www.dichtung-digital.com/2001/11/30-Wettbewerb

Wettbewerb Literatur.digital 2001
Autoren und Beiträge
- top -

AutorInnen:

Martin Auer

Beitrag:

Messages from the Past

Antworten von:

Martin Auer



Was ist die Spezifik deines Beitrags als ein Beispiel für digitale Literatur?

"Messages from the Past" ist ein digitales Archiv von Botschaften aus der Vergangenheit, oder deren Überresten, die ursprünglich gedruckt, gekritzelt oder geschmiert, jedenfalls in körperlicher Form an konkreten Orten (Hauswänden in Jaffa) sich an eine eng umrissene Öffentlichkeit gewandt haben. User aus späterer Zeit und aus anderen Kulturen stehen vor der Aufgabe, diese Botschaften zu entziffern, wie Linguisten die von Archäologen abgezeichneten, fotografierten oder abgeriebenen Botschaften aus der Vergangenheit zu entziffern versuchen.

1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 - 14 - 15 - 16



Wie kamst du zum Schreiben digitaler Literatur?

Mich haben das WWW und seine Vorläufer (BBS, Compuserve) zunächst als Verbreitungsmedium interessiert. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Büchern, die im Druck erscheinen. Aber da die Verlage nicht alles gewinnbringend verwerten können, interessierte mich die Möglichkeit, auch weniger verkaufsträchtige Arbeiten unter die Leute zu bringen. Die technischen Möglichkeiten - Hypertext, Grafik, Sound, Video, CGI-Programmierung, Flash und so weiter - sind ja erst später dazugekommen.

Und wie verhalten sich für dich dabei dessen verschiedene Sprachen - Wort, Programmierung, Bild - zueinander?

Meine Programmierfähigkeiten sind begrenzt. Trotzdem hat sich mir gezeigt, dass sich im Programm die Struktur, die Dramaturgie des digitalen Kunstwerks niederschlägt. Das Programm bestimmt den Rhythmus, so wie der Schnitt den Rhythmus des Films bestimmt. Aber einen Sinn für elegant programmierte Digitalkunstwerke, die Fähigkeit, in der Programmstruktur die zugrundeliegende Philosophie der Autoren zu erspüren, müssen wir erst entwickeln, so wie wir erst einmal einen Sinn für die Filmsprache entwickeln mussten, um nur ein Beispiel aus jüngerer Zeit anzuführen.

1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 - 14 - 15 - 16



Welche Erfahrungen hast du bei der Produktion digitaler Literatur gemacht?

Mein derzeit wichtigstes Web-Projekt ist formal ein stinknormales Textprojekt: http://www.peaceculture.net. Es ist eine Sammlung von Texten für Kinder und Jugendliche, die den Ursprüngen des Kriegs auf die Spur zu kommen sucht. Das Ungewöhnliche daran ist, dass es ein kollaboratives Projekt geworden ist durch die Mitarbeit von derzeit 20 freiwilligen ÜbersetzerInnen, durch die Mitarbeit von Storytellern, PriesterInnen, SozialarbeiterInnen, Peaceworkern, LehrerInnen, die alle mit den Texten arbeiten und sie weiterverbreiten.

Teil des Projektes sind Diskussionen zwischen dem Autor und den jungen LeserInnen über die Inhalte der Texte, die Teils per Email, teils per Webforum geführt werden. Teil des Projekts ist aber auch der Erfahrungsaustausch zwischen den VermittlerInnen der Texte im Diskussionsforum. Und das alles wird eben durch das Internet vermittelt, per WWW und Email. Bei diesem Projekt bin ich als Autor in ein digitales Netzwerk von VermittlerInnen und LeserInnen eingebunden. Obwohl sich nichts dreht und nichts bewegt, keine Animationen und keine Hypertexte verwendet werden, ist es das "digitalste" meiner Projekte. Und obwohl das digitale Netz hier so bedeutend ist, stehen an den äußeren Punkten des Netzwerks lebendige VermittlerInnen, die die Texte wieder in lebendige Sprache umsetzen, in Erzählung, Predigt, Diskussion, Drama und so weiter.

Wo siehst du die entscheidenden Herausforderungen?

Im notwendigen Teamwork von GestalterInnen und TechnikerInnen: Text, Grafik, Foto, Video, Sprache, Musik, Geräusche und Programmierung müssen zueinander finden, brauchen eine gemeinsame Regie und Dramaturgie. Filmmusik z.B. unterliegt eigenen Gesetzen. Bis jetzt hat sich, glaube ich, noch niemand ernsthafte Gedanken gemacht, wie man Musik - die wir ja ebenso wie Text bislang nur als einen linearen Ablauf in der Zeit kennengelernt ahben - mit den einersets verzweigten und andererseits repetitiven Abläufen in Digitalkunstwerken in Einklang bringt.

Wo lauern die Gefahren?

In der Disharmonie von Gestaltung und Technik. Zuwenig technisches Können ist genauso gefährlich wie Technikverliebtheit.

1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 - 14 - 15 - 16



Wie siehst du die Zukunft der digitalen Literatur und wie siehst du sie für dich speziell?

Die Zukunft digitaler Kunst sehe ich nicht so sehr bei uns Webliteraten. Eher bei Adventure Games und Wirtschaftssimulationen. Ich glaube, dass die Kunst der Zukunft sich mit komplexen gesellschaftlichen Vorgängen befassen wird. Jedenfalls meine ich, dass sie das sollte. Ich wünsche mir zum Beispiel eine spannende, unterhaltsame Wirtschaftssimulation, die sich mit den durch die Globalisierung aufgeworfenen Fragen auseinandersetzt. Derartiges kann ein einzelner Digitalliterat mit dem bisschen Hypertext und Flash, das unsereins so beherscht, natürlich nicht leisten. Solche Projekte brauchen Teamarbeit und Produktionskapital ähnlich wie Filme.

1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 - 14 - 15 - 16



Die AutorInnen/Beiträge 

Martin Auer

cN+ Messages from the Past

go

Nils Ehlert

Jetzt

go

Odile Endres

Gleitzeit {Color: blue}

go

Wolfgang Flür

Neben mir

go

Carola Gueldner

Billard in Amsterdam

go

Dorit Linke

Der Apfel

go

Stefan Maskiewicz

Quadrego

go

Jochen Metzger

Cocktailstories

go

Heiko Paulheim

Die Galerie

go

Julius Raabe

Knittelverse

go

Andreas Louis Seyerlein

Die Callas Box

go

Bernd Gersdorfer, Stefanie Huber
Katharina Pallas, Melanie Schön

Chile-Projekt

go

Michael Kaiser

btong

go

Nika Bertram

Der Kahuna Modus

go

Ursula Menzer

ER/SIE

go

Romana Brunnauer

2 Tote

go

   


Screenshot vom Beitrag

 


home