Noir | Polar
Jean Gabin in: Le Jour se lève (Der Tag bricht an), 1939, Marcel Carné (Quelle: Oesterreichisches Filmmuseum)
Andrey Arnolf wagt in der PRESSE einen Blick in die aktuelle Ausstellung im Österreichischen Filmmuseum und zurück auf das französische s/w Krimigenre der 30er bis 60er Jahre:
„Marcel Carnés Klassiker „Le jour se lève“ beginnt mit der Einblendung einer markanten Präambel: „Ein Mann hat getötet. In seinem Zimmer eingeschlossen und belagert besinnt er sich der Umstände, die ihn zum Mörder gemacht haben.“ Der in diesem Vorwort verdichtete Komplex aus Verbrechen, Schuld, Geschichte und Gesellschaft ist emblematisch für eine finster-fatalistische Ader französischer Kunst im historischen Umkreis des Zweiten Weltkriegs, deren dunkles Blut besonders durch populäre Formen von Kino und Literatur zirkulierte. Carnés Film wird der sozial bewussten Strömung des poetischen Realismus zugeordnet, aber ebenso gut könnte man ihn dem rückwirkend geprägten Schirmbegriff „Polar“ unterstellen – ein verkürzter Kosename für den „Roman policier“.
Dieser war (im Unterschied etwa zum britischen Detektivroman) weniger am Wirken der Exekutive und ihren ausführenden Organen interessiert als an den Niederungen und Bewohnern urbaner Unterwelten, weniger an der Auflösung von Kriminalfällen als an ihren Ursachen und den beschädigten Menschen dahinter. Auch das französische Kino stürzte sich furchtlos in tiefschwarze Nächte und seelische Abgründe, als es sich des Genres annahm.“
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