Shitgewitter
Felix Stephan öffnet in einer Besprechung in der ZEIT den Blick auf zeitgenössischen Pranger:
„Eine schwarze Frau hatte sich online beschwert, weil sie sich von einer Behörde aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminierte fühlte, woraufhin das Netz den zuständigen Beamten ausfindig machte und ihn tagelang öffentlich beschimpfte und demütigte. Wenige Tage später veröffentlichte der Beamte eine Stellungnahme, in der es hieß, dass die Frau etwas missverstanden haben musste, dass es jetzt aber eh keine Rolle mehr spiele: Sein Name sei jetzt auf ewig mit der abscheulichsten Sache der Welt verbunden, dem Rassismus, und seine jahrelange, harte Arbeit sei von einem Tag auf den nächsten zunichte gemacht worden. Dann schoss er sich in den Kopf.“
Jon Ronson: In Shitgewittern, Tropen Verlag, Stuttgart 2016.
Jon Ronson beschreibt die irren Mechanismen und Auswirkungen öffentlicher Demütigungen in unserer Zeit. Jahrelang ist er durch die Welt gereist, auf der Suche nach Menschen, die Opfer eines Shitstorms wurden. Diese Menschen sind Leute wie du und ich, die sich einen Fehler erlaubt haben. Sobald ihr Vergehen ans Licht kam, traf sie ein wahrer Sturm der Entrüstung. Ehe sie sich versahen, wurden sie in der Öffentlichkeit auseinandergenommen, ausgelacht, verteufelt und manchmal sogar gefeuert. In unserer Zeit wird die öffentliche Blamage neu erfunden. Die schweigende Mehrheit bekommt eine Stimme. Aber was tun wir mit dieser Stimme? Wir nutzen sie dazu, die Fehler, die wir in unseren Mitmenschen suchen und finden, lauthals zu verkünden.
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