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Wallace Stevens (1879–1955) (Quelle: poetryfoundation.org)

Neben der Musik der Afroamerikaner und dem Kino aus Hollywood sind es vor allem die grandiosen Lyriker, die wir der Kultur der Vereinigten Staaten verdanken. Unter denen nimmt Wallace Stevens (1879–1955) eine herausragende Rolle ein. Seine Gedichte gehen eine typisch amerikanische Verbindung ein von tief empathischer Aufmerksamkeit für das Wirkliche und sehr direkten Wegen in die Metaphysik. So entstanden Verse von kühner Bildhaftigkeit, die zugleich Antworten auf die prinzipiellen Fragen unserer Existenz suchen und finden. Stevens arbeitete nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in Harvard in einer Versicherung in Connecticut, zuletzt als deren Vizepräsident. Sein Ruhm und sein Einfluss auf die nachfolgenden Generationen von Lyrikern wuchsen langsam, aber nachhaltig. In Europa ist er immer noch zu entdecken. (Verlagstext Jung und Jung)

Stefana Sabin stellt aktuell in der NZZ die neu von Rainer G. Schmidt übersetzte Gedichtauswahl vor und findet kritische Worte für die Übersetzung:

„Schmidt, der selbst Lyriker ist, hat sich 1979/1980 mit der Übersetzung des Werks von Arthur Rimbaud einen Namen gemacht und 1998 für seine Übertragung von Melvilles Roman «Mardi und die Reise dorthin» den Paul-Celan-Preis erhalten. Nun hat er zu einem lyrischen Werk gegriffen, dessen klassisch-moderne Tonalität und metalyrische Doppeldeutigkeit besonders schwer zu treffen sind. Vielleicht deshalb schützt sich Schmidt in einer editorischen Notiz mit einer Art Disclaimer, indem er erklärt, dass «die vollkommene Übersetzung» nicht erreichbar sei. Aber noch unter dem Vorbehalt, dass jede Lyrikübersetzung unvollkommen ist, kann man ihm vorhalten, dass er den Ton und die Intention des Originals öfters nicht trifft.

Denn Schmidts Übersetzung haftet ein kryptoromantischer Gestus an, der Stevens' sprachliche Kühle emotional auflädt. So wird «The Snow Man», eines der kanonischen Gedichte Stevens', zu einem «Mann im Schnee». Dabei wird nicht nur der Titel missdeutet, sondern auch das Thema des Gedichts: Denn Stevens hat nicht über Männer im Schnee geschrieben, sondern versucht, aus der subjektiven Wahrnehmung eine objektive Wirklichkeit zu destillieren, die für ihn nur in der lyrischen Komposition möglich war. So führt das Gedicht einen fortschreitenden Abstraktionsprozess von «Mann» zu «man» zu «jemand» und schliesslich zu «nichts» vor – einen Mann im Schnee gibt es in diesen Versen nicht (und über die Gleichsetzung des Schneemanns aus der Gedichtüberschrift mit Stevens selbst, die Schmidt in den Anmerkungen vornimmt, muss man sich erst recht wundern).“

Wallace Stevens: Teile einer Welt. Ausgewählte Gedichte. Aus dem amerikanischen Englisch von Rainer G. Schmidt. Jung-und-Jung-Verlag, Salzburg 2014.

 

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