www.dichtung-digital.com/2001/11/30-Wettbewerb

Wettbewerb Literatur.digital 2001
Autoren und Beiträge
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AutorInnen:

Nika Bertram

Beitrag:

Der Kahuna Modus

Antworten von:

Nika Bertram



Was ist die Spezifik deines Beitrags als ein Beispiel für digitale Literatur?

Mit dem "Kahuna Mode Fiction Game" habe ich versucht, den Stoff meines Debüt-Romans ("Der Kahuna Modus", Eichborn, 2001) noch einmal für ein neues Medium komplett neu zu bearbeiten, orientiert an den Erzähltechniken der Interactive Fiction Games. Ich wollte dadurch diesem Genre ein wenig zu einem Revival verhelfen, und die Möglichkeiten aufzeigen, die diese erzählerischen Strukturen für die Gestaltung eines digitalen "Storyspaces" bieten.

Die Entscheidung für eine wesentlich text-orientierte Struktur und das "retro-hafte" Kommandozeilen-Interface trafen wir ganz bewußt, um "back to the roots" zu gehen und durch die Programmierung einer eigenen "Writing Engine" eine Grundlage zu schaffen, die einen Eindruck dieser spielerischen Umgangsformen mit digitaler Literatur vermitteln kann und relativ leicht zugänglich und beliebig erweiterbar ist, zB auch mit mehr Multimedia-Elementen, je nach Bedarf und Budget.

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Wie kamst du zum Schreiben digitaler Literatur? Und wie verhalten sich für dich dabei dessen verschiedene Sprachen - Wort, Programmierung, Bild - zueinander?

Seit meinen ersten Internet-Erfahrungen beschäftigt mich die Frage, wie sich dieses neue Medium erzählerisch nutzen liesse. Es geht ja letztlich immer um die Frage, wie sich durch Zeichen imaginierte Welten repräsentieren lassen, und dazu eignen sich Wörter ebenso gut wie Bilder, Sounds oder die bestimmten Verhaltensmuster eines Programmcodes. Ich sehe mich in diesem Bereich auch noch eher als Suchende, experimentiere mit den verschiedensten vorhandenen Formen, versuche jedoch, immer noch nah an der sprachlichen Repräsentation zu bleiben - denn sonst wäre ich ja Musikerin oder Bildende Künstlerin.

Ich bin schon auch ein sehr musikalisch und visuell beeinflußter Mensch. Was mich an der ersten Begegnung mit den "neuen" digitalen Medien künstlerisch so fasziniert hat, war deshalb vor allem die Vorstellung, diese lang gehegten Träume der Verschmelzung verschiedenster Kunstformen mit ihnen realisieren zu können. Allerdings denke ich, dass es hierbei natürliche Grenzen gibt und man aufpassen sollte, sich nicht zu verzetteln, indem man selbst auf zuvielen Hochzeiten zu tanzen versucht anstatt "notfalls" mit anderen zu kooperieren.

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Welche Erfahrungen hast du bei der Produktion digitaler Literatur gemacht? Wo siehst du die entscheidenden Herausforderungen? Wo lauern die Gefahren?

Gleichwertige Doppelbegabungen und Kompetenzen im Bereich Programmierung und literarisches Können sind, glaube ich, sehr selten, da beide Künste eine sehr intensive Beschäftigung mit dem Metier verlangen. Noch schwieriger wird es, wenn Sound und Grafiken hinzu kommen. Ich denke, was ein Multimedia-Autor vor allem entwickeln sollte, sind Fähigkeiten eines Multimedia-Konzepters, der zwar nicht alles selbst machen kann, jedoch weiß, was prinzipiell möglich wäre, und in welchem Rahmen.

Die Zusammenarbeit zwischen Dichter und Programmierer sollte dabei sehr eng sein. Es ist gut, Brainstorming zu machen und sich erstmal viel vorzunehmen, man sollte aber auch von liebgewonnenen Ideen Abstand nehmen können, wenn sie den Programmierer zur Verzweiflung treiben. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich beim Romane schreiben da doch sehr viel freier fühle, da ich mich dabei nicht mit programmtechnischen Grenzen, Bugs und Lizenzen herum schlagen muß.

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Wie siehst du die Zukunft der digitalen Literatur und wie siehst du sie für dich speziell?

Ich sehe diesen Punkt leider nicht sehr optimistisch, habe eher die Erfahrung gemacht, dass es immer noch einen großen Graben zwischen den "traditionellen Literaturvermittlern" und NetzliteratInnen gibt - was ich aber auch auf mangelnde Leseerfahrung und eine gewisse Selbstverständlichkeit im Umgang mit digitalen Literaturformen zurück führen würde. Oder anders gesagt: solange beim Lesen immer noch der Gebührenzähler mittickt und sich die Bytes durch Modem-Verbindungen quetschen müssen, werden der ästhetische Genuß, die Neugier und Spielfreude im Umgang mit digitalen Kunstwerke sehr beeinträchtigt.

Nichtsdestotrotz gebe ich da die Hoffnung nicht auf und werde sicherlich weiter sowohl "traditionell" als auch digital schreiben. Ich bringe mir gerade selbst Python bei (Perl und mySQL stehen auch noch auf der Liste), experimentiere mit digitaler Sound-Produktion, und bin sehr gespannt darauf, inwiefern diese Sachen meine weiteren Werke beeinflussen werden.

Die Zukunft der digitalen Literatur allgemein sehe ich eher in der Nähe des digitalen, "interaktiven" Kinos oder bei Games oder Simulationen, auch wenn es mir widerstrebt, so etwas zuzugeben, da sich diese Formen von der Literatur doch sehr entfernen, und außerdem Produktionsbudgets erfordern, von denen gemeine LiteratInnen nur träumen können. Vielleicht lassen sich diese Tendenzen subversiv unterwandern, entgegensteuern, mit Netzliteratur, so wie Romane ja auch parallel zu Kinofilmen existieren können. Noch, zumindest.

Multimedia ist eine feine Sache. Wir sollten nur vorsichtig sein, dass uns trotz allem Klicki-Bunti nicht die Fähigkeit, auch längere, kompliziertere Texte rezipieren zu können, abhanden kommt. Vielleicht sind Bücher doch noch das mächtigste, subversivste Medium. Wenn es nur den Verlagen und AutorInnen nicht wirtschaftlich so schlecht gehen würde ...

Ich glaube, dass sich die magische Wirkung eines richtig guten Buches auch auf ein neues Medium übertragen liesse, man müßte nur den richtigen Weg finden. Es sind ja doch immer Erzählungen, auf die es uns ankommt. Beim Übergang der mündlichen zur schriftlichen Erzählkultur hat es auch genug Ängste vom Untergang der Kultur gegeben, ebenso bei der Einführung des Kinos, Rundfunks oder Fernsehens. So etwas ist immer Blödsinn. Vom ersten Filmchen bis zu "Citizen Kane" hat's auch ein paar Jahre gebraucht, und die Werke Shakespeares und Kafkas haben alle Medienwechsel bisher gut überstanden.

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