AutorInnen: Ursula
Menzer, Sabine Orth Beitrag: Antworten
von: Was
ist die Spezifik deines Beitrags als ein Beispiel
für digitale Literatur? Von der
poetischen Sprachuntersuchung zum medialen
Projekt: Die Internet-Installation, bzw. die
multimediale Präsentation meiner poetischen
Sprachuntersuchung in Gestalt von Seh-Texten mit
dem Titel ER/SIE bildet den Schlußpunkt - und
gewissermaßen auch den Höhepunkt - einer
Reihe medialer Transformationen, in denen ich
verschiedene Aspekte des Themas entfalten,
differenzierte ästhetische Mittel und
Darstellungsweisen ausprobieren, sowie neue
Einsichten in medial-formale Zusammenhänge
gewinnen konnte (work in progress). Die Reihe der
Transformationen: Ausstellung, Buch,
Fax-Aktivität, Lese-Performance wurde
komplettiert durch ER/SIE digital. Jede Phase war
in ihrer Weise für mich inspirativ, in jeder
Phase produzierte ich neue Texte. Die Besonderheit
der multimedialen Präsentation von ER/SIE ist
die Priorität des Sprachlichen, die das
Konzept von Literatur im genuinen Sinne ernst nimmt
und auf Anreicherungen durch Bilder verzichtet; die
selbstverständliche Dominanz des Textlichen,
ohne dass genötigt würde,
größere Passagen linear durchlesen zu
müssen (was am Screen einfach nicht gut
funktioniert; Fußnoten bieten bei Wunsch
jedoch Einblicke in umfangreicheres Textmaterial,
sowie Zusatzinformationen); durch die formale
Reduktion auf Schwarz und Weiss, die an den
Ausgangspunkt des Projekts zurückbindet
(positivistische Untersuchungen, Findungen /
Archivierungen / Dichtungen; schwarzer Druck auf
weißes Papier); Unterstützung durch
dynamisierte Visualisierung (Animation der
Typographie) und Töne (Geräusche / Musik
/ Lesung). Wie
kamst du zum Schreiben digitaler Literatur?
Und wie verhalten sich für dich dabei
dessen verschiedene Sprachen - Wort,
Programmierung, Bild - zueinander? Der Wunsch nach
Dynamisierung: Seh-Texte und Flash. Wer
Erfahrung mit dem Schreiben von
Seh-Texten/Konkreter Poesie gemacht hat, versteht
wahrscheinlich meinen Wunsch, die Texte in Bewegung
zu versetzen; z. B. um Bedeutungen vertiefen,
inhaltliche Komponenten, formale Entsprechungen
präzisieren zu können. In meiner
Poetik-Vorlesung zur "Genese des ER/SIE-Projekts",
1998, sprach ich von diesem Wunsch und davon, dass
das Internet mit seinen neuen - damals gleichwohl
noch viel unentwickelteren - ästhetischen
Möglichkeiten einen Reiz und ein Versprechen
für mich darstellte, die Dynamisierung der
Seh-Texte zu realisieren. Zweieinhalb Jahre
später begann die Umsetzung des Konzepts mit
der Screendesignerin Sabine Orth, die HTML/Flash
souverän beherrschte, eine gut funktionierende
Navigation entwarf und eine besondere Begabung
für Soundunterstützung
mitbrachte. Die Teilnahme am
Wettbewerb war eher zufällig: bedingt durch
die annähernde Beendigung und den Anlaß,
tatsächlich einen Schlußpunkt unter das
Projekt zu setzen. Welche
Erfahrungen hast du bei der Produktion digitaler
Literatur gemacht? Wo siehst du die
entscheidenden Herausforderungen? Wo lauern
die Gefahren? Arbeitsteilung:
Dichtung versus technische Umsetzung: Die
Multimedia-Präsentation von ER/SIE ist in
Arbeitsteilung zwischen Dichterin und
Screendesignerin/Programmiererin entstanden. ER/SIE
bestand bereits als Text bzw. als gedrucktes Buch
und war überdies als Konzept für eine
Multimedia- bzw. Internet-Präsentation in
Grundzügen vorbereitet, als die
Screendesignerin / Programmiererin in das Projekt
einstieg. Sie hatte also die Aufgabe, den Text zu
durchdringen und die Absichten der Autorin mittels
HTML/Flash in das neue Medium umzusetzen, wobei
Ideen der Screendesignerin offen aufgenommen
wurden: gegenseitige Inspirationen vermehren die
Freude am gemeinsamen Projekt; Synergie verbessert
das Ergebnis. Als wesentliche
Voraussetzungen für ein gemeinsames,
synergetisches Projekt (nicht im Verständnis
einer lediglich additiven Kollaboration) erwiesen
sich: eine gute Regie; ein ähnliches
Gleichmaß der Differenzierung;
kommunizierbare ästhetische Auffassungen, die
in abgestimmte Durchführungen münden.
Sind diese Voraussetzungen nicht vorhanden oder
gibt es keinen Konsens, setzen elementare Probleme
ein, die auch zu schwächeren ästhetischen
Lösungen führen. Am Beispiel ER/SIE
wird deutlich, dass digitalisierte Literatur nicht
nur ein modischer Gag ist, sondern durchaus an den
Relevanzstrukturen eines Textes ansetzen kann.
Daran in Zukunft weiterzuarbeiten, wäre ein
Interesse von mir. Die Arbeitsteilung bzw.
Abhängigkeit von Programmierern allerdings
könnte problematisch werden, wenn diese nicht
den Ehrgeiz haben, sich als erstklassige Handwerker
einzusetzen, sondern sich als Künstler
verstehen (wobei sich freie Künstler ohne
weiteres multimedialer Mittel oder Funktionen des
webs bedienen können). Die entscheidenden
Herausforderungen digitalisierter Literatur finden
dort statt, wo sich stilistische Ansprüche und
Rigorositäten gegen den Druck des technisch
Machbaren durchhalten; z. B. nicht
Bilder/Illustrationen die literarische Produktion
dominieren und die Sprachebene unterlaufen. Die
Bilderflut - auch in der digitalisierten Literatur
- sehe ich als Problem; strengere ästhetische
Maßstäbe bedeuten jedoch - wie
überall - den mainstream zu verlassen;
jenseits dessen aber wird es erst interessant (s.
Avantgarde-Konzepte; experimentelle Literatur). Der
Inhalt und seine formale Korrespondenz sind wichtig
- nicht vordergründige technische Raffinessen
- und vor allem sollte die Aufbereitung den
Anspruch realisieren, medien-, d.h. webgerecht zu
sein. Was nicht automatisch heisst, dass alle
vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft
werden müssen. Interaktivität
z. B. ist nicht unbedingt eine der interessantesten
Funktionen literarischer Texte; Aufhebung der
Linearität dagegen eher. Wie
siehst du die Zukunft der digitalen Literatur und
wie siehst du sie für dich
speziell? Digitalisierte
Literatur als Autoren-Literatur: Wichtig
für die Definition digitalisierter Literatur
(nicht digitaler Literatur) wäre, dass es sich
tatsächlich und im eigentlichen Sinne um
Autoren-Literatur handelt, d. h. dass
ScreendesignerInnen/ProgrammiererInnen mit
AutorInnen zusammenarbeiten und sich nicht
umstandslos einen Text unterwerfen und nach
Belieben damit verfahren (auch eine Frage des
Copyrights; Designer-Literatur?). Wobei ich mir
selbstverständlich vorstellen kann, dass z. B.
Computerspiele nach literarischen Vorlagen erstellt
werden (Parallele: Literaturverfilmungen). Wobei
diese Produktionen selbstverständlich nicht
dem Begriff digitalisierter Literatur im Sinne
digitalisierter AutorInnen-Literatur entsprechen
würden. Digitalisierte
Literatur wird m. E. nur eine ernstzunehmende
Zukunft haben, wenn sie formal anspruchsvolle
Kriterien mit den Möglichkeiten forcierter
poetischer Intention verbindet. Sonst wird sie
wahrscheinlich publiblikumswirksam werden/bleiben -
vergleichbar den Musicals oder der Werbung -,
ästhetisch jedoch in Bedeutungslosigkeit
versinken. Wichtig wäre, die Bedeutung
hochklassiger, digitalisierter Literatur für
Fördereinrichtungen, Stiftungen, Verlage,
Vermittlungsinstanzen etc. zu verdeutlichen, bevor
die Verramschung der Poesie das Medium Internet
für dieses Genre diskreditiert. Vielleicht ist
das Netz aber generell eher ein Medium, das zu
Trash tendiert. Das wird sich zeigen. Als Autorin
zählt für mich zunächst der Text.
Doch nicht jeder Text ist für das Internet
bzw. für multimediale Präsentation
geeignet. Was es bedeutet, unpassende Text ins web
zwängen zu wollen, lässt sich an manchen
traurigen - weil nicht webgerechten - Ergebnissen
ablesen: langweilige und unangemessene Darbietungen
- auch einiger Verlage mit ihren Autoren. Zwar
AutorInnen-Literatur, aber keine digitalisierte
Literatur; auch wenn sie im web steht. Aber es gibt
auch aufregende und total interessante Dinge.
Weiter zu lernen und zu experimentieren ist
äußerst spannend; die differenzierte
Beziehung von Text und Medium weiter zu
untersuchen, scheint mir vielversprechend.
Coproduktionen: sehr inspirierend; gerne Angebote
und Vorschläge. Wichtig:
Entwicklung unterstützender Software für
AutorInnen, Theoretische Arbeit;
Begriffsklärungen: Netzliteratur; digitale
bzw. digitalisierte Literatur als
AutorInnenliteratur; e-poetry,
Multimedia-Literatur; literarische Computerspiele
etc. Martin
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