Realismus negativ
Cover der September-Ausgabe 2015
In der September-Ausgabe von Theater der Zeit ein lesenwerter Essay von Kathrin Röggla über Realismus im Theater:
„Genauso habe ich in meinem Schreiben im Grunde immer nur ansatzweise Ahnung davon, was Realismus ist, kenne vielmehr jede Menge realistische Praktiken, würde zunächst sagen, dass Realismus in der Sprache beginnt, bei den Kommunikationsabläufen, die unsere Welt bestimmen, nach wie vor. Realismus beginnt gleichfalls in den Konstellationen, den Situationen, die man herstellt. Realismus beginnt in den Problemstellungen, den Abstraktionen, den Theoremen, die hinter unseren Vorstellungen von dem, was wir Wirklichkeit nennen, stehen. Realismus beginnt eigentlich immer, und das von allen Seiten, er ist eine permanente Aufforderung, und er ist gleichzeitig als Begriff wahrlich immer schon verbraucht, weil er dieses kurze 20. Jahrhundert wie eine schwere Bürde trägt.“ ….
„Letztendlich gilt es nach wie vor, zwingende Texte zu schreiben, Texte, die ihre Unbedingtheit in sich tragen, die so und nicht anders geschrieben werden konnten. Dieses moderne Rezept lässt sich heute immer noch anwenden. Nur wie kann dieses Zwingende beschrieben werden? Man sagt, es ergibt sich aus einem Zusammenhang vom Formalen mit dem Stofflichen, das Stoffliche ergibt sich möglicherweise aus den vielen Fragestellungen, Kontexten, die es umgeben, und diese wiederum speisen sich aus meiner Bewegung durch und Reflexionsfähigkeit über die Gesellschaft, das heißt aus meinen Widersprüchen. Schriftsteller oder Schriftstellerin sein heißt immer noch, sich selbst auf produktive (das heißt auf eine nicht beliebige, sondern die gesellschaftlichen Zwänge unterlaufende, also widerständige) Weise zu widersprechen – so pathetisch das klingt, es hat auch jede Menge mit Realismus zu tun.“
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