In eigener Sache In schlappen acht Monaten als Kolumnistin habe ich es geschafft: Ich bekomme Nachrichten von Menschen, die ich nicht kenne. Sogar zwei anonyme E-Mails waren dabei! Leider sind es keine Drohungen, Beschimpfungen oder lukrative finanzielle Angebote unter der Bedingung, dass ich die Schreiberei sein lasse. (Falls sich jemand von Letzterem inspiriert fühlen sollte: Meine Mailadresse ist ziemlich leicht rauszukriegen…) Das wäre ja eine Auszeichnung. Nein, es handelt sich um Lob und Bewunderung. Allerdings irritiert mich das häufigste Lob ehrlich gesagt mehr, als es jede Kritik könnte: Ich, beziehungsweise
Read More Deutscher Kuchen hinterm Mond Hallo, ich bin Iris aus Berlin, und ich fühle mich wie Rosa Luxemburg. Ich bin zwar nicht in die, sondern aus der Schweiz geflohen, aber ich bin ganz sicher, dass es viele Leute gibt, die mich aufgrund meiner politisch brisanten Kolumne (naja ok, wahrscheinlich eher weil sie mich einfach doof finden, oder weil sie gerade irgendwie mies drauf sind wegen Corona und so), am liebsten in den Landwehrkanal schmeissen würden. Wie Rosa habe ich lange Haare und eine markante Nase, und mein Vorname hat auch vier
Read More Ich habe dieses Mal sehr früh mit dem Schreiben meiner monatlichen CulturMag-Kolumne angefangen, weil ich den ganzen Oktober in Hamburg und Minden mit Proben für das Theaterstück „SCHTONK!“ beschäftigt war. Sieben Tage die Woche – unbezahlt, da erst die Vorstellungen bezahlt gewesen wären. Die Vorstellungen einer Tournee, die vom 25.10. bis Weihnachten gedauert hätte. Ich habe nachts in meinen Hotelzimmern an dem Text meiner CulturMag-Kolumne gearbeitet und habe ihn auch tatsächlich zu Ende geschrieben. Aber inzwischen ist so viel passiert, dass ich ihn nicht einfach so stehenlassen kann: Ich hatte
Read More Diktatur und Dreck Wenn ich Diktatorin wäre, hieße meine Diktatur die „Die-da-Diktatur“. Erstens, weil es lustig klingt, und zweitens, um ganz klar zu machen, dass ich nicht „die da oben“ bin. Schließlich soll mir das Volk nicht die Schuld für all sein Unbill in die Schuhe schieben, es soll mich lieben, verehren und lobpreisen – wozu hält man sich denn sonst so ein Volk? In meiner „Die-da-Diktatur“ wären „Meine eigenen Bedürfnisse ernst, mich selbst nicht so ernst nehmen“, „Ein trefflicher Mitmensch sein“, „Zuhören“ und „Warum ich nicht der Nabel der
Read More Mit Erich in der Zeitmaschine Das Schöne an saisonal bedingten Depressionen ist, dass man sie eigentlich immer haben kann, denn es ist ja immer irgendeine Saison. Trotzdem ist es nicht gerade die leichteste Übung, die schwarze Wolke, die mich im Moment durch meine Tage begleitet, mit der Saison „wunderprächtigster Altweibersommer“ zu begründen. Mein Stimmungstief im Spätsommerhoch ist wahrscheinlich eher darauf zurückzuführen, dass ich meine Zelte in Berlin bald abbrechen muss, um mich bis Ende Januar auf eine Theatertournee zu begeben. Ein Luxusproblem, nicht nur in diesen besonderen Zeiten. Schon vor
Read More Marie Kondo in Pankow Ich knie auf unserer Terrasse. Ich trage einen Strohhut und Gartenhandschuhe und kratze mit einem Unkrautstecher (bis vor wenigen Tagen wusste ich noch nicht einmal, dass es so etwas gibt) Erde, Löwenzahn und die Haare der Vormieterin aus den Fugen zwischen den Steinplatten. Neben mir trocknen weiße Blusen, weiße Kleider und weiße Röcke im lauen Pankower Spätsommerwind. Ich grusle mich etwas vor mir selbst: Wäsche trennen…?! – In meinem Vorleben, in dem Haushalt und Wohnen euphemistisch ausgedrückt eine untergeordnete Rolle gespielt haben, war meine Auslegung von
Read More Pizza Sociale Der tollste Mann der Welt will jetzt, dass ich Burka trage, und Ihr seid schuld daran! Und das kam so: Wir sitzen auf der Terrasse bei „unserem Italiener“. „Wurde wirklich Zeit, dass wir mal wieder bei „unserem Italiener“ essen!“, sagt der tollste Mann der Welt und spiesst eine Olive auf einen Zahnstocher. Ich frage mich gerade, ob der Begriff „unser Italiener“ nicht ziemlich kolonialherrenartig anmutet, doch bevor ich die Diskussion darüber eröffnen kann, kommt auch schon „unser“ Kellner mit der Pizza für den Mann und den gemischten Vorspeisen
Read More Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt Ich überlege mir gerade, ob ich den Titel der Kolumne so bringen kann, oder ob ein Hit von 1983 mir die werberelevante Zielgruppe zwischen 19 und 49 verprellt (sorry, ihr alten Säck*innen, ich schätze Eure Aufmerksamkeitsspanne, die im Gegensatz zu Euren jüngeren Artgenossen die 3 Sekunden oft übersteigt, Eure humanistische Grundbildung, die mir das Angeben mit den Rudimenten der meinen erleichtert und Eure Fähigkeit zu vernetztem Denken, die seltsamerweise auch besser ausgeprägt ist als die der „Digital Natives“. Aber ich muss langsam aus
Read More Kolumne von Iris Boss Und „Das Traumschiff“ und Superwoman sind auch dabei … Es ist Mai. Das genaue Datum weiß ich jetzt nicht mehr, aber immerhin den Monat. Trotz meiner täglichen To-do-Listen fangen die Tage langsam an zu verschwimmen. Als freischaffende Schauspielerin bin es eigentlich gewohnt, sie in Zeiten, in denen ich gerade nicht probe oder spiele, selbst zu strukturieren. Da hat sich durch Corona nicht viel geändert. Manchmal scheint es mir sogar so, als wäre mein ganzes bisheriges Leben eine Art Trainingscamp zur Vorbereitung auf die Krise gewesen. Und
Read More Hört auf, Krieg zu spielen! Ab dieser Ausgabe schreibt sie bei uns regelmäßig. Wir freuen uns, die Schauspielerin Iris Boss als neue Kolumnistin begrüßen zu können. Ihre bisherigen CulturMag-Beiträge hier. Auf meinen täglichen Spaziergängen durch Berlin fühle ich mich immer mehr an unsere Cuba-Reise vor drei Jahren erinnert. Daran ist nicht die wachsende Lebensfreude auf den Straßen, beziehungsweise den Balkonen schuld (die peinlichen Versuche, diese von Videos aus Italien zu kopieren, wurden ja zum Glück weitestgehend eingestellt). Auch kann ich kein erhöhtes Aufkommen von Oldtimern auf Berliner Straßen beobachten, und
Read More „Die Welt hält den Atem an“, „Das kollektive Hamsterrad ist zum Stillstand gekommen“ – Überall lese ich davon, dass ich die erzwungene Entschleunigung als Chance sehen soll, und unsere Gesellschaft durch die Krise den Optimierungswahn, in dem wir alle gefangen sind, überdenken wird. Jetzt endlich, wird mir aus den sozialen Medien entgegengebüllt, habe ich Zeit für mein tägliches Bodyweight- und HIIT-Training (die Anleitung dazu gibt es auch auf YouTube, also #noexcuses). Jetzt habe ich Zeit, all die Bücher zu lesen, meine Eltern regelmäßig anzurufen, Ordnung in meinen Kleiderschrank und mein
Read More Iris Boss: Zwischen Cannes und „Kann-nicht-mehr“ Als Schauspielerin muss ich vor allem eines darstellen: Eine Gewinnerin. Warum man beim Kaschieren seiner Schwächen und Ausblenden der weniger guten Zeiten aufpassen muss, nicht als Mensch zu scheitern, und warum Scheitern überhaupt so ein großes Tabu ist im Schauspielberuf. „ErfolgREICH“ heißt „gescheitert“ „Also, ich verfolge dich ja immer bei Facebook und so. Sieht ja echt gut aus, dein Weg! Sehr engagiert, eine erfolgreiche Karriere, könnte man direkt neidisch werden…“ Ich sitze mit Daniel, einem Ex-Kommilitonen, in einer Weddinger Szenekneipe. Wir haben uns gerade
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