Melancholie und Hessen
Der Herausgeber des Hessischen Literaturboten Werner Söllner im Vorwort zur November Ausgabe N° 111:
„In Hessen hat der Name Horst Bingel, der in diesem Sommer achtzig Jahre alt geworden wäre, immer noch einen ganz besonderen Ruf. An den streitbaren und dennoch friedfertigen Macher der „Streit-Zeit-Schrift“, an den Poeten und Erzähler will die aktuelle Ausgabe des Literaturboten mit dem Abdruck einiger nachgelassener Gedichte erinnern. Dazu passen die Gedichte von Safiye Can, die, als Kind tscherkessischer Eltern, in Offenbach für die Horst-Bingel-Stiftung sowie als Lyrikerin und Übersetzerin arbeitet. Günter Schwittais absurde Erzählstücke legen Zeugnis von den komisch-spröden Charakteranteilen der Hessen ab, die sie von den Deutschen unterscheiden. In Hessen, in Frankfurt wurde auch Siegfried Kracauer geboren. Er war nicht nur Journalist, Filmtheoretiker und Geschichtsphilosoph, sondern auch begnadeter Erzähler. Schauplatz vieler Abschnitte in seinem Roman „Ginster“ ist Frankfurt; auch deshalb hat ganz Frankfurt im vergangenen Frühjahr den Roman gelesen, den Rolf Wiggershaus als Zeugnis für Kracauers „Kunst der rettenden Desillusionierung“ deutet.
Also: Vielleicht gerade weil Hessen „in der Mitte von Allem“ liegt, schottet es sich nach außen nicht ab. Ganz im Gegenteil – „es legt ein lockeres, freundliches Band“ „um alle (…), die bei sich bleiben dürfen und wollen.“ Ein solches Band legt der Literaturbote jetzt um den Berliner Ralf Portello, um Ulrike Schäfer aus Würzburg und um Rotraud Sarker aus der Nähe von London. Und um alle, die noch kommen mögen.
Und jetzt kein Wort mehr über die Melancholie: „Der November, jener Monat, der die Stadt gleichsam entkleidet und in ihrer ganzen Schönheit zeigt, ohne Ablenkung durch Blätter, Blüten und ähnlich nutzloses Beiwerk, ist zum Erlernen der M. geeignet wie kein anderer.“
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