Der Wert des Originals
(Quelle: DLA Marbach)
Marbacher Magazin 148 – Der Wert des Originals
DIE WELT, hat ein Philosoph geschrieben, sei alles, was der Fall ist. Aber um dies feststellen zu können, bedarf es eines archimedischen Punkts. In einer Welt der schwierigen Fälle und der unsicheren Dinge heißt dieser Punkt: das Original. Noch nie waren wir so sehr auf Originale angewiesen wie heute, noch nie waren wir so süchtig danach. Das Original sagt uns, wann etwas begann und wie etwas Neues in die Welt kam. Es spendet Legitimität, setzt Werte fest, sichert künstlerische Originalität und kulturelle Ursprünge. Es ist die Antwort auf die Frage, warum etwas sei und nicht nichts: Es verhindert, dass uns die Welt entgleitet, die Kopien überhand nehmen, dass Fälschungen uns blenden. Was täten wir, wenn es morgen kein Original mehr gäbe?
Dazu ab Montag, 3. November 2014 bis Sonntag, 12. April 2015 die Ausstellung: »Der Wert des Originals«. Der Newsletter vom DLA schreibt:
In der Reihe der Essay-Ausstellungen, in denen wir das Museum als denkende Maschine begreifen, fragen wir nach dem Wert bzw. nach den Werten des Originals. Originale besiegeln Echtheit, legitimieren Ursprünge, stiften Geschichte, erzeugen Ausstrahlung, garantieren Reinheit, versichern Einmaligkeit, beglaubigen Anfänge, erzeugen Wert, provozieren Fälschungen und Akte der Zerstörung.
Was gibt dem Original diese Macht? Was verbindet diese Funktionen? Welche Rolle spielen die Öffentlichkeit, die Kritik, welche der Markt? Was lässt sich zeigen, was dekonstruieren? Was ist der Anteil des Archivs? Mit kostbaren Stücken - nichts als Originalen! - aus den eigenen Sammlungen und erstaunlichen Leihgaben aus deutschen und europäischen Archiven reflektiert Marbach eine zentrale Frage unserer politischen, ökonomischen und literarischen Kultur.
Leonardo da Vincis ›Mona Lisa‹ gilt als Prototyp des Originals. Als das Bild aus dem Louvre verschwindet, besuchen Franz Kafka und Max Brod die »unsichtbare Sehenswürdigkeit«, vier bewachte Haken auf leerer Museumswand. Der Verlust eines Originals reißt eine Lücke in die Welt, und doch werden tagtäglich Denkmäler, Archivalien und Monumente zerstört. Mit kostbaren Stücken aus den eigenen Sammlungen und erstaunlichen Leihgaben aus deutschen und europäischen Archiven zeigt Marbach eine Auswahl von über 100 Originalen: Originale aus der Literatur und Philosophie, wie u. a. Goethes ›Urfaust‹, Hölderlins erster Entwurf der Hymne ›Tinian‹, Ingeborg Bachmanns Aschenbecher oder Friedrich Nietzsches letzte Äußerung, und Exponate aus der Kunst- und Kulturgeschichte, wie u. a. das Original-Faksimile des Grundgesetzes, Sigmund Freuds Kissen oder Schachskizzen von Marcel Duchamp. Originale besiegeln Echtheit, stiften Geschichte, erzeugen Ausstrahlung, garantieren Reinheit, provozieren Fälschungen und Akte der Zerstörung. Mit Originalen können Löcher gegen das Nichts geschlossen werden, oft sind sie der Urgrund aufkeimender Möglichkeiten, immer aber Momente, die dem Lauf der Geschichte standhalten: »Augenblicksgötter« (Boehm), die erforscht, manchmal aber auch verworfen werden können.
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