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www.dichtung-digital.com/2001/11/30-Wettbewerb
Wettbewerb
Literatur.digital 2001
Autoren und
Beiträge
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AutorInnen:
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Roman
Eisele, Franz Hubert, Diana Porr, Petra
Seidenberger, Natalie Squire, Aro Stocker,
Simon Wolf , Regie: Odile
Endres
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Beitrag:
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Gleitzeit
{Color: blue}
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Antworten
von:
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Odile
Endres
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Was
ist die Spezifik deines Beitrags als ein Beispiel
für digitale Literatur?
Die Verbindung von
Text und Bild einerseits und von individuellem und
kollaborativem Schreiben andererseits.
Ausgangspunkt für den Hypertext war ein Bild:
es dient als Katalysator für die
Erzählung, es spannt einen Rahmen auf, in
dessen Raum- und Zeit-Dimension sich ein
kollektiver Erzählraum entfaltet. Wir
erzählen eine gemeinsame Geschichte, die aus
verschiedenen Spuren gewoben wird.
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Wie
kamst du zum Schreiben digitaler Literatur?
Und wie verhalten sich für dich dabei
dessen verschiedene Sprachen - Wort,
Programmierung, Bild - zueinander?
Ich selbst schreibe
womöglich schon seit 1984 Netzliteratur ;) Wir
hatten zu der Zeit im EARN (European Acadamic
Research Network) eine sehr lebhafte email-Kultur.
Ich habe damals im Wissenschaftszentrum der IBM
gearbeitet. Damit hat bei mir jedenfalls alles
angefangen. Der Auslöser für
Konzept-Internet-Literatur im WWW war der erste
Internet-Literatur-Wettbewerb der ZEIT,
1996.
Das war für
mich der Augenblick, alles unter einen Hut zu
bringen: Programmierung, Schreiben und Word-Art,
also die Verbindung von Sprache und Bild. Ich hatte
grade 1995 zusammen mit der Künstlerin Gundula
Schneidewind eine Ausstellung, da machte ich
Word-Art. Das Neue bei der Internet-Literatur war
für mich: wie kann ich das alles
zusammenbringen? Was kann ich mit Hyperlinks
machen? Welche Funktion können Bilder
übernehmen? Damals herrschte eine wunderbare
Aufbruchstimmung.
Die Mitglieder des
Collaboratoriums sind mit der Internet-Literatur in
meinen Seminaren am Studio Literatur und Theater
der Universtität Tübingen in
Berührung gekommen. Für die meisten war
das neues Terrain, im letzten Seminar (WS 2000)
hatten einzelne aber schon sehr gute HTML-und
Grafikkenntnisse. Und die meisten sehr viel
Schreiberfahrung. Sonst wäre das Projekt so
nicht möglich gewesen. Das Projekt
Gleitzeit {color:blue} beim Wettbewerb
einzureichen, diese Idee kam erst
später.
Da Hypertext aus
Sprache, Bild und Programmierung besteht, sind alle
Bestandteile für mich eng verzahnt. Alles ist
eine Einheit, es entwickelt sich ein
persönlicher Stil oder ein Gruppenstil, je
nachdem. Im Zentrum steht bei der Arbeit des
Collaboratoriums der Inhalt, die Geschichte, die
erzählt werden soll. Und wie das in eine
komplexe Hypertextstruktur umgesetzt werden kann.
Bilder sind, wie gesagt, für mich Katalysator
für ein Projekt. Das Bild setzt sich in der
Sprache fort (z.B. über Metaphern) und das
Bild in der Sprache. Auch einfache
Gestaltungselemente wie Farben sind wichtig, sie
charakterisieren die einzelnen Spuren. Bild und
Gestaltung können eine Atmosphäre
schaffen, eine persönliche Ästhetik, sie
können auch eine erzählerische Funktion
übernehmen. Und für die RezipientInnen
Orientierung in komplizierten Hypertextstrukturen
vermitteln. Keinesfalls sind Bilder eine
Illustrierung dessen, was sprachlich realisiert
wird. Man kann da natürlich noch viel weiter
gehen als wir im Projekt.
Die Programmierung
steht für mich im Dienst der Idee.
Natürlich beeinflussen umgekehrt die
technischen Möglichkeiten auch das Konzept und
die Gestaltung eines Projekts. Ohne die technischen
Möglichkeiten gäbe es die IL ja nicht.
Aber da hat jede/r, der IL herstellt, seine eigenen
Standpunkte und Spezialitäten. Für manche
kann ja auch der Programmcode Literatur sein. Das
sind alles Dinge, über die man diskutieren
kann.
Hier ein Beispiel
für die Funktion eines Bildes: Wir haben in
der Gleitzeit das Bild eines Fliegers. Der
ursprüngliche Flieger wird nach dem Einstieg
über das Internet-Café in mehrere
Flieger aufgesplittet. Die JavaScript-Animation ist
so angelegt, dass sie zeigt, da sind mehrere
Flieger unterwegs, hinter der Wolke, hinter dem
Licht auf der Bergspitze verbergen sich weitere
Protagonisten. Damit machen wir auf den kollektiven
Bereich der Geschichte aufmerksam. Wenn jemand aus
einer bestimmten Fliegerspur kommt, dann bleibt die
Animation bei diesem bestimmten Flieger stehen und
die LeserIn kann dieser Spur weiter folgen. Das ist
dann die individuelle Schiene. Aber die
RezipientInnen wissen, von dieser Stelle aus habe
ich auch den Zugang zu anderen Spuren, die alle
untereinander verknüpft sind.
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Welche
Erfahrungen hast du bei der Produktion digitaler
Literatur gemacht?
Die Produktion von
Internet-Literatur ist das Spannendste, was ich je
gemacht habe. Was mich sehr freut, ist, dass sich
auch die StudentInnen für die
Internet-Literatur begeistern konnten und dass
diejenigen, die skeptisch waren, ob kollaborative
Literatur mit einem gewissen Anspruch
überhaupt möglich ist, von dem Ergebnis
überzeugt waren.
Ein gemeinsamer
Poduktionsprozess ist extrem schwierig, wenn man
wirklich eine gemeinsame Geschichte haben will. Wir
haben das schließlich mit einem gemeinsamen
Bild, mit der dadurch angeregten Phantasie, mit
einem intensiven Diskussionsprozess und mit der
Entwicklung von Drehbüchern geschafft. Nach
dieser Arbeitsphase im Seminar kam die email-Phase.
Jede/r aus dem AutorInnenteam
Collaboratorium hat mit seinen Kompetenzen
und einem eigenen Erzählstrang zur
Realisierung beigetragen. Ohne emails wäre das
nicht möglich gewesen. Ich bin nicht so sehr
dafür, Programmierung, Grafik und Sprache
(also das, was wir klassisch als Text bezeichnen)
völlig voneinander zu trennen. Das Konzept
sollte gemeinsam gemacht werden und auch die
verschiedenen Bereiche sollten eng miteinander
verflochten sein.
Wo siehst du die
entscheidenden Herausforderungen?
Die Herausforderung
ist: Wie können wir gemeinsam oder im
Alleingang etwas mit den Mitteln der
Internet-Literatur erzählen? Das ist doch das
Wesentliche, dass ein Projekt etwas zu
erzählen, etwas auszusagen hat, und zwar mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln: Text,
Bild, Programmierung. Und auch Ton. Von der
Internet-Literatur wird ständig erwartet,
etwas wirklich Neues zu machen. Das gelingt aber
nur, wenn wir versuchen, die Grenzen der Arbeit mit
Bildern, mit Sprache, mit Programmierung und auch
mit Ton immer wieder neu auszuloten.
Wo lauern die
Gefahren?
Die Chancen und
auch die Gefahren bestehen in der rasanten
Entwicklung der technischen Möglichkeiten.
Wenn das Mithalten mit der Technik wichtiger wird
als das Inhaltliche oder wenn die Technik nur
benutzt, aber nicht mit ihr gearbeitet wird, dann
bringt das die IL nicht weiter. Flash ist ein gutes
Beispiel. Die Bild- bzw. Filmgestaltung muss eine
andere als illustrierende Funktion
haben.
Eine weitere Gefahr
sehe ich darin, dass der Faktor Sprache bei der
Produktion zu wenig beachtet wird. Vielleicht wird
die Internet-Literatur als Genre sich irgendwann
auflösen.
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Wie
siehst du die Zukunft der digitalen Literatur und
wie siehst du sie für dich
speziell?
Die Zukunft der
digitalen Literatur sehe ich skeptisch. Wird es uns
gelingen, etwas wirklich aufregend Neues zu machen?
Klippen gibt es genug. Zum Beispiel die Rezeption
des sprachlichen Teils des Hypertextes. Erfahrungen
zeigen: der Text (im Sinne von Sprache) wird oft
nicht gelesen, sondern nur überflogen. Wenn
der Text aber nicht gelesen wird, können wir
dann noch von Internet-Literatur oder digitaler
Literatur sprechen? Der Begriff Netzkunst wäre
dann wohl angebrachter.
Überhaupt die
Rezeption: Da sieht es nicht gerade glänzend
aus. Das hängt einerseits mit den technischen
Voraussetzungen zusammen: Wer ein langsames Modem
und einen alten Rechner zur Verfügung hat,
wird wahrscheinlich weniger oder weniger intensiv
rezipieren als jemand, der über einen
schnellen Rechner und eine Standleitung
verfügt. Andererseits liegt es an
Lesegewohnheiten und daran, dass IL sehr aktive
LeserInnen erfordert. Die sind seltener als man
denkt.
Deshalb finde ich
es nicht das Schlechteste, wenn es IL, die für
das Web geschrieben wurde, ausnahmsweise auch mal
auf CD-ROM gibt. Besonders bei Werken, die relativ
geschlossen sind und weniger Netzliteratur als
offene Projekte. Damit erreichen wir vielleicht
andere LeserInnen als im Web.
Von der
Produktionsseite her wird sich die IL mit neuen
Techniken auseinandersetzen müssen. Ich
persönlich werde beim nächsten Projekt
mit dem Element Ton experimentieren. Auch die
Programmierung werde ich noch stärker für
erzählerische Funktionen einbeziehen. Und
natürlich werde ich auch weiterhin Seminare
machen. Nur vielleicht weniger aufwenige
;)
Neue Techniken sind
spannend, aber auch ein großes Problem. Es
ist kaum möglich, mit jeder neuen technischen
Möglichkeit, mit jedem neuen Programm, Schritt
zu halten. Man stößt an Grenzen.
Für die Produktion von Internet-Literatur
müssen mehr als für jede andere Art von
Literatur Zeit, Energie und Geld aufgewendet
werden. Da ist ja auch die nicht unerhebliche Frage
nach dem Broterwerb. Der findet meistens woanders
statt. Und lässt nicht viel Zeit übrig.
Vielleicht können diese Probleme durch
Zusammenarbeit gemildert werden.
Was die Vermittlung
digitaler Ästhetik in Universitäten und
Schulen angeht, so habe ich Zweifel, dass diese von
traditionellen Literaturvermittlern, die sich nicht
intensiv mit den neuen Medien befassen, vermittelt
werden kann. Die Universitäten sollten
verstärkt auf Lehraufträge setzen, die
Netzliteraten übernehmen. Die Seminare
können mehr theoretisch angelegt sein oder
eben praktisch als Internet-Produktion. Das ist
meiner Meinung nach der beste Zugang.
Es werden aber auch
zunehmend NetzwissenschaftlerInnen (oder wie auch
immer man sie bezeichnen will) an den
Universitäten zu finden sein, die die
Vermittlung übernehmen könnten. Eine
andere Möglichkeit wäre natürlich,
an den Universitäten Stellen zu schaffen
für Leute, die aus eigener Erfahrung
theoretisch und praktisch Internet-Literatur und
digitale Literatur vermitteln können - dann
ließen sich idealerweise für manche
Broterwerb und Passion vereinigen ;))
Was mich verhalten
optimistisch stimmt, ist die Tatsache, dass man
noch so wahnsinnig viel ausprobieren kann. Und dass
ich die Produktion von IL immer noch abenteuerlich
finde.
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