganzen Tag dort treiben? Aufhübschen, abhübschen, hinaus zur Jagd, zurück zur Tafel!
›Lustschloß‹ - dieses Wort gefiel Nick außerordentlich, aber: ob die jetzt auch im Regen hockten? Zeitlos schienen die Herrschaften nie zu sein, alles wirkte geplant und gewichtig, selbst wenn eine der Damen den Strumpf verlor. Das geschah auf merkwürdige Weise. Das Textil löste sich noch im Schuh bereits vom Fuß, krabbelte aus den geschnürten Stiefeln ins Freie, und ließ sich einfach fallen. Meistens verendete der Strumpf im Gehuf der galoppierenden Pferde, so manches Mal aber stürzte sich ein Jüngling gleich hintendrein und brachte das Kunststück fertig, vor dem freiheitlich denkenden Strumpf im Matsch zu landen. Das nützte weder Fuß noch Reiter, aber es gefiel dem Strumpf, denn jetzt durfte er sicher sein, daß er mit Stroh ausgestopft dort aufgehangen wurde, wo die wirklich wichtigen Strümpfe hingen. Das war eine etwas seltsame Galanterie, die womöglich gar nicht so oft vorkam. Aber wenn man, wie Nick, überall Geheimnis und Rätselraunen erblickt, und sei es in einer lächerlichen Pfütze, dann wird die Frage, warum so ein gut umsorgter Strumpf sich selbst entleiben sollte, zur Nebensache; die Hauptfrage blieb: Was ist hier eigentlich los? Hier ist die Welt, und da bin ich - ständig ist alles in Bewegung!
27.11.17
Ocean Avenue 112
Das Haus ist eine Persönlichkeit wie du, wie ich.
Lebt das Haus also in uns, wie wir glauben, in ihm zu leben? Sind unsere Zimmer bewohnbar und ist der Staub der Rest, der von Sekunden übrig blieb? Der Knopf, der noch dort liegt, hat einst geschlossen Jackentaschen gegen Hände, die am Suchen waren. Das ist der Tod, aber er vollzieht sich nicht, bleibt so lang allein, bis er aufgelöst in allem schwimmt, über allem schwebt, seine Larve ist Kaminholz, geschminkt.
Kannst du mich erkennen, auch wenn nichts mehr übrig ist von diesem Ort, nichts mehr übrig ist von diesen Spuren, ausgelegt, um mir zu folgen, in den selben Traum von einer Nacht, schlaflos durchwacht, eine Aubade angestimmt?
Kannst du mich also erkennen, wie ich Jahrhunderte niederlege, tief in das Polster greife, um ein weiteres Stück von mir daraus hervorzuholen? Noch sieht der Tag mich nicht erwachen, sieht dich niemand aus meinem Zimmer kommen. Du könntest bleiben, schließ die Tür. Ich komme aus Feenlanden, dort rührt sich kaum ein Zweig, kein Wasser fließt, kein Brunnen löscht der Erde Durst und mich.
19.11.17
Das Haus der letzten Dinge
Dorn und ich – wir entdeckten das Kerzenlicht nach Mitternacht im oberen Eckfenster, und in einem kurzen Moment die flüchtige Gestalt hinter der schmierigen Scheibe. Das unheimliche Ambiente gemahnte uns zur Vorsicht, denn uns war klar, daß wir zum ersten Mal in unserem Leben einer Geistererscheinung gewahr wurden. Das ruppige und wildwuchernde Gelände durch eine der morschen Zaunlatten zu betreten, wagte wir nicht, denn auch wenn das Gespenst da oben nicht am Fenster schwebte, wäre das Gebäude immer noch als baufällig zu bezeichnen. Als wir da standen und sannen, was zu tun sei, geschah es, daß sich das Fenster öffnete und das im trüben Weiß illuminierte Wesen einen Nachttopf ausleerte. Die Geisterscheiße schwebte nahezu wie eine Feder zu Boden, hob also die Naturgesetze nicht auf, sondern bestätigte, daß auch die Bewohner einer Zwischenwelt sich an gewisse Regeln unseres Planeten zu halten haben.
18.11.17
Äquinoktien
Erzähle mir, wie es den Glocken gelang,
sich in meinem Keller einzuquartieren,
wo doch meistens die Tür abgeschlossen ist.
Die Stadt hat Ruh, doch unser Keller
bebt. Da waren noch alte Sessel, die ich
gerne mit einer Firnis überzogen hätte,
einem Tran aus Unschuld und Hingabe;
dort säßen wir gut, wenn die Tage
kürzer werden. Sie tun es jedoch nicht.
14.11.17
Der Mann im Regen
Ein Mann läuft im Regen herum,
Zwischen Hammerschlägen der Dunkelheit eingefaßt.
Alles ist vage, der Nebel ist vage und schwarz.
Tropfen fallen seitwärts aus der Öffnung,
Vorgesehen, der Zukunft zu entkommen.
Andere Schritte gibt es nicht, nicht jene,
Die lautlos schleichen, auch nicht jene, die
Auf dem Tablett geliefert werden,
Auf dem er Nahrung zu sich nimmt wie Licht.
Die Stadt mehrt sich durch Spiegelung,
Schließt nahtlos dort an, wo alles endete,
Wo jetzt eine ausgeweidete Tanne auf ihre
Beerdigung wartet, Luftschlangen sich
Tarnen als Tang. Die Lippen sind
Fürchterlich anzusehen, geöffnet in einen
Stillen Bereich hinein; dort kam es niemals
Zu einer Begegnung zwischen dem Wunsch,
Das Richtige zu tun, und dem Taxifahrer,
Der den Pfützen ausweicht, der die Welt
Aus Bilderbüchern kennt, deren Texte
Ausradiert wurden, um damit
Anzudeuten, es sei egal.
Ein verbündeter der Schnecken und der
Lokomotiven. Im abgestorbenen Gras
Vergnügen sich die Mücken damit, einen
Kadaver zu besiedeln, eine neue Metropole aus
Dem Nichts oder aus einem gebrochenen Schädel
Heraus. Es wird Zeit, eine Pause zu machen,
Den Hut zu wechseln, die Schuhe allein
Weiter gehen zu lassen. Der eigene Schatten
Überfällt dich in einer unbelebten Seitenstraße
Dieser Welt. Ein Klingelschild läßt ahnen,
Wer einst hier sein Domizil suchte,
Dann aber doch nicht einzog. Der Blitzableiter
Am Bett wehrt manche Träume ergebnislos ab.
Es regnet hier in der Küche durch das Loch im Kamin.
Schwarze Tropfen, die du als Tinte verwenden
Wirst, wenn du eines Tages aufschreibst,
Was das alles soll.
10.11.17
Die wütende Stimme
Der Mann am Nebentisch fiel ihm auf. Er paßte überhaupt nicht in das Bild, das er von diesem Restaurant hatte. Verrückte sollten hier keinen Zutritt bekommen. Aber Verrückte bekamen Zutritt. Der Beweis saß an diesem Tisch, eine große Schüssel Austern vor sich, sie er so laut schlürfte, daß sich auch andere Blicke auf ihn setzten. Ein austernschlürfendes Schwein. Was soll's. Was geht es dich überhaupt an? Die Stimme in seinem Inneren wurde lauter, rabiater: Was geht es dich eigentlich an! Seit wann sind wir unter sie Spießer gegangen?! Ein feiner Mensch mit einem noch feineren Urteil bist du, was?! Etwas Besseres! Etwas ganz Besonderes! Laut sagte er: »Moment mal!«
Und auch ihn taxierten jetzt die Blicke der Gäste, denn: Mit wem redet der da eigentlich? Das Schwein mit den Austern? Okay. Man gewöhnt sich an das Geräusch. Ein ordinärer Mensch, zugegeben - aber vielleicht hat er ja ein Problem mit seinem Rachen. Da sollte man nicht zu schnell mit einem Urteil sein. Aber der da ... der hört Stimmen. Sieht man ihm an, unabhängig von seinem kleinen Ausrutscher eben. Die Stimme in Jarolin jedoch steigerte sich bis zum nackten Zorn. Sie beschimpfte ihn jetzt in einer Lautstärke, daß er die Austern nicht mehr schlotzend in dieser tintenfischartigen Höhle verschwinden hörte. Sie brüllte ihn an, daß er ein Versager sei, schon immer gewesen; ein armseliger Wicht, ein Gnomus, ein Einzeller, ein Wirbeltier! Aber damit begnügte sich die Stimme nicht, war jetzt in Rage, zerriß sein Hemd und schlug auf ihn ein, erwischte ihn hart am Unterkiefer. Jarolin glaubte für einen Augenblick, ohnmächtig zu werden, bevor der nächste Schlag ihm die Nase zertrümmerte. Das Blut spritzte in Zeitlupe, dicke Rotzklumpen klatschten auf den Boden.
Erst nachdem Jarolin mit eingeschlagenem Schädel dalag, stand der Austernschlürfer auf, beugte sich mit einem Taschenmesser zu ihm hinunter und schnitt ihm die Leber heraus. Wäre die Kamera geblieben, würden wir Zeuge eines weiteren Festmahls.
08.11.17
Allerlei zu versuchen
achja asfaltschleim, eine bitumie
bergteer, satanspech gegen aller
lei gebrechen (sie gingen die end
lose allee entlang unter den
schwarzen platanen) musik ála
zingarese betäubte die ohren in
ihrem halfter, zum schumann'schen
rotationstachistoskop, mit dem
der umfang der aufmerksamkeit
gemessen werden soll
ist nicht so / daß wir kühlen könnten
ist nicht so / daß wir ober=räubern
abrammen, umtafeln, um tafeln
herum : waffeln / daß wir
ohnsägliches gespür, entrinnen
mimenzwecke im spiegelfleisch
hören wir bitteren fuchsjagden zu
07.11.17
02.11.17
Choks
Die Verstiegenheit, die uns zu Mördern macht,
wie wir noch nie welche gewesen sind,
die wir noch nie in Worte fassen konnten,
die wir noch nie in einem Zug tranken, das
Glas noch am Ast,
der Ast noch im Auge,
das Blut noch im Glas;
diese Verstiegenheit, die sich äußert,
wenn wir Mörder jedweder Art sind.
Die Lichtung ist schwarz, ein Ort der Ekstase, ein
Ballsaal für Wünsche, die sich nicht einschließen lassen,
sich reproduzieren lassen.
Vermehrung ist Auszehrung, hierzulande
Verdoppelung Beliebigkeit muß man müssen,
Der Flaneur, ein Kaleidoskop, das mit
Bewußtsein versehen ist, läßt abklatschen die Gestalt
der offenbarten Dinge.
sonst darf man nicht.
29.10.17
Der 30. Februar des Jahres
Es regnet brossierte Hüte;
wer etwas dafür kann,
sollte jetzt nicht zögern,
die Hand zu heben.
Während die Hände sich erheben,
die Hüte zu fangen,
den eigenen ins Dickicht zu verlagern,
schreibt man Schuldscheine aus.
Es war eine dunkle Hut-Nacht,
die Schreibmaschinen griffelten
von Richtung der Nordwest-Allee.
Wer konnte, aß etwas auf,
sei es eine Vermißtenanzeige,
ein parfümierter Liebesbrief,
der Griff einer Pandora-Büchse,
ein geliehenes Ohr.
Dann setzte man sich unter einen
tapferen Zweig, maß den Umfang
seines Schädels anhand gelesener
Bücher, und probte den letzten
Reim eines verwandten Geistes,
nicht länger als zweihundert Jahre tot.
Die Gasthäuser rollten ihre
Fässer aus den Kellern
"bring out the dead!"
manche nutzten die Zeit bis
zum Aufprall mit dem
Nachspielen eines Horoskops.
Ältere Herrschaften wurden mit
Zöpfen schick gemacht, den
Töchtern abgeschnitten,
auf daß niemand erkennen soll.
Hätte ich noch ein wenig
mehr Zeit, würde ich
über die bahnbrechende
Erfindung der Dorfstraße reden.
So aber bleibt mir nichts
als mich anzuschließen.
22.10.17
Der Schrecken der Reise
Die Schnecke erfährt ihr Tempo hinter vorgehaltener Hand.
Heimlich bekommt sie dafür ein Haus, das wie ein Trichter
Zum Kleinsten und zum Größten hin führt, aber langsam.
Langsamer als die Farben aus Gesichtern rutschen,
Die auf der gleichen Strecke unterwegs sind,
In einem Raum, der abstrakt scheint, mehrteilig,
Wie es die optische Täuschung oft vormacht,
Wenn die Perspektive, von der nun alle reden,
Nicht mehr vorhanden ist, wenn sie dem Ultraschall
Des Gehörten, dem Infrarot der Nacht, durch ihre Wärmepausen weicht.
Dann bleiben gesprochene Worte auf der Strecke liegen,
Keiner kümmert sich um das Gepäck des anderen. Im
Forst sitzen die Tafeln mit den Umsteigemöglichkeiten fest,
Behaupten sich nicht gegen Bäume oder Gräser, haben
Es aufgegeben, die richtige Stelle mit einem X zu
Markieren. Sie werden kaum aufgedeckt, gefunden werden.
Deine Hand leuchtet einen Ballon an, aber auch diese
Geste bringt keine Zeit zurück, die auf der Reise verloren
Ging. Trotzdem folgen die Vögel dem Licht zurück in
Ihre Nester, die jetzt, da sie älter sind, bereits
Vertrocknet und mit eingeworfenen Fenstern einen Tanzsaal
Abstrakter Gerüche bilden.
Nehmen wir auch nur ein einziges Muster fort, hebt sich
Die Distanz bereits wieder auf, alles ist dann nur
Ein einziger Ort, der Trichter der Schnecke zum
Kleinsten, zum Größten hin. Dieses mathematische Rätsel
Schreckt die Reisenden, die wissen, daß sie sich
Nicht mehr bewegen dürfen. Es steht in ihrem Gepäck
Geschrieben, aber auch auf unzähligen Urlaubskarten,
Die an der Wand neben Faltern ihren Platz behaupten.
21.10.17
18.10.17
Der Horcher
Die neuen Tage beginnen nicht so wie die alten enden.
Jemand hat das Interieur verändert, die Kabelage ist
Durch fremde Mauern gezogen, die Venuslampe scheint.
Über unzählige Stufen gepoltert trifft derjenige ein,
Den sie den Horcher nennen. Er steigt aus der Fassade,
Die ihn wie mit einem Fahrstuhl nach oben brachte.
Geweihe zeigen nach Norden, was die natürliche Ansicht unterstreicht.
Zu Boden, sondern in ein dafür installiertes Sicherungsgitter.
Geflohen sind wir längst, nur scheint uns jetzt
Zusätzlich die Sonne ins Gesicht, was die Arbeit sichtlich erschwert.
Die Sätze sind abhängig von den großen Laternen, pausenlos
Ausgespuckte Routine wäre ein Wort dafür, das der Horcher verwendet
hätte.
Ohne Gefühl der Zweckbindung an den Türen vorbeigehen,
Die atmosphärischen Störungen von jenem Weizen zu trennen,
Das nicht in ein Brot fährt, die zarten Verwehungen anzuerkennen,
Ohne Gegenwehr, ohne einen Wimpernschlag in Anspruch zu nehmen.
Selten haben wir unsere Tage wie vorgesehen verbracht,
Ungesehen, Staubteufel auf einem Friedhof in der Nacht.
10.10.17
Stehende Knospen
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Albera Anders; Öl auf Papier, 2009 |
Fortan schlüpften unsere Blüten den Minnesängern gleich aus ihren durchsichtigen, einsichtigen Welten. Der bestäubte Garn vieler Stunden wies ihnen den Weg durch den Kräuterfarn am Teich der irritierenden Gespinste, die mit den Butterfliegen rangen. Von den sanften Teilen ein Teil : das war ihr Begehr; und so drängten sie sich um das Seeufer herum, öffneten ihre Menuette (selbstverständlich im Dreivierteltakt) und zeugten in den Lüften von sich selbst und ihrem artistischen Flappern, der nahen Spule verwandt, nicht aber zu verwechseln mit den Tropfen, die sich vom endlos brausenden Mühlrad trennen. Besagter See ist ein gewisses Heute; unsere Blüten aber sind zeitlos, ein Mantel aus Flügelschlägen sorgt hierfür, genährt von Wiesenträumen. Die Kapriolen der Zinnober-Bürsten erklimmen ihre Wandten, vertanzen mit den Blüten einen gewissen Sommernachmittag. Wir werden uns den Schirm etwas kosten lassen, der uns während des Schauspiels ermöglicht, geschützt und sahnig eingeölt, das Okular auf die richtige Schärfe einzustellen.
Darstellung No. 3
Bild und Zauber: Albera Anders
Text und Traum: Michael Perkampus
08.10.17
NachtSichtGerät
ich könnte einen gebrauchen, der jetzt die Strippe zieht verschwunden ist dann das und auch das Sondermodelle ginge vorbei ginge ganz einfach vorbei Nacht.Sicht.Gerät. : so was von der Welt erfahren so was von ihr hören müssen, also daß die da draußen blödsinnig sind weiß man ja daß die hier einfach auf dem Planeten damit können Sie abgelegt wurden einen Tag erleben (mal schau‘n was aus Ihnen wird) Als Köche wie er verkleidete Polizisten wirklich ist und die fickten dann sagen wir mal die Viecher, die da rumstreunten der Mensch sage ich ist aus Sodomie geworden der Mensch sage ich
07.10.17
06.10.17
Von der Lab zu Tale
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Albera Anders; Mischtechnik, Acryl und Öl, 2009 |
So der schneeweiße Stier zu den Blättern aus Thule:
Ich sagte noch, ich singe nie die Lieder meiner Ahnen. Doch hören wollte keiner, und klamm in meiner Brust mein Donnerherz, ihr kennt es wohl - und flieht, wenn ihr es lauscht. Durch Berge breche, durch Täler ich, durch Steppen gleite, durch Weite ich, und hufe empor und stauche in Wut das Gebirg' zu einem Talisman. Es waren keine Tore mir verschlossen: ich rannte sie ein mit dem Lachen der Gespenster und eroberte mich selbst. Ich diktiere, in deine Kammer dringend, dir die Wege, die ich kam.
So die Handschrift aus Thule zu dem schneeweißen Stier:
Du hast mich gefunden, nicht gesucht, du hast mich gerufen in feurigen Träumen. Ich nehme dein kostbares Blut in meine Seiten hinein, sickerst du in die ruhmvolle Reihe hinab, wird dich das Leben nie mehr durch die Welten jagen, verschwimmst du nur auf meiner Fläche, so fürchte meine Tiefe!
Darstellung No. 2
Bild und Zauber: Albera Anders
Text und Duktus: Michael Perkampus
04.10.17
Schnittmengen
Die Kommunikation ist ein interstellares Lächeln; Zungenzeichen treiben die Boten in die Irre. Es Verschwinden die großen Trübsale, die mit Schweren Trauben behalftert auf der Gegenseite Eine rechtsdrehende Ausfahrt nutzen. Die Blässe Wird vom ausstehenden Teint verursacht, einer Marter, die zu überstehen ist im Gegensatz zur Syphilis, gegen die man an Schulen geimpft Wird, die das Leben als etwas kennen, das Rein zufällig durch den Gärprozeß Ausgelöst wird, den man in Erlenmeyerkolben Nach=brodelt. Man häuft etwas Katzengold An, wenn die Stille überhand zu nehmen Droht, steckt in die Zigarette einen Nagel, Der gegen Mangelerscheinungen hilft, spuckt auf den Boden wie ein Professor, und masturbiert auf Einem Fahrrad während der Sommermonate. Alles in allem ist der Wahnsinn ein abgekartetes Spiel, wo immer die Ampel eine weitere Möglichkeit bereit hält, den Verkehr zu schockieren. Truthahnfett rinnt über schlanke Wege, die Fallen Erhöhen den Einsatz, an Menschenfleisch zu Gelangen. In der Sänfte ein versteckter Dolch. Außerhalb der Sonne tropft ein Vulkan in das Paradies mit den symmetrischen Hörnern unter Dem Haupthaar. Unter einer verbrannten Amsel Entsteht ein neues Einkaufszentrum mit Tiefpreisen Unter Null. Bienen werden beim schwarz=Honigmachen Erwischt. Ihre Strafe soll sein die unbekannte Königin. Allerdings hatte die Strecke auch ihr Gutes, bestand nicht nur aus Kurven und Geraden, Sondern ebenfalls aus einer Hypotenuse, die sich Wie eine Krawatte binden ließ. Als du mich vor Der Kommode entdecktest, war dir anzusehen, daß Du es auf diese Art tun wolltest, die mich zur Legende machen würde. Doch bräuchten wir hierfür nicht Eine Menge Benzin? Meine Taschen waren längst Zugenäht und deine hielten dem stürmischen Beifall Kaum stand. Nur deshalb sprangen wir gemeinsam aus Dem Fenster auf die Markise des Drachentöters. Im Nachhinein hätten wir uns die Schuhe binden Sollen, vielleicht wären wir dann woanders heraus- Gekommen. So aber blieb uns der Trost Des Sommergewitters auf einer Schallplatte.
03.10.17
Eine alte Dame geht aus
Sprecher: Michael Perkampus / Claudia Maulwurf
Manchmal stellte sie das Radio an. Es kam ihr dann so vor, als wäre jemand bei ihr im Raum und spräche sie an. Antworten müßte sie ja nicht, aber sie tat es trotzdem. Oft sagte sie: "Ihnen auch!" Oder: "Das haben Sie wieder einmal fein ausgedrückt!" Sie ging in der ganzen Wohnung umher und betrachtete die Wände, die Figuren auf manchen Regalen, die Teller in der Vitrine. Manchmal gab es im Radio ein Lied, das sie kannte. Das akustische Fenster, das sie davon überzeugte, daß es eine Welt außerhalb ihrer Küche gab. Lange war sie nicht mehr raus gekommen, woher sollte sie also wissen, ob die Straße vor ihrer Haustüre überhaupt noch existierte? Vielleicht war da schon längst eine Autobahn entstanden. Sie hätte televisionieren können, damit kannte sie sich allerdings nicht besonders gut aus; sie wußte nicht, wie man zuschaut, und deshalb gab es für sie nie ein Bild, dem sie hätte folgen können.
Das Radio war die Lebhaftigkeit in Person, darin war die ganze Welt vertreten, sogar das ›Weiße Rauschen‹, das sie sich manchmal ebenfalls einstellte. Und heute - heute wollte sie wieder einmal ausgehen. Dafür hatte sie ihr einziges bestes Kleid im Bügelofen bügeln lassen. Manchmal aber wollte sie Stille. Es kam ihr dann so vor, als sei sie die letzte Überlebende eines großen Irrtums. Dann sagte sie in die Stille hinein: »Ich habe es schließlich gewußt!« Oder: »Es ist schon merkwürdig!« In der Stille hörte sie den Boden an manchen Stellen knarzen. Ab und zu, wenn ihr danach war, küßte sie eine der Wände, anstatt sie nur anzusehen, die Figuren in manchen Regalen. Jetzt aber nahm sie ihr Kleid, zog es an - und auch ihre einzigen besten Schuhe vergaß sie nicht, bevor sie sich ins Bett legte. Im Radio lief ein altes Lied.
02.10.17
Schellack
Sprecher: Michael Perkampus / Claudia Maulwurf / Fafnir Fiedler
»Auch ich möchte wissen, wer Sie sind« sagte sie. Ich ließ sie stehen und ging nach nebenan. Kurz darauf kam sie herein, erschüttert ob meines Verschwindens, aber ich zuckte mit den Schultern, als ich sie so schüchtern stehen sah, das Licht aus dem Nebenraum über ihre Schultern geworfen. Dieses Licht beleuchtete nichts und nahm ihr für einen Augenblick die Ziselierung aus dem Gesicht. »Was tun wir nun? Was fangen wir an?«
»Wir hören uns ein paar Aufnahmen an - Tonband, oder besser: das gute alte Schellack!«
»Die Läuse?« Ihre Augen traten ins Dunkel.
»Ja. Gibt es nicht mehr. Die Platten sind schwer, schmerzen aber wundervoll, wenn man sie auflegt.«
»Sie tun so, als würde ausgerechnet ich Ihnen zuhören.«
»Ich weiß.« Ich fühlte mich ertappt, doch dem durfte man keine Träne nachweinen. Sie stand noch immer im Türfutter. »Schließen Sie doch die Tür, wenn Sie noch etwas bleiben wollen!«
Sie schloß und schloß. "Dann ist die Tür aber für immer geschlossen!"
»Sorgen Sie sich nicht, wir nehmen das Fenster! Allein, dass wir beide diese Atmosphäre teilen - das sehe ich doch richtig? - läßt eine geschlossene Tür alt aussehen.«
»Warum sind Sie vor mir geflüchtet?«
»Sie wollten etwas anderes fragen! Zwingen Sie sich nicht, zu lügen - sagen Sie lieber etwas falsches!«
»Sie meinen, daß ich Sie liebe?«
»Das wäre nicht das erste Mal.«
»Und ich käme auch noch damit zurecht.« Sie lachte kurz auf und setzte sich aufs Bett. Was sie trug, trug sie nur zum Spaß. Es war nicht ihr Stil. Den verbarg sie unter ihrem Mieder. Ich ging zum Grammophon und legte Donegan Lonnie Skiffle unter die Nadel. Rauch stieg auf und sorgte für den Vanillegeruch.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir das Licht einschalten? Ich kann Sie gar nicht sehen« sagte sie.
»Sie wagen sehr viel - tanzen Sie mit mir!«
Sie erhob sich raschelnd und lief im Zimmer hin und her, um mich zu finden. Ich blieb still und wartete, bis sie nach all den Gegenständen, die sie umwarf, endlich gegen mich rempelte. Ich griff schnell zu und walkte ihre Arschbacken, preßte ihren Unterleib an meinen. Ihr Atem veränderte sich. Sie beherrschte das Morsen.
Lang, kurz - kurz, kurz - lang, lang - lang, kurz, kurz - lang, kurz, lang - kurz - kurz, kurz, kurz, kurz: nimm mich!
»Sie atmen vorzüglich« flüsterte ich. »Sie kultivieren Ihren eigenen Slang!« Erst jetzt bemerkte ich, daß sie ihre Zunge verschluckt haben mußte, denn es befand sich keine in ihrem Mund. Sie begann, lasch zu werden, brach unter meinen knetenden Händen zusammen. Es mußte jetzt schnell gehen. Ich sprang zur Tür, riß sie auf und rief: »Ein Notfall!«
Skiffle, der auch auf dem Plattenteller lag, war der erste, der reagierte. Mit wenigen Blicken hatte er sich im Zimmer umgesehen und die Situation erkannt, kniete nun vor ihrem blauen Gesicht und schüttelte den Kopf. Nach und nach strömten auch die anderen herein.
»Sie ist tot« sagte Skiffle mit seinem Kratzen und Rauschen in der Stimme.
»Sie sollten sich auf CD pressen lassen« riet ich ihm.
»Da haben Sie recht. Das werde ich.«
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