Literarischer März 2015
Gestern abend um ca. halb neun war es raus: den literarischen März in vollen Zügen genießen darf David Krause.
In seinen eher konventionell aufgesetzten Texten finden sich Rückgriffe auf eine einfache und klargedachte Poesie, wie man sie bspw. Ende der 60er/Anfang der 70er schrieb und die als Schaubild für einen Wiedergewinn verstehbarer Authentizität und semantischer Tiefe dienen kann, während viele jener Wettbewerbstexte, die formelle und inhaltliche Wagnisse eingingen, polternd bis pauschal von der Bühne disputiert wurden oder im offen bekannten Unverständnis landeten.
Die Wolfgang Weyrauch-Förderpreise gingen an Özlem Özgül Dündar und Anja Kampmann.
Darüber hinaus konnte man über einen ganzen Tag verteilt weitere viel spannende Lyrik hören (WF Schmid, Konstantin Ames, Carolin Callies – um nur die zu nennen, die mir persönlich am besten gefielen) und ihr bis in die öffentliche Jury-Diskussion folgen, wo allerdings recht oft alleinstellende Aspektwahrheiten aufgrund persönlicher Sehschwächen der Jurymitglieder unerkannt oder verkannt bis mißgedeutet blieben.
Frank Milautzcki
Kommentare
Inhaltliche Wagnisse ... ich
Inhaltliche Wagnisse ... ich weiß gar nicht, was das sein soll. Von Tabubrüchen kann ja nicht die Rede sein, denn mir fiele keines ein, was noch nicht gebrochen wurde. Fehlendes sprachliches Wagnis: Ok. Es gibt halt jene, die sprachexperimentell vorgehen und diejenigen, die das nicht tun. Das ist doch schön. Wie viel Verkrampftes würde entstehen, wenn jeder versuchen würde, auf Formebene das Rad neu zu erfinden. Was mich freut: Die "neue Subjektivität" oder "neue Innerlichkeit" lebt noch, stößt nicht auf Ablehnung; sinnlich ausgelegte Lyrik, die auch Leuten zugänglich ist, die "nur" Lyrikliebhaber ohne breites diskursives Background-Wissen sind, einfach, weil emotional spontan etwas angestoßen wird, abseits von intellektuellem "Verstehen" ... So zumindest viele Stimmen aus dem Publikum. Für mich ist es das größte Lob, wenn mir jemand sagt: Deine Texte haben mich tief berührt. Klingt kitschig, aber ist so. Ich sollte vielleicht noch sagen, dass das alles gar nicht, aber so wirklich gar nicht gegen irgendeinen der Mitbewerber ausgerichtet ist. Es waren schöne dichte Tage, ich durfte mit tollen Autoren lesen und hoffe, ein paar von ihnen beim nächsten Literarischen März wieder anfeuern zu können. Und bin gespannt, was mich erwartet. Es war mein erster Wettbewerb.
You´ll never get a free lunch!
Es war Dein erster Wettbewerb, wie Du schreibst. Es war nicht mein erster Wettbewerb. Meinen ersten Wettbewerb hab ich ebenfalls gewonnen, danach gab es Presse-Meldungen und Gerüchte, die mir nicht gefallen haben. Das habe ich damals unkommentiert gelassen. Worauf ich hinaus will, lieber David: Es gibt nach dem Gewinn von Wettbewerben à la Lit. März, Meran oder open mike keine Schonzeit. Was Frank schreibt, ist nicht persönlich gegen Dich gerichtet, sondern einfach eine andere Sicht auf die Dinge. Die Jury war ja auch nicht allzu zimperlich mit einigen Deiner Mitbewerberinnen und Mitbewerber. Deine Sicht, dass es sich um schöne poetische Stunden gehandelt haben mag, teile ich nicht.
Gerade aber weil Frank Milautzcki und ich schon unsere ruppigen Tänzchen hatten, will ich Deine Rückmeldung, lieber David, nicht so stehen lassen, weil dann der Eindruck aufkäme, Frank würde missgünstig gegen eine vom aussterben bedrohte Schreibart eindreschen, wie auf eine kleine süße Robbe. Davon kann nicht die Rede sein!
Du willst berühren ... nunja ... würde man genauso antiintellektualistisch mit Blick auf Neue Musik oder zeitgenössische Kunst argumentieren? Schwer denkbar. Kunst kommt von Können, nicht nur in Bezug auf Darbietung, sondern auch mit Blick aufs Selbstverständnis gegenüber dem Publikum. Da hast Du Dich ja nun dankenswert klar positioniert. Aber Deine Sicht auf die Dinge ist wirklich, da ist Franks Einwand schon berechtigt, sehr gängig. Diese Lyrik-fürs-Taschentuch-Haltung kostet einen nichts. Das ist reinweg Mainstream. Die Neue Subjektivität, also auf Outriertheit und Aura setzende erzählende Lyrik, die auf außerliterarische Effekte setzt (damit Rhetorik ist, nicht mehr Poesie) ist übrigens noch nie vom Aussterben bedroht gewesen, lieber David. Zugestandenermaßen: Das sind auch die sehr klaren Rückbezüglichkeiten, die man in einer bestimmten Phase seines Schreibens braucht, wo es um Anerkennung und Aufmerksamkeit geht. Das hat in Darmstadt geklappt.
Worauf Frank abzielt ist auch nicht so persönlich gemeint, wie es offenbar angekommen ist: Es ist doch eher so, dass sprachkritisch arbeitende Poesie (gegenüber der Lyrik-fürs-Taschentuch) es immer, zu allen Zeiten, sehr schwer hatte. Sodann betrachte ich die Medaille noch etwas genauer von der anderen Seite: In Darmstadt wird die sprachkritische und experimentelle Schreibhaltung in schöner Regelmäßigkeit weggegrätscht. Das konnte man besonders an der menschlich unanständigen Verfahrensweise der Jury gegenüber Levin Westermann und Walter Fabian Schmid beobachten, da wurde mir schlecht. Auch in den Vorjahren war eine gewisse Vernageltheit bestimmter Jurymitglieder festzustellen.
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