www.dichtung-digital.com/2001/11/30-Wettbewerb

Wettbewerb Literatur.digital 2001
Autoren und Beiträge
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AutorInnen:

Romana Brunnauer

Beitrag:

2 Tote

Antworten von:

Romana Brunnauer



Was ist die Spezifik deines Beitrags als ein Beispiel für digitale Literatur?

2 Tote bricht mit der Tradition des linearen Erzählens und bindet den Leser interaktiv ein: Er soll seiner Neugierde folgen und ist aufgefordert, sich dabei den Sinn der einzelnen Szenen (bzw. Dialoge) zu erschließen. Die Form des Rätsels gibt dieser Suche ein Ziel.

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Wie kamst du zum Schreiben digitaler Literatur?

Über meinen Broterwerb: Ich arbeite als freiberufliche Autorin für Multimedia-Anwendungen: Lernprogramme, Lernspiele, Museumsanwendungen ... Die interaktive, non-lineare Aufbereitung von Inhalten ist mir also nicht fremd.

In meiner "Freizeit" experimentiere ich schon seit ein paar Jahren mit literarischen Texten für digitale Medien. Bis zum Wettbewerb allerdings nur auf Basis minimaler HTML-Kenntnisse und somit Hypertextstrukturen. Eigenartiger Weise habe ich diese Experimente etwa ein Jahr vor Ausschreibung des Wettbewerbs eingestellt. Abgesehen von ein paar "Insider-Sites" im Internet sah ich keine Plattform dafür und widmete mich wieder dem linearen Erzählen. Umso erfreuter war ich, als ich vom Wettbewerb "Literatur digital" erfuhr.

Wie verhalten sich für dich dabei dessen verschiedene Sprachen - Wort, Programmierung, Bild - zueinander?

Diese Frage war und ist für mich ein großes Problem. Mein Anspruch und meine individuellen Möglichkeiten der Umsetzung driften weit auseinander. Ich bin Autorin und keine Illustratorin, Grafikerin oder gar Programmiererin. Aufgrund meines beruflichen Backgrounds weiß ich zwar, was visuell und programmtechnisch möglich wäre, ich musste mich aber auf die Ausdrucksmittel beschränken, die meine aktuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten erlaubten.

Im Weiteren spreche ich deshalb nicht über meinen Beitrag "2 Tote", sondern über meine Vision, die ich vielleicht für den Wettbewerb 2002 realisieren kann.

Wort, Bild, Ton und (Flash)-Programmierung im Sinne von Animationen sollten sich ergänzen. Jedes Ausdrucksmittel hat eigene Stärken und kann der "digitalen Geschichte" auf seine Weise dienen. Will ich beispielsweise die Tristesse eines Hinterhofes aus subjektiver Sicht einer Figur beschreiben, könnte ich all ihre Eindrücke in Textform auf den Bildschirm bringen. Das Lesen am Bildschirm ermüdet allerdings - und ist auch unnötig! Schöner und dem Medium adäquater wäre in diesem Beispiel die Kombination aus Text, Bild (Foto, Zeichnung, Illustration) und Ton. Der Text beschreibt das, was nicht über das Bild transportiert werden kann (z.B. den Geruch im Hinterhof, die Assoziationen der Figur etc.). Bild und Ton können das unmittelbar ausdrücken, wofür die Sprache weit ausholen müsste. Die Programmierung letztlich setzt alle Elemente in Beziehung zueinander und bringt die Szene in Fluss.

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Welche Erfahrungen hast du bei der Produktion digitaler Literatur gemacht? Wo siehst du die entscheidenden Herausforderungen? Wo lauern die Gefahren?

Um meinen Beitrag 2 Tote annähernd so umsetzen zu können, wie ich wollte, habe ich meine minimalen HTML-Kenntnisse erweitert und Flash gelernt - aus Zeitmangel allerdings nur sehr rudimentär. Gottseidank hat mir ein lieber Freund bei der Programmierung der Grundstruktur geholfen - ohne ihn wäre das ganze Projekt nicht möglich gewesen. Eine wichtige Erfahrung: Programmtechnische "Schwierigkeiten" haben der Geschichte z.T. sogar gut getan. Sie haben mich gezwungen, mich auf das unbedingt Nötige zu beschränken.

Auch für die visuelle Umsetzung stand erst mal Lernen auf dem Programm: Fotoshop und Fireworks sind nicht leicht zu bedienen, wenn man bisher nur auf Papier "gekritzelt" hat. Das Layout habe ich zwar selbst gestaltet - aber auch hier war ich sehr froh über die guten Tipps eines befreundeten Grafikers.

Fazit: Für meine eigentliche Aufgabe (das Schreiben) war am Ende etwas zu wenig Zeit übrig geblieben. Hier sehe ich u.a. auch eine Gefahr: Der Autor kann sich schnell in (fach)fremden Problemen verlieren, für deren Lösung er nicht immer die nötige Erfahrung und das nötige Rüstzeug hat.

Eine wichtige Herausforderung sehe ich im oben angesprochenen Einsatz der unterschiedlichen Medien. Aber das betrifft zunächst nur die Form sowie das Beherrschen des "Handwerkszeugs". Die wichtigste Herausforderung liegt aus meiner Sicht in der Dramaturgie sowie der neu zu entdeckenden Erzählstruktur. Jetzt muss ich leider etwas weiter ausholen ...

Mein erster Wettbewerbsbeitrag Fohnsee ist eine Hypertextgeschichte. Der Leser kann nur den "Hauptstrang" lesen, die Hypertexte entlang der Geschichte aufrufen oder sich von Hypertext zu Hypertext bewegen. In Printmedien wäre dieses "sich Bewegen" zwar möglich, aber sehr umständlich. Allein darin lag für mich die Berechtigung", den Beitrag einzusenden.

Dennoch blieben wesentliche Fragen offen: Bringt das Springen innerhalb einer Hypertextstruktur tatsächlich ein Mehr an Lesefreude? Warum soll der Leser das überhaupt tun? In meinem Freundeskreis schieden sich die Geister ...

Also packte ich das Thema Literatur digital neu an. Im Vordergrund stand (und steht) zunächst die Rolle des Lesers - und damit auch meine Rolle als "Erzählerin". Einerseits möchte ich den Leser mit der Geschichte fesseln. Anderseits bieten digitale Medien die Chance, den Leser zu aktivieren, was sich nicht im bloßen Aufrufen von Hypertexten oder Szenen erschöpfen sollte. Ich denke an Wahlmöglichkeiten, an das Aufzeigen von Konsequenzen einer Wahl und an das Mitgestalten der Handlung. Letzteres wird kontrovers diskutiert und ich weiß nicht, wohin die Reise gehen wird ... Das Zepter der Erzählerin möchte ich jedoch keinesfalls aus der Hand geben. Ich glaube auch nicht, dass die Leser dies wünschen - außer, sie beteiligen sich als "Mitautoren" an einem Mitschreibeprojekt, was lediglich einen Rollentausch darstellt. (Für mich als Leser sind solche Projekte jedenfalls ungenießbar - man verzeihe mir diesen ungeschminkten Ton).

Die dramaturgische und erzähltechnische Herausforderung kann eigentlich nur der Autor lösen. Die künstlerische Umsetzung allerdings kann er alleine kaum bewältigen - außer es handelt sich um ein Multitalent, das zeichnen, malen, fotografieren, sprechen, komponieren und bei all dem auch noch programmieren kann. Ich denke, dass wirklich gute Qualität nur in Teamarbeit zu erreichen ist. Und genau daran schließt sich eine neue Herausforderung an: Für die Weiterentwicklung dessen, was digitale Literatur sein könnte, interessieren sich naturgemäß fast nur Autoren. Kaum einer davon wird die finanziellen Mittel haben, "Profis" für die Mitwirkung an einem Projekt zu bezahlen. Für den Autor heißt das: Finde dein Team und begeistere es!

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Wie siehst du die Zukunft der digitalen Literatur?

Ich bin nach wie vor nicht sicher, ob digitale Literatur heute schon ein Publikum hat, das über eine kleine, eingeschworene Insidergemeinde hinaus reicht. (Ich verwende bewusst das Wort "Publikum", denn digitale Literatur bietet ja nicht nur "Lese-Stoff".) Außerdem glaube ich, dass digitale Literatur erst am Beginn einer großen Entwicklung steht. Es sind bei weitem noch nicht alle künstlerischen Möglichkeiten ausgeschöpft - und manches, was möglich wäre, scheitert an der Technik. Ich denke dabei vor allem auch an die Übertragungsraten im Internet. Ohne ISDNAnschluss beispielsweise verlangen die meisten Wettbewerbsbeiträge ein hohes Maß an Geduld, das man nur von wenigen erwarten kann. In diesem Zusammenhang baue ich auf DSL ...

Zur Vermittlung digitaler Ästhetik in Universitäten und Schulen: Digitale Ästhetik wird bereits an Universitäten und weiterführenden Schulen vermittelt - meines Wissens nach beschränkt sich dies allerdings nur auf den audiovisuellen Bereich (z.B. die Fachrichtungen "Mediendesign" oder "neue Medien" etc.). Was das Schreiben angeht, hinken wir in Deutschland ohnehin anderen Ländern - insbesondere den USA - hinterher. Kurse in "Creative Writing" werden hierzulande von den meisten Autoren mit einem kleinen Naserümpfen bedacht. (Ich schließe mich da nicht aus, allerdings nicht aus Prinzip, sondern eher mangels interessanten Angeboten).

Einen weiteren, fast noch wichtigeren Schritt sehe ich im aktuellen Buchprojekt des dtv Verlages. Vielleicht schließt die Kombination aus Print und CD-ROM ein breiteres Publikum für "Literatur digital" auf. Ich wünsche es für mich, für die anderen Teilnehmer am Wettbewerb und selbstverständlich auch für den Verlag.

Und wie siehst du sie für dich speziell?

Es gibt noch viel zu tun ...

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