Anonymisierte Bewerbungen: Ein Ende der Diskriminierung in Sicht?
Mai08
„Diskriminierung“ – das ist vielleicht etwas scharf formuliert. Mit Sicherheit möchte ich keinem/r Personalverantwortlichen unterstellen, er/sie wäre fremdenfeindlich oder schließe bewusst junge, kinderlose Frauen aus Bewerbungsprozessen aus. Aber unterbewusst spielen eben bei der Auswahl von Bewerbern einige Faktoren eine Rolle – ob man will oder nicht, man wird von den verschiedensten kulturellen Prägungen geleitet. Und die nachteilige Wirkung ausländisch klingender Nachnamen bei Bewerbungen ist wissenschaftlich belegt.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie zweier israelischer Wirtschaftswissenschaftler kam außerdem zu dem Ergebnis, dass Bewerbungen ohne Foto deutlich fairer behandelt werden als Bewerbungen mit Foto. Wenn schon die äußere Erscheinung, die ja mit Qualifikation und Charakter selbst nichts zu tun hat, einen derartigen Einfluss auf den Bewerbungsverlauf nehmen kann, dann verwundert es nicht, dass auch andere Faktoren die Personaler abschrecken könnten. Mit Objektivität hat der Auswahlprozess offensichtlich wenig zu tun.
Abhilfe schaffen könnte die Etablierung anonymisierter Bewerbungen im Recruiting-Prozess. Im November 2010 begann das Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, an welchem renommierte Unternehmen wie die Deutsche Post, L’Oréal und die Telekom teilnahmen. Diese Unternehmen haben den Bewerbungsprozess anonymisiert, um allen Kandidaten eine gleiche, faire Chance zu geben. Die Angaben von Name, Geschlecht, Nationalität, Alter und Familienstand sowie das in Deutschland übliche Foto entfielen.
Das Ergebnis der Studie: Besonders Frauen profitieren von dem anonymisierten Verfahren, insgesamt werden Chancen besser und fairer verteilt. In den an der Studie teilnehmenden Unternehmen haben diese Ergebnisse für Diskussionsstoff gesorgt, ein paar der Unternehmen wollen sogar auch weiterhin Bewerbungsverfahren anonym gestalten.
Jeder Mensch hat gelegentlich Vorurteile im Kopf – daran ist nichts verwerflich. Doch im Sinne einer offenen, toleranten Gesellschaft ohne Diskriminierung sollten wir versuchen, jedem Bewerber die gleichen Möglichkeiten zu eröffnen. Eine Stellenanzeige AGG-konform zu formulieren, um sich im Auswahlprozess dann doch von vorgefassten Meinungen leiten zu lassen, kann und darf nicht unser Anspruch sein.