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Impressum  І   Mediadaten  І  Letzte Aktualisierung: 01.02.2012, 07:27




 

Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik


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Die menschliche Komödie als work
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Ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

 
 

Volk ohne Traum


Ein Statement
von Uve Schmidt

… der werfe den ersten Schuh!

Wenn über eine dumme Sache endlich Gras gewachsen ist,
kommt prompt ein Rindvieh hergelaufen, das alles runter frisst.
                                                                                                     Volksreim

Die Causa Deutsche Medien versus Bundespräsident Wulff ginge einem glatt am Hirn vorbei, hinterließen die Anschuldigungen nicht bloß Scherben vor Schloss Bellevue, sondern mittlerweile erkennbar einen Scheiterhaufen. Man kann sagen: Das Mobbing mausert sich zur Menschenjagd, und das ist zuviel des Unguten. Während im obigen Reim zufällig und unschuldig eine Grasnarbe bloßgelegt und aufgewühlt wird, sind die Betreiber der Affaire „mit groß’ Macht und viel List“ (Luther) vorgegangen, so dass die betroffene Person, ihre Reputation und das Befinden ihrer Nächsten denkbar schwer beschädigt wurden wegen einiger ungerader und ungeschickter Verfahrensweisen um eine koschere Klinkervilla, mitnichten um Klunkern und schwarze Kohle im Kuvert, die klassischen Aufmerksamkeiten.  Da ich dies schreibe (17.1., 17:10), sind weitere Vorwürfe und neues Belastungsmaterial zu erwarten, doch m.E. kein Einknicken des Beschuldigten. Boykottieren  können unsere Medien Christian Wulff höchstens als Privatperson, doch derzeit gefiele das den Wulffs womöglich; wie aber will man das jüngste und fotogenste Staatsoberhaupt unserer neueren Geschichte in seiner Dienstausübung beanstanden? Ich bezweifle sehr, dass es einer soliden Mehrheit solider Deutscher gefiele, wenn die hiesigen Medien ein „Exzellenzenklatschen“ begännen, wie es die englische Asphaltpresse mit den Royals und unsern Klassekickern gewohnheitsmäßig treibt. Tatsächlich passiert (so oder so) eh immer das Gleiche: Naturkatastrophen, Weltrekorde, Gipfelkonferenzen, Massenmorde, Bankrotte, Unfälle, Kriegsverbrechen, VIP-Leichenfeiern, also Themenfelder, denen sich alle nichtgenannten Schlagzeilenbringer zuteilen lassen. Hingegen hat keine Redaktion aktiven Einfluss auf Obiges, aber weiterhin jeglichen Zugriff auf einzelne menschliche Existenzen, en detail und en gros und en masse sowieso.

Die Vorstellung, in Frankfurt am Main (bzw. an der Nidda) würde ein Kleingärtnerhasser systematisch Wohnlauben abfackeln, verängstigte mich wahrscheinlich eher, als das mörderische Treiben eines Dirnenwürgers, denn wir sind umgeben von Laubenpiepern und unsre Frauen sind ehrbar. Sollten allerdings Polizei und Staatsanwaltschaft glücklos bleiben, die Brandstiftungen und Hurenmorde sich mehren und die veröffentlichte Meinung (etwa by BILD und FAZ) aufkommen, Parzellendenken und  Prostitution pervertierten den freien Geist der großen Städte – na, dann Prost Pressefreiheit! Warum wohl wurden in den Ostblockstaaten (genauer: in den Nachrichtenorganen der einstigen  sogenannten Volksdemokratien) Unwetter und Zivilverbrechen, Tierdramen und Verkehrsunfälle, Familientragödien und Promitratsch zumeist nur knapp, selten oder gar nicht gemeldet und geschildert? Nun, aus den gleichen Gründen, wie diese Themata der Rohstoff sind, aus dem unsere Pressefreiheit gesponnen und gewebt ist: Aus politischen und wirtschaftlichen Motiven. Die Befriedigung des Informationsbedarfs und der Unterhaltungsbedürfnisse schied schon rein optisch die Geister in beiden Deutschland, doch nicht wirklich unsre deutschen Seelen und die Konsolen in den Wohnküchen Ost oder West. Und der Personenkult hüben und drüben? Zwar waren einheimische Spitzensportler und genehme KünstlerInnen in der DDR bekannter als die führenden Mitglieder des Zentralkomitees und der Regierung, obwohl sie maximale Portraitpräsenz genossen, doch wer kann heute hierzulande unsere Damen & Herren aus der Politik namentlich ihren Ressorts  und Fraktionen zuordnen? Höchstens 12%! Dennoch bestimmen Häupter und Visagen, Brustbilder und Arschgesichter maßgeblich die Chroniken unserer schnellen Jahre, wobei der Anteil der zum Tagesruhm eines Pressebildes oder zur Sternstunde eines Fernsehauftritts gelangten Bevölkerungsvertreter nicht nur zunimmt, sondern überhandnimmt. Was könnte diese Variante der aktuellen Volksnähe anderes bezwecken, als den Eindruck verbreitern, Klassengesellschaften bestünden nur noch in Indien und Großbritannien, aber weder hier noch da am diesseitigen Mittelmeer. Natürlich wurden im real existierenden Sozialismus keine  unpassenden Aussagen per Zeitung, Funk & Flimmerkiste publik gemacht, doch soweit es technisch möglich ist, unterbleiben „unpassende Bemerkungen“ auch in unseren Sendern, selbstverständlich auch intelligente Leserbriefe und vorfinanzierte Filmbeiträge, und natürlich kam man wegen eines Judenwitzes in der DDR nicht vor den Kadi, aber bei uns schon, was dann am Witz liegt. Vergleiche zwischen Väterchen Stalin und Heinrich Lübke verbieten sich rein landschaftlich, doch die peinliche Posse auf Bellevue bzw. meinem Flachbildschirm schreit förmlich nach einem bürgerlichen Wahlkönigtum. Alle werfen den ersten Schuh (sonst noch was?) und nehmen (auf Befragen) persönlich übel, gradso, als hätten alle Lümmel von der ersten oder letzten Bank ihr Schulversagen Musterschülern wie Wulff, Westerwelle und Rösler zu verdanken, welche ihnen weder vorsagten, noch sie abschreiben ließen. Und alle plappern jeden gepuderten Quatsch nach, etwa die Beschädigung eines Amtes durch den Amtsinhaber. Wie geht das denn? Ich kann meinen Frack, die Schlossfassade, ein Amtssiegel oder im Ausland als Staatsbesucher „unseren Ruf beschädigen“, aber niemals das Amt; der protokollarisch allerhöchste Job in Deutschland ist unverwüstlich, solange die deutschen Medien ihn nicht abschaffen. Sollte je ein deutscher Bundespräsident das Amt in Verruf bringen durch sein dienstliches Gebaren oder semikriminelle Verfehlungen im Amte,  dann kompromittiert er gleichzeitig alle diejenigen, welch ihn für das Amt ausgeguckt, empfohlen und gewählt hatten, und als einen solchen erinnere ich mich nur an Heinrich Lübke, der mittels einer von der Stasi frisierten Personalakte als „KZ-Baumeister entlarvt“ wurde und relativ früh sich als Altersschwachsinniger offenbarte, bewacht von seiner Frau Wilhelmine, die trotzdem noch eine 2. Amtszeit durchsetzte,  „um den Rest der Welt kennenzulernen“, ganz zu schweigen davon, dass ausnahmslos alle Bundespräsidenten ein Vorleben, Webfehler und Achillesfersen hatten, damit aber nur an den äußersten  Rändern unserer Presse konfrontiert wurden. Hier und heute waren es keine Kampf- oder Käseblättchen, die sich profilieren wollten, sondern unsre mächtigsten Medien, welche mit ihren Megakanonen auf ein Spatzenheim feuerten. Wollen sie ernstlich die Berliner Republik von einer Unperson auf dem Bürgerthron befreien, von einem falschen Zarewitsch quasi oder dem Gottseibeiuns gar? Oder stecken die Damen der Vorgänger dahinter oder Frau Schausten, Frau Künast und Frau Höhler, einfach alle einflussreichen Weiber, die nicht mehr so jung sind oder nie so schön waren wie unsere First Lady? Ich denke, es ist einfach ein unsportliches Wettschießen um den Goldenen Pfau auf der Stange, dem Publikumspreis des deutschen Journalismus. Und natürlich machen die Nachfolge- und Amtsreformvorschläge bereits deutlich, mit wieviel Spaß man bei der Sache ist und wie effizient der Politzirkus im Winterquartier sich auf die Frühlingstournee vorbereitet. Sollte Christian Wulff am 21. März noch unser Präsi sein, wünsche ich ihm weiteres Wohlergehen. Schade, dass niemand die Witwe Ranke-Heinemann gerufen hat, an der das Amt und die Welt wirklich genesen könnten, ließe man sie nur. Grüß Gott, Gnädigste!
   

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Volk ohne Traum
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